Die Tragödie der Schweiz

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Die Tragödie der Schweiz

Von Beat Allenbach, 02.07.2021

Wir hätten die Möglichkeit, unser Land zukunftsgerichtet zu gestalten, aber wir scheitern an unserer Angst, etwas zu verlieren, sowie am Zurückscheuen vor Veränderungen. Drei Beispiele.

Wir haben das Glück, in einem schönen Land zu leben, in dem Frauen und Männer verschiedenster Kulturen und Sprachen leben. Diese Vielfalt wird unterstützt durch eine staatliche Gestaltung auf drei Ebenen: Gemeinde, Kanton und Eidgenossenschaft. Sie überträgt dem Volk eine grosse Macht. Wir haben gute Voraussetzungen, um unser Land im Interesse des Gemeinwohls besser zu organisieren und zu gestalten. 

Beispiel eins

Doch gegenwärtig treiben wir ohne Steuermann umher. Vor sieben Jahren hat der Bundesrat die Verhandlungen mit der EU begonnen im Hinblick auf ein Rahmenabkommen. Doch er hat sie nicht mit der nötigen Umsicht begleitet, und als der Vertrag zur Unterzeichnung bereit war, hat er ihn in eine Vernehmlassung geschickt, ohne dazu seine Meinung zu äussern. Die einen sagten, der Vertrag sei der bestmögliche für ein Land, das nicht Mitglied der EU ist, die andern fanden ihn unannehmbar. Nach einem weiteren Treffen von Bundespräsident Parmelin mit der Präsidentin der EU-Kommission, von der Leyen, brach der Bundesrat die Verhandlungen abrupt ab und erklärte das Abkommen für gescheitert. 

Angesichts der Tatsache, dass wir ein kleines Land mitten in Europa sind, ist dieser Schritt nicht angebracht. Aber er steht im Einklang mit den vielen Besuchen von Bundesräten in China und in Saudiarabien. Unsere europäischen Nachbarn, mit denen wir viel Gemeinsames haben, bekommen nicht die gleiche Aufmerksamkeit. Wir haben – es tut mir leid, das zu sagen – eine unbedachte, kopflose und oft unentschlossene Regierung. Mit Politikern dieser Art wäre Mitte des 19. Jahrhunderts unser Bundesstaat nie geschaffen worden.

Beispiel zwei

Nachdem sich der Bundesrat entschlossen hatte, das Geldwäschereigesetz zu verschärfen, ist ihm das Parlament während der vergangenen Sommersession nicht gefolgt. Anwälte, Treuhänder und Berater dürfen ihren Kunden weiterhin erläutern, wie sie undeklarierte schwarze Gelder reinwaschen können. Einzig wenn sie sich an den Geldverschiebungen aktiv beteiligen, sind sie dem Geldwäschereigesetz unterstellt, insbesondere mit der Pflicht, verdächtige Transaktionen zu melden. Vor dieser Verwässerung des Gesetzes hatte sogar die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma gewarnt. Doch das Parlament wollte nicht darauf eingehen und bewies einmal mehr, dass der bürgerlichen Mehrheit das Unrechtsbewusstsein fehlt.

Beispiel drei

Gegen ein vom Parlament genehmigtes Bundesgesetz kann mittels eines Referendums eine Volksabstimmung verlangt werden. Da das CO2-Gesetz lediglich von der SVP und einzelnen FDP- und Mitte-Politikern sowie seitens der Wirtschaft bloss von der Erdölvereinigung und den Autohändlern bekämpft wurde, schien das Gesetz nicht gefährdet zu sein. Doch 51,6 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer sagten nein zu diesem Gesetz, das die dramatische Klimaerwärmung hätte verlangsamen können. Es bleibt ein schaler Nachgeschmack, denn die Freisinnigen und die Linke wähnten sich offenbar zu sicher und haben sich nicht mit voller Kraft dafür eingesetzt, die positiven Aspekte des komplexen Gesetzeswerkes aufzuzeigen.

In diesen drei Beispielen haben sich Kräfte durchgesetzt, die kein Vertrauen in die Zukunft haben und jeder Veränderung misstrauen. Es herrscht die Furcht, etwas zu verlieren. Diejenigen, die eine offene, solidarische und zuversichtliche Schweiz wünschen, müssen sich künftig mit mehr Überzeugungskraft dafür einsetzen, die von Ängstlichkeit und Misstrauen geprägte Stimmung zu überwinden.

Kommentare

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Unbedacht, kopflos und unentschlossen sei der Bundesrat, schreibt Beat Allenbach. Er hat recht und Corona zeigt es auch. Der BR ist überfordert, weil im Rat der Intellekt fehlt.

"Es herrscht die Furcht, etwas zu verlieren." Tja, genau dadurch werden sie erst recht etwas verlieren, die lieben Leute rechtsaussen usw. vergessen, dass die CH auch eingeschlossen werden könnte (was wir alleine durch das COVID-Zertifikat bereits erleben werden). Es ist nicht so, dass die EU zwingend auf die CH angewiesen wäre (ausser für Schwarzgeld...) - wir aber schon auf sie (Export!).

