Die Schweiz im Advent
Es hat alles nichts genutzt. Als vor einem Jahr die Minarettverbots-Initiative deutlich angenommen wurde, rieben sich die Verlierer – die Links- und die Mitteparteien – die Augen. Mit einer Ja-Mehrheit für einen derart extremen, übergeordnete Rechtsnormen verletzenden Vorstoss hatten sie nicht gerechnet und daher auf einen Gegenvorschlag verzichtet. Diesmal, bei der Ausschaffungs-Initiative, wollten sie es besser machen. Zwar waren viele der Meinung (und dieser Meinung kann man in der Tat sein), das bestehende Recht gebe Handhabe genug, gegen kriminelle Ausländer vorzugehen. Es müsse nur konsequent angewendet werden. Doch gewitzt durch den Erfolg der Rechtsnationalisten das Jahr zuvor, formulierten sie einen Gegenvorschlag, der ebenfalls eine markante Verschärfung der Ausschaffungspraxis gebracht hätte, mit Bundes- und Völkerrecht konform gewesen wäre.
Doch es hat alles nichts genutzt. Die Mehrheit des Volkes will den Tarif durchgeben. Will auf den Tisch hauen. Will – ohne Rücksicht auf Verluste – Radikallösungen. Was ist eigentlich, muss man sich fragen, aus der Schweiz geworden? Aus diesem Land, das sich gerne seiner Nüchternheit, seiner pragmatischen Suche von Lösungen, seiner humanistischen Traditionen rühmt? Bedenkenlos wirft eine Mehrheit seiner Bürgerinnen und Bürger altbewährte Grundsätze über Bord. Verhältnismässigkeit? Hat bei Ausschaffungen nichts zu suchen! Geltendes Verfassungsrecht? Lass fahren dahin! Völkerrecht? Geht uns erst recht nichts an.
So liederlich der Text der nun angenommenen Initiative formuliert ist – alle Argumente gegen sie, alle Hinweise auf die Umsetzungsprobleme und die „bessere Qualität“ des Gegenvorschlags, prallten, so plausibel sie sein mochten, an einem fast archaisch anmutenden Bedürfnis nach, möchte man sagen, automatisierter Radikalität ab: Wer Ausländer ist und auch nur ein kleines Drogendelikt begeht, wird ausgeschafft. Punkt. Schluss.
Das reine Gewissen der Linken und Grünen
Obwohl abzusehen war, dass die SVP mit ihrem Vorstoss Erfolg haben würde, zogen es SP, Grüne und kirchliche Organisationen vor, ihr reines Gewissen zu pflegen. Sie empfahlen ihren Anhängern ein zweifaches Nein, also auch zum Gegenvorschlag. Vielleicht war das nobel, vielleicht konsequent. In Anbetracht der Stimmung im Land zeugt diese Haltung aber von Verantwortungslosigkeit. Sie begünstigte, was diese Kreise gewiss nicht wollten, den Durchmarsch der Initianten. Und sie zeigt einmal mehr, dass die Linke mit ihrer zunehmenden Neigung zu Kompromisslosigkeit nichts erreicht – im vorliegenden Fall gar das pure Gegenteil dessen, was sie will.
Gekaufte Demokratie
Nun, das Resultat dieses Tags der direkten Demokratie ist zu akzeptieren. Schwieriger zu akzeptieren ist indes die Art, in der der Abstimmungskampf geführt wurde. Demokratie, sagt die Theorie, sei ein Wettbewerb der Ideen. War die Kampagne, die in den vergangenen Wochen das Land überzog, ein Ideenwettbewerb?
Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse wollte sich im Kampf gegen die Ausschaffungs-Initiative nicht engagieren. Er zog, in aufopfernder Fürsorglichkeit für die Gutbetuchten, gegen das Volksbegehren für gerechte Steuern ins Feld. Als die Verbandsleitung merkte, dass dieses Begehren Chancen hat, griff sie tief in ihre Taschen und pflasterte die Werbeträger voll mit kleinen, zur Lüge verkürzten, jedenfalls höchst manipulativen Slogans gegen dieses Volksbegehren. Mit Erfolg.
Desgleichen die SVP mit ihrem Thema. Seit Wochen sprangen dem Publikum, insbesondere in den hochfrequentierten Bahnhöfen, die einschlägigen Plakate mit dem Vergewaltiger Ivan S. in die Augen: Dumpfe Botschaften, die an dumpfe Gefühle rührten.
War das nun ein Wettbewerb der Ideen? Davon kann nicht die Rede sein. Die Propagandaflut glich eher einer Gehirnwäsche. Und sie offenbarte einmal mehr, wie sich Politik auch in unserem Kleinstaat amerikanisiert: Wer Geld hat, kauft sich den Entscheid.
