Jedes Wohlgefühl wird schal, wenn es immer verfügbar ist. Und wo ein Tag wie der andere ist, verliert die Zeit ihr Gesicht. Erst in der Folge von dunklen und hellen Tagen, langen und kurzen Nächten, kalten und warmen Winden spüren wir ihren Rhythmus. Jahreszeiten sind Anker, an denen sich die Erinnerung festmachen kann: Darum ist es unmöglich, vom ersten Schnee, den ersten Krokussen, dem ersten Bad im See einer Saison nicht angerührt zu sein.
Aber eigentlich sind die Wechsel der Jahreszeiten keine irdischen, sondern kosmische Ereignisse. In dieser Woche zum Beispiel haben wir die langen Nächte hinter uns gelassen, nun liegen die langen und wärmeren Tage vor uns. Warum? Weil die Sonne den Äquator überschritten hat und vom Himmel der Südhalbkugel in den unseren umgezogen ist. Am Montag um 11 Uhr 29 deutscher Zeit stand sie genau senkrecht über dem Breitengrad Null, ein vertikal in den Äquator gesteckter Stab warf in diesem Moment keinen Schatten. Genau dieser Augenblick markierte für uns Bewohner der Nordhalbkugel den Frühlingsbeginn.
Jahreszeiten erleben wir schließlich nur, weil die Achse der Erde schräggestellt ist. Stellt man sich die Bahn der Erde um die Sonne in einer horizontalen Ebene vor, und denkt man sich die Erdachse als einen vom Nordpol zum Südpol durchgesteckten Spieß, dann steht diese Achse nicht senkrecht, sondern neigt in einem beträchtlichen Winkel von 24 Grad zur Seite. Zeigt der Nordpol zur Sonne, herrscht auf der Nordhalbkugel Sommer, ist er ihr abgewandt, Winter. Die Erde ist wie ein Segelschiff, das nicht mit aufrechtem Mast, sondern mit gefährlicher Kränkung den Ozean befährt.
Warum fällt sie nicht um? Das ist eine berechtigte Frage. An der Erde zerren die Gravitationskräfte anderer Himmelskörper. Solche Kräfte vermögen einen Planeten ins Torkeln zu bringen. Etwa könnte die Drehachse der Erde aus ihrer Neigung in die Waagrechte kippen. Dann würde die Sonne einmal im Jahr über Deutschland aufgehen, einmal im Jahr wieder verschwinden. In der hellen Jahreszeit hätten wir eine alles Leben vernichtende Hitze, in der dunklen arktischen Kälte. Erträglich wären die Temperaturen dann allein in der Nähe des Äquators, den die Sonnenstrahlen nur streifen – aber nicht lange. Ist nämlich die Erde erst einmal ins Schlingern geraten, verstellt sich ihre Achse bald wieder. Was bis dahin eine lebensfreundliche Zone war, wird jetzt von der Sonne versengt oder gefroren. Unter solchen Umständen hätte die menschliche Zivilisation keine Chance. Alles Leben bis auf einfache Mikroorganismen würde verschwinden.
Eigentlich ist es ein Wunder, dass die Erde nicht torkelt, ihre Achse obendrein in einem mäßigen Winkel zur Senkrechten eingestellt ist. Nur deswegen gibt es die Jahreszeiten, nur deswegen können wir existieren. Wie glücklich wir uns schätzen können, dass wir in schönster Regelmäßigkeit Frühling, Sommer, Herbst und Winter erleben, haben Modellrechnungen erst in den letzten Jahren gezeigt: Schlingernde Planeten sind im Universum alles andere als selten. Sobald nämlich ein Himmelskörper einsam seine Bahn durchs Weltall zieht, gerät er unvermeidlich ins Trudeln. Das einzige, was ihn davon abhalten kann, ist ein Begleiter. Aber nicht irgendein Begleiter: Nur ein großer und schwerer Mond kann die Achse eines einsamen Planeten stabilisieren.
Der Mond der Erde ist riesig. Sein Durchmesser beträgt fast ein Drittel dessen der Erde. Damit steht er dem Planeten Merkur kaum nach. Im Vergleich zu unserem Mond fallen all die 178 bekannten Monde im Sonnensystem als Begleiter kaum ins Gewicht. Gemessen an den Planeten, die sie umkreisen, sind selbst die größten Monde von Mars, Jupiter, Saturn, Neptun und Uranus um mindestens das Zehnfache kleiner.
Dass die Erde zu solch einem gewaltigen Mond kam, verdankt sich einem geradezu unglaublichen Zufall. Allein mit ihrer eigenen Gravitation nämlich hätte sie sich solch einen Begleiter nie einfangen können. Eine gewaltige Kollision bescherte ihr den Trabanten. Kurz nach ihrer Entstehung, vor 4,5 Milliarden Jahren, stieß die Erde mit einem Protoplaneten namens Theia zusammen. Man vermutet, dass Theia so groß wie der Mars war. Aus den Trümmern des Aufpralls wurde der Mond. Natürlich war eine solche Begegnung in den riesigen Räumen des Planetensystems überaus unwahrscheinlich. Noch viel unwahrscheinlicher war es, dass sich beide gerade so trafen, dass sie gemeinsam den Mond hervorbringen konnten.
Seitdem ist die Achse der Erde im Weltraum befestigt. So verdanken wir die Jahreszeiten nicht alleine der Sonne, sondern genauso dem Mond. Unsere Vorfahren verehrten den Begleiter der Erde als lebensspendende Kraft. Sie nannten den Mond eine Göttin, der wir alles verdanken. Sie konnten nicht wissen, wie recht sie hatten.

Träume sind der verborgene Teil unseres Selbst. Aber in einer zunehmend hektischen Welt haben wir den Zugang zu unseren nächtlichen Erlebnissen verloren – und Sehnsucht danach, ihn zurückzugewinnen.
Der Bestsellerautor Stefan Klein nimmt uns mit auf eine einzigartige Entdeckungsreise in das Land der Träume. Er stellt die Faszination, die Träume seit jeher auf uns ausgeübt haben, in den Rahmen der neuesten Wissenschaft. Mit Hirnscans und riesigen Traumdatenbanken hat sich diese in den letzten Jahren völlig neue Wege zu unserem Bewusstsein gebahnt. Stefan Klein zeigt uns verständlich und spannend, was Träume uns wirklich sagen, wie sie uns neue Einsichten und Horizonte eröffnen und wie wir sie als mentales Training nutzen können.