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Hundertvierzehn | Extra
Nach der Erzählung

Patrick Roth antwortete auf die Einladung, ein Nachwort zur Neuübersetzung von Thornton Wilders ›Die Brücke von San Luis Rey‹ zu schreiben, auf die schönste Art – mit einer Erzählung. Der Text erscheint in diesen Tagen als Nachwort zu Brigitte Jakobeits Übersetzung im Arche Verlag.

 
Patrick Roth

Der Schriftsteller wurde 1953 in Freiburg/Brsg. geboren und lebt als freier Autor in Los Angeles und Mannheim. Berühmt ist er als Erzähler biblisch-mythischer Stoffe, die er in einer filmisch-präsentischen Weise neu dramatisiert, so im letzten großen Roman ›Sunrise. Das Buch Joseph‹ (2012) und den früheren Texten der ›Christus-Trilogie‹ (1998). Die deutsch-amerikanischen Erzählzyklen ›Meine Reise zu Chaplin‹ (1997/2013), ›Die Nacht der Zeitlosen‹ (2001), ›Starlite Terrace‹ (2004) und ›Die Amerikanische Fahrt‹ (2013) vergegenwärtigen Schicksale im Schatten der Hollywood-Filmindustrie und Roths ungebrochene Liebe zum Geheimnis des Kinos.

Patrick Roth

Nach der Erzählung


»Lies mir doch die letzten Zeilen der Wilder-­Geschichte noch mal vor«, sagte Ava.
»Wilder soll das Buch mit neunundzwanzig Jahren ge­schrieben haben«, meinte Nina, die gerade nachgesehen hatte. »Inspiriert, heißt es hier, von einem Jesus­-Zitat im Lukasevangelium 13,4.  Moment mal, kann draufklicken: Jene achtzehn  Menschen,  die beim Einsturz des Turms von Schiloach erschlagen wurden  – meint ihr, dass nur sie Schuld auf sich geladen hatten,  alle anderen Einwohner  von Jerusalem aber nicht?«
»Und?«, fragte Wyatt.
»Und?«
»Den nächsten Vers, bitte.«
»Moment … Nein, im Gegenteil: Ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt.«
»Sagt wer?«
»Sagt Jesus.«
»Na also! Von wegen Liebe. Bekehrt euch, oder ihr kommt alle um!«, meinte Cal.
»Du nimmst das wörtlich?«
»Wie denn sonst, bitte? Das sind doch Drohungen, die –«
»Aber lasst doch jetzt! Lies mir die letzten Sätze bei
Wilder noch mal vor«, bat Ava. »Das Ende.«

So ging es schon eine Weile zwischen uns hin und her. Es war kurz nach Mitternacht, aber immer noch warm genug draußen. Vor knapp sechs Stunden hatte Wyatt begonnen, uns ›Die Brücke von San Luis Rey‹ vorzulesen. Auf seiner Terrasse am Segeljachthafen von Marina del Rey. Ein Stromausfall hatte ihn auf die Idee gebracht. Die Lichter gingen zwar nach zwei, drei Stunden wieder an, auch die Jachten und Motorboote in ihren slots längs der Stege und die Hochhäuser jenseits der Marina leuchteten wieder auf und spiegelten sich im Wasser, aber wir fünf kümmerten uns nicht darum und beließen es bei den Kerzen, die neben Wyatts Lesesessel brannten.
Wyatt schlug das Buch wieder auf und las Ava nochmals das Ende vor:
»But soon we shall die …«
»Hatten wir das nicht gerade: Ihr alle werdet  genauso umkommen …?«
»Bitte unterbrich ihn doch nicht.«

...

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Mit herzlichem Dank an Ulrike Ostermeyer vom Arche Verlag.

© S. Fischer Verlag GmbH /
Fischer Kinder- und Jugendbuch Verlag GmbH
Frankfurt am Main 2020
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