Man ist hier schon mal gewesen. Die Musik hat man schon mal gehört. Den Qualm, der in der Luft hängt, hat man in den Achtzigern schon mal ausgeatmet, irgendwo in Kreuzberg, als Kreuzberg noch Kreuzberg war, bevor die Neoliberalen kamen und die Mietpreise in die Höhe getrieben haben, mit ihren Cafés, in denen man nicht mal rauchen darf, ohne darüber nachzudenken, was das mit Berlin macht oder mit den Künstlern, die sich Berlin gar nicht mehr leisten können, die sich das Leben auch gar nicht mehr leisten können, bist du nicht gerade in der Villa Concordia, und wie ist das so, und was zahlen die eigentlich, und muss man da viele Lesungen machen, oder hat man da auch mal seine Ruhe. Ich hasse Lesungen sowieso und Leser, es werden auch immer weniger, das ist ein großes Problem, dieser Leserschwund.
Man diagnostiziert den Untergang des Abendlandes und bestellt Gin Tonic. Mit Gurke oder Zitrone? Weder noch, und machen Sie ja kein Tonic rein. Man zündet sich eine Zigarette an. Man zündet sich noch eine Zigarette an. Man ist hier schon mal gewesen. Man kennt diesen Raum, der kein Raum ist, weil er ein Ort ist, in der Räumlichkeit verortet, nein, in der Sprache verortet, bei mir kommt alles Schreiben aus der Sprache, ja ja, sagt man, nein, Handlung brauchst du keine, aber diese Sprache. Ja, ja, die Sprache.
Man zündet sich eine Zigarette an. Man findet das alles viel zu harmonisch, es gibt auch gar keine Streitkultur mehr. Man zitiert einen Mann, der Ludger heißt und gerne mehr ejakulieren würde, weil nie genug Samen zur Verfügung steht, wird in der Pornographie mit Kunstejakulat nachgeholfen aus Eiweiß, vegan ist das aber nicht. Man findet das männerfeindlich. Man muss wieder kritischer werden, wie damals, Richter würde sich im Grab umdrehen, dass wir alle so nett zueinander sind, Autoren mussten auf den elektrischen Stuhl, und dann haben alle geschossen, Katachresen wären da nicht durchgegangen, und Widerworte gab es keine, weil Richter das so wollte, der war aber nur einmal als Autor da und danach nur noch als Richter. Man wäre auch lieber Richter.
»Ich finde es schön, dass hier so eine respektvolle Atmosphäre herrscht«, sagt U freundlich.
»Um Gottes Willen, keine Adjektive«, sagt E. Bei E kommen alle Adjektive aus der Sprache und in den Papierkorb.
»Ich finde es, dass hier so eine Atmosphäre herrscht«, sagt U. Adjektive können attributiv, prädikativ oder adverbial verwendet werden, das war früher anders, da waren die Adjektive noch Adjektive, und es gab nur 12 Autoren, und alle waren da, mit einer Postkarte und ohne Reisekosten, und die Rechtschreibung war auch besser.
Handwerkliche Schwächen werden eingeräumt, Entschuldigung, handwerkliche Schwächen werden verortet. Werden in der Sprache verortet. Man raucht noch eine Zigarette. Man ist ganz schön alt geworden, mit jedem Buch altert man wieder ein paar Jahre, man ist vor lauter Dichtung schon ganz frühvergreist. Man ist kahl geworden, und wo es noch geht, ist man grau geworden, überall, am ganzen Körper, Schreiben ist ja sehr körperlich. Ein graues Schamhaar hat man neulich entdeckt. Bei mir kommt alles Schamhaar aus der Sprache. Man raucht noch eine Zigarette. Dichternebel füllt den Ort.
Man bestellt einen Gin Tonic ohne alles, und lassen Sie doch diese Eiswürfel weg. Bei mir kommt alles Trinken aus der Sprache. Man sagt, das ist sehr konventionell erzählt. Man hat lieber schlechten Sex als schlechte Sätze. Adjektiv! Man hat Sex als Sätze. Bei mir kommt die Sprache! Ja, ja, die Sprache! Bei mir kommt alle Sprache aus dem Ejakulat.
»Zurück zu Junge Literatur in Europa«