Danke Herr Allenbach für die klaren Worte.
Es ist wirklich unerklärlich wie sich die Schweiz im Zentrum von Europa benimmt. Ich habe mich schon oft gefragt in letzter Zeit, was wir eigentlich für einen Bundesrat als Gesamtgremium haben. Es ist zum Weinen, was diese sieben Leute bieten. Es geht nur um Geld, Geld und nochmals Geld. Auch der jüngste Entscheid für den Kauf des F-35 ist ein solches Beispiel.
Der Schweiz geht es doch nun einfach nicht soooo schlecht, dass nur Geld eine Rolle spielt. Haben wir keinen Draht mehr zu anderen Werten und unseren Nachbarn, wir sind doch schlicht und einfach auf diese angewiesen. Wir können nicht alleine, auch wenn wir möchten!
Mir tut einfach unsere junge Generation leid, die mit diesen geld- und wirtschaftspolitischen Entscheiden klar kommen muss, egal ob wir noch etwas zum einem fruchtbaren Zusammenleben in Europa beitragen können.

Danke! Dieser Zwischenruf spricht mir aus dem Herzen. Es ist schon erstaunlich welche Wucht diese destruktiven Kräfte in den letzten Jahren dazu gewonnen haben.
Eine rechtspopulistische Partei nutzte die "Gunst der Zeit", um ihre Destruktion voll auszuleben und das Vertrauen in den Staat und die Institutionen, ja das Vertrauen in die Demokratie als solche bewusst zu untergraben.
Seien das die Angriffe auf die Regierung, auf die Justiz, auf die Nationalbank, auf die Bundesanwaltschaft, auf die SRG, auf die Sozialwerke, bis hin zu der Herabwürdigung unserer Nachbarn und der ganzen Europäischen Union oder generell die Angriffe auf sozial Schwache, Ausländer, Andersdenkende und jeden und jede, welche nicht in das starre Denkmuster der Nationalisten passen.
Diese Partei hat mit viel Aufwand alles zerstört, was die, die eine offene, solidarische und zuversichtliche Schweiz wünschen an unserem Land so sehr schätzen und sie haben das Bild einer finsteren Schweiz hingestellt, die bösartig und herrschsüchtig, misstrauisch und alles Fremde verachtend in die Welt blickt.
Diesem Bild muss unbedingt etwas Neues entgegengesetzt werden! Alle, die eine offene, solidarische und zuversichtliche Schweiz wünschen müssen mithelfen, die Schweiz aus den Fängen dieser griesgrämigen, mutlosen Bösmenschen zu befreien, sonst sehe ich nicht nur finster, sondern schwarz für unsere gewachsene Demokratie.

Sie bezeichnen die Gewinner der letzten Abstimmungen als "destruktive Kräfte", obwohl Ihnen die Unsinnigkeit dieser Anschuldigung natürlich klar sein muss. Sie folgen damit genau dem Muster linksgerichteter Meinungsmache: Diffamierungen, um sich nicht mit der Gegenmeinung auseinandersetzten zu müssen. Diese Strategie tendiert zunehmend ins Extreme ("Cancel-Culture"). Sie ist einer der wichtigsten Gründe für den Aufstieg rechter Bewegungen, wie wir sie im Westen derzeit beobachten.

Ich bezeichne die Rechtspopulisten als destruktiv, weil von dieser Seite noch selten bis nie ein konstruktiver Vorschlag kam.

Alle deren Initiativen waren immer destruktiv, oder haben Sie je gelesen, wofür die Rechtspopulisten sind? Meist liest man nur, wogegen sie sind und man stimmt auch immer nur gegen etwas und ihre Doktrin ist ja auch immer wir gegen den Rest. Alles sehr destruktiv, aber sehr erfolgreich, weil die Zerstörung naturgemäss viel einfacher ist, als der Aufbau.

Sie überschätzen zudem in ihrer Aggitation für die Rechtspopulisten die Macht der progressiven Linken masslos!

Der Aufstieg der rechtsextremen, sprich der destruktiven Kräfte hat mehr mit dem Paktieren und der Duldung durch die "Liberalen" und durch die Mitteparteien, als mit der Politik der Linken zu tun.

getrost, selbst im Seuchenjahr 2020 verzeichnet die "tragische Schweiz" ein Wachstum der Einwohnerschaft von rund 60 000 Menschen. Zudem nimmt die Anzahl der Automobile in der Schweiz jährlich um rund 50 000 zu. Nirgends ist in Europa ein Land so attraktiv für Einwanderer ( undeutsch Migranten) wie die ökologisch übervökerte Schweiz. Ich sehe mit Ihnen auch schwarz, einfach aus anderen Gründen, aus politisch nicht korrekten Gründen.

Sehr geehrter Herr Scholl

Was für ein Egomane muss man sein, um so zu denken? Woher nehmen Sie und ihresgleichen eigentlich die Vermessenheit, zu fordern, dass in einer Welt, in der die Bevölkerung leider allgemein am Wachsen ist, dass ausgerechnet die Schweiz davon verschont wird?

Ich empfinde diese Einstellung als extrem unsolidarisch oder eben egomanisch und eines reichen und zivilisierten Landes unwürdig, denn wenn wir es nicht schaffen dieses Wachstum aufzufangen, wie sollen es dann die anderen, ärmeren Länder können und einfach danebenzustehen und dem Elend zuzuschauen, ist für mich als Humanist keine Lösung!

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