Bleibt die Frage, welches Radikalitätsgeschenk die Rechtsnationalisten dem Land als nächstes offerieren. Nach ihren Erfolgen mit der Verwahrungs-, Minarettverbots- und Ausschaffungs-Initiative wird ihr Appetit kaum gestillt sein. Und noch weniger die Lust, die Grenzen des Zulässigen auszureizen. Worauf muss man sich also gefasst machen? Auf die Zulassung von Folter an kriminellen Ausländern? Auf die Einrichtung von Schnellgerichtshöfen zur raschen Aburteilung derselben? Auf die Wiedereinführung der Todesstrafe? – Nein, Hirngespinste. Nur, wenn Strömungen, wie sie der heutige 1. Advent sichtbar macht, einmal in Gang gesetzt sind, lassen sie sich möglicherweise nur mehr schwer kanalisieren.
Ihr seid schon soweit!Die Schweiz besteht nur noch aus Tätern und Opfern.Wer sich von gewissen Medien auf diese Opferhilfssttellenindustrie einlässt muss ja Depressionen bekommen. Eine Vielzahl von sogenannten Opfern werden auch zu diesen gemacht! Es hilft unzähligen selbsternannten Retterinnen und Retter sich in einer bösen männlichen Welt zurechtzufinden. Von den verhungerten Babys und im Tiefkühler gelagerten, den Abgetriebenen und phsychisch zertörten Kinder wollt ihr aber nichts hören. Das würde dann die Weiblichkeit verletzen. Ihr folgt immer dem vorgegebenen Muster, böser Mann,gute Frau.Ein kleines Beispiel:(Sexualität scheint ja bei euch von grösstem Interesse,) Bei Hirschmanns Begleitung im Dolder war noch nebst einer Älteren eine 15 Jährige dabei,am späten Abend gingen diese Begleiterinnen mit ihm aufs Zimmer. Nun heisst die Anklage sexuelle Handlung mit einem Kind. Ein Kind? Man ist bis zur Pupertät ein Kind nachher ist man eine Jugendliche manchmal sogar mit sexuellen Wünschen. Sagt euren 15 jährigen doch einmal Kind,mal schauen was sie dazu sagen.Der Effekt dieser Wortwahl aber ist für eure Inqusitionsgelüste Balsam.Wirkliche Opfer brauchen Hilfe, aber sicher nicht all diesen Voyeurismus!
einiges wird folgen, sofern unsere Räte weiterhin jegliche Straf-Verschärfungen ablehnen und den Täterschutz weiterhin über den Opferschutz stellen.
Was will man da noch sagen? Jürg Schoch hat ja eigentlich alles gesagt. Nur nicht, dass es diese rechtsnationalen Tendenzen nicht nur in der Schweiz gibt, sondern dass sie in Österreich beispielsweise längst institutionalisiert sind. Und dass sie in Ungarn dran sind, demokratische Rechte wie Medienfreiheit, die vor 20 Jahren erkämpft worden sind, abzubauen, und dies mit dem Rückenwind der Wahlbürger. In Frankreich hat die Partei Le Pens ganze Landstriche unter Kontrolle und das Italien Berlusconis wird von vielen als die Form der Diktatur des 3. Jahrtausends gesehen. Interessant wäre es, nicht nur auf die Schweiz einzuhacken und zu bedauern, dass aus uns etwas geworden ist was wir behaupten nicht zu sein, fremdenfeindliche Rosinenpicker nämlich, sondern zu versuchen diese Rechtsbewegungen, die sich so weit vom demokratischen Rechtsverständnis wegbewegen in einem Kontext zu sehen und zu verstehen. Dann wären sie vielleicht eher zu bekämpfen.
Es schreien die Verlierer und suhlen sich in Selbstmitleid...
Wem die Schweiz im Advent zu dunkel ist, soll sich doch hin und wieder ein Kerzli anzünden!
ja, respektieren kann ich die abstimmung auch. hab aber doch den eindruck, es wurden zwei klassen von personen geschaffen. müsste man denn ausländische firmen, die vor gericht verurteilt wurden, nicht auch unverzüglich nach hause schicken? firmen wie alcor: bestechung von irakischen beamten, um nicht mehr zulässige chemieprodukte zu verkaufen. oder trafigura: nachlässig ausgeführter giftmülltransport nach afrika mit tödlichen folgen in der bevölkerung. ausländische firmen, die in der schweiz ansässig sind. deren guter ruf scheint in der schweiz unbestritten zu sein, auch wenn das ausländische gerichte anders beurteilen. die toleranz liegt hier wohl deutlich höher; aber fair ist das eigentlich nicht.