
Sir Arthur Conan Doyle mit seinem Walroßbart sitzt Modell

Watson's Detective Camera ist natürlich… Sherlock Holmes

Im Kanon der Sherlock-Holmes-Texte taucht merkwürdigerweise die Photographie kaum auf. Sie braucht es auch nicht, ist doch der Detektiv bereits eine Art Kamera, die sogar noch präziser als diese alles aufzeichnet und in seinem »Gedankenpalast« abspeichert.

Und doch bedient sich Sherlock Holmes photographischer Techniken: Im ›Hund der Baskervilles‹ hält er einen Teil des Portraits zu, um die Person besser vergleichen und anhand der Familienähnlichkeit identifizieren zu können.

Diese Technik hat er von dem französischen Kriminalisten Alphonse Bertillon übernommen, der sie genau schildert und auch an einem Beispiel vorführt.

Erst durch das Abdecken weiter Teile des Gesichts wird die Identität ersichtlich.

In seinem Abenteuerroman ›The Lost World‹ (›Die vergessene Welt‹) will Conan Doyle seinen Leserinnen und Lesern die Annahme plausibel machen, dass auf einem Hochplateau in Südamerika Dinosaurier überlebt haben.

Und was wäre besser geeignet als die Photographie, um die Leser davon zu überzeugen? Conan Doyle verkleidete sich höchstpersönlich, um in die Rolle seines Protagonisten Prof. Challenger zu schlüpfen.

Und er fertigte detaillierte Skizzen für die Illustrationen an.

Bei diesen griff er auch auf Vorbilder real existierender Personen zurück. Hier etwa auf den Menschenrechtler E.D. Morel, der Pate für eine Figur des Romans stand.

Photographien dienten in ›The Lost World‹ noch dem ironischen Spiel und dem Hoax. Doch Mitte der 1910er Jahre bekannte sich Conan Doyle öffentlich zum Spiritismus und gründete einen spiritistischen Buchladen unweit der Westminster Abbey im Herzen Londons. Hier sehen wir ihn im Kreise seiner Mitarbeiter...

… und hier im Kreise seiner Familie, die mit ihm den Glauben an die Existenz des geistigen Führers Pheneas teilten, der Conan Doyle und seiner Frau täglich erschien und für den selbst bei den Mahlzeiten ein Platz freigehalten wurde. Leider war er sehr photoscheu. Daher ist er bedauerlicherweise bei dieser Aufnahme des ›Pheneas Circle‹ nicht zu sehen.

Auch Conan Doyles im Ersten Weltkrieg verstorbener Sohn erschien ihm in photographischer Gestalt als Erscheinung auf einem Portraitphoto.

Conan Doyle sammelte zahlreiche photographische Belege des Spiritismus, darunter auch Aufnahmen von Ada Deane, mit der er persönlich bekannt war. Sie hatte am Tag des Waffenstillstands während einer Gedenkveranstaltung vermeintlich Bilder Gefallener aufnehmen können.

Conan Doyle war von der Authentizität der Photographien überzeugt und verteidigte Ada Deane öffentlich gegen ihre Kritiker.

Ada Deane fertigte zahlreiche solcher spiritistischen Photographien an und stellte sie sogar in Alben zusammen.

Conan Doyle sammelte aber auch Bilder von Ektoplasma-Materialisationen, die während Seancen entstanden und zeigte sie bei seinen Lichtbildvorträgen, die ihn um die ganze Welt führten. Eine halbe Million Menschen sollen ihm gelauscht haben, als er sie mithilfe von Photographien von der Wahrheit des Spiritismus zu überzeugen suchte.

Und als Conan Doyle 1930 starb, erschien er bereits kurz darauf bei einigen spritistischen Seancen und wurde sogleich photographisch aufgenommen – als Ektoplasma-Materialisation …

… oder als Extra, wie dieser helle auratische Schein seinerzeit bezeichnet wurde.

Conan Doyle war auch von der Authentizität von Elfen-Photos überzeugt, die zwei Mädchen in Yorkshire aufgenommen hatten. Hier die unretuschierte Aufnahme …
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… und hier die retuschierte, die Conan Doyle im berühmten ›Strand Magazine‹, in dem auch die Sherlock-Holmes-Texte erschienen waren, publizierte.
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Und doch waren die Elfen, so bekannte eine der beiden mehr als ein halbes Jahrhundert nach den Aufnahmen, nichts als Fakes: ausgeschnittene Papierfiguren, die die Mädchen drapiert hatten.
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Nur der Gnom, so sagten sie, der Gnom, der sei echt.

Was haben Sherlock Holmes und Spiritismus gemeinsam?
Conan Doyle kennt man vor allem als Autor der Sherlock Holmes-Geschichten. Sein Werk ist allerdings weitaus umfangreicher und verzweigter: Es umfasst historische Romane, politische Pamphlete, historische Studien, Science-Fiction-Romane und nicht zuletzt zahlreiche Publikationen zum Spiritismus. Die Photographie spielt dabei eine zentrale Rolle und lässt eine höchst eigentümliche Vorstellungswelt erstehen. Sie erlaubt es zugleich, die Welt um 1900 mit all ihren Merkwürdigkeiten in den Blick zu nehmen: Für die Zeitgenossen war Sherlock Holmes eine real existierende Figur, für seinen Autor aber bezeugten Photographien von Elfen, Verstorbenen und Geistern deren Existenz. Ihre Photos und die anderer merkwürdiger Wesen sammelt dieses Buch mitsamt dem Imaginarium, das sich um sie rankt.