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Hundertvierzehn | Extra
Zur Erhellung von Flüchtlingswegen in einem finsteren Europa

Christoph Ransmayr spricht über Kolonialherren, Schande und Menschen auf der Flucht zur Eröffnung einer Ausstellung, für die Künstler Sätze formuliert haben, die zu leuchtenden Schriften geworden sind.

 
Christoph Ransmayr

Christoph Ransmayr, wurde 1954 in Wels/Oberösterreich geboren und lebt nach Jahren in Irland und auf Reisen wieder in Wien. Neben seinen Romanen »Die Schrecken des Eises und der Finsternis«, »Die letzte Welt«, »Morbus Kitahara«, »Der fliegende Berg« und dem »Atlas eines ängstlichen Mannes« erschienen bisher zehn Spielformen des Erzählens, darunter »Damen & Herren unter Wasser«, »Geständnisse eines Touristen«, »Der Wolfsjäger« und »Gerede‹. Zum Werk Christoph Ransmayrs erschien der Band »Bericht am Feuer«. Fu¨r seine Bu¨cher, die in mehr als dreißig Sprachen übersetzt wurden, erhielt er zahlreiche literarische Auszeichnungen, unter anderem die nach Friedrich Hölderlin, Franz Kafka und Bert Brecht benannten Literaturpreise, den Premio Mondello und, gemeinsam mit Salman Rushdie, den Prix Aristeion der Europäischen Union, den Prix du meilleur livre étranger und den Prix Jean Monnet de Littérature Européenne. Zuletzt erschien der Roman »Cox oder Der Lauf der Zeit«.

Leben wir tatsächlich in finsteren Zeiten? In Europa scheint es trotz eines noch nie dagewesenen Reichtums und geschenkter, von vorangegangenen Generationen erkämpfter Freiheiten immer seltener und an immer weniger Orten hell zu werden. Ach, Europa. Jahrhundertelang hat dieser Kontinent die fernsten Länder und Kulturen überrannt, ausgebeutet oder zerstört und damit den eigenen Wohlstand begründet. Spanische und portugiesische und niederländische und englische und französische und deutsche und belgische und italienische und immer weitere und noch mehr Kolonialherren haben im Rest der Welt willkürlich Grenzen durch uralte Einheiten gezogen, haben Landesbewohner vertrieben, versklavt, verstümmelt oder erschlagen und Handelsstationen, Minen und dann auch Massengräber eröffnet - und fielen schließlich im Streit über das unermeßliche Raubgut übereinander her.

Als ökonomische oder militärische Verlierer nach zwei Weltkriegen von den Schlachtfeldern gejagt, marschierten die europäischen Nationen schließlich im Gleichschritt mit amerikanischen oder russischen Weltherrschaftsstrategen in eine Zukunft, in der sich die ehemaligen Feinde unter dem Namen einer angeblich friedlichen Europäischen Union zusammenschließen sollten.

Leuchtschrift (Luminous Writing) - Artists for Humanity

Galerie Thaddaeus Ropac
Salzburg Villa Kast
21. November 2015 - 09. Januar 2016
Weitere Informationen

© GALERIE THADDAEUS ROPACAber nun, seit diese Union zur letzten Zuflucht für mehr und mehr Vertriebene, Verzweifelte und andere Nachkommen der Opfer europäischer Gier und Zerstörungswut geworden ist, will Europa von den Lieferanten seines Reichtums nichts mehr wissen und hat sogar vergessen, dass auch ein Großteil der europäischen Bevölkerung in periodischen Abständen aus Flüchtlingen bestand. Allein auf nationalen Vorteil und Gewinn bedachte europäische Regierungen liefern täglich neue empörende Begründungen, warum gegen das von ihren Völkern mitverursachte Elend Stacheldraht gezogen, Mauern gebaut und schwerbewaffnete Grenzschützer aufgeboten werden sollen. Politische Parteien, die sich für ihre gnadenlosen, monströs plakatierten Programme mit beiden Händen aus Steuermitteln bedienen, versäumen keine Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass alle Boote voll und sämtliche Mittel erschöpft seien. Dabei erreicht von den 60 Millionen Menschen, die in unseren Tagen weltweit auf der Flucht sind, nur der einhundertste Teil Europa.

Was für eine Schande, dass die glaubwürdigsten Europäer  nun nicht die sogenannten Volksvertreter, sondern  jene Menschen sind, die sich auf Bahnhöfen und entlang der Straßen und vor Flüchtlingslagern und anderen Stationen des Elends versammeln, um den Verzweifelten mit  Nahrung, Wasser, Kleidung wenigenstens über den Tag hinwegzuhelfen. Jeder Schritt, jeder Handgriff,  den ein einziger dieser wahrhaft freien Bürger aus Mitgefühl tut, trägt mehr zu Rettung der europäischen Menschlichkeit bei als das leere Gerede von Programmeuropäern in den nationalen, von Geschäftsinteressen und primitivstem Heimatgeschwafel beherrschten Parlamenten. Heimat ist immer nur ein schmaler Landstrich, der durch die Kindheit und durch die Herzen führt. Jenseits davon ist jeder fremd, ist jeder Ausländer oder Flüchtling und auf Hilfe und Beistand von Eingeborenen angewiesen.

Die in Österreich lebenden und arbeitenden Künstler werden mit ihrer Leuchtschrift niemandem vorschreiben, wie und wo ein Mensch einem anderen zu helfen hat, sie wollen sich aber den beherzten Helfern im öffentlichen Raum anschließen, damit es wenigstens entlang von Fluchtwegen, anders als in verfinsterten Parlamenten, wieder heller wird.


Für den ›Atlas eines ängstlichen Mannes‹ wurde Christoph Ransmayr mit dem Prix du Meilleur livre étranger und dem Prix Jean Monnet de Littérature Européenne ausgezeichnet. Seine Rede zur Verleihung des Prix du Meilleur livre étranger finden Sie hier

Gerede

»Die Verwandlung von etwas in Worte gehört zu den vielfältigsten und ungeheuerlichsten Verwandlungen, die in unserer Welt möglich sind.« Davon spricht Christoph Ransmayr in seinen Reden und erinnert uns, dass es oftmals gerade das Kindhafte, Gefährdete, Archaische oder traumatisch Verletzte an der Poesie ist, das Unbändige, Wahnsinnige an Prosa und Drama, das uns bewegt, fesselt oder überwältigt. Zu den vornehmsten Möglichkeiten der Literatur zählt Ransmayr dabei die Förderung der Vorstellungskraft durch das Erzählen vom tatsächlichen Leben des Einzelnen, um so gegen Dogma und Klischee, die Voraussetzungen aller Barbarei, zu immunisieren und darin vielleicht sogar eine Ahnung von Glück zu finden.

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Frankfurt am Main 2020
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