Herr Jornod, treten Sie zurück!

Heiner Hug's picture

Herr Jornod, treten Sie zurück!

Von Heiner Hug, 07.04.2015

Am 11. April steht die Wiederwahl des bisherigen NZZ-Verwaltungsratspräsidenten Etienne Jornod auf dem Programm. Ein Aufruf an den Betroffenen – und an die NZZ-Aktionäre.

Sie sind ein erfolgreicher Manager bei Galenica. Bei der NZZ sind Sie fehl am Platz. Die unverzeihliche Kabale um die versuchte Berufung des Blocher-Jüngers Markus Somm zum NZZ-Chefredaktor hat das ohne jeden Zweifel an den Tag gebracht.

Am 11. April findet die Generalversammlung der NZZ-Gruppe statt. Dann müssten Sie als Verwaltungsratspräsident bestätigt werden. Hinter den Kulissen versucht sich eine Gruppe namhafter Leute zu organisieren, die ihre Abwahl verlangen.

Nicht von ungefähr: Sie haben bewiesen, dass Ihnen jedes politische Gespür für die Marke NZZ und deren geistige Verwurzelung fehlt. Wer die urfreisinnige, urliberale und weltoffene NZZ dem Bannkreis des nationalkonservativen Vorkämpfers und Medien-Financiers Blocher oder eines seiner ideologischen Satrapen überantworten will, ist als NZZ-Verwaltungsratspräsident untragbar.

Mit dem katastrophal verunglückten Manöver, den von Blocher zunächst zum Chef der „Basler Zeitung“ beförderten Markus Somm als NZZ-Chefredaktor zu inthronisieren, sind Sie zu einer Belastung für die Zeitung geworden. Dass Sie nicht mit einem Aufschrei der Empörung aus den Reihen der NZZ-Leser und vor allem der NZZ-Redaktion gerechnet haben und über diese Reaktionen „erstaunt“ waren, wie Sie sagen, zeigt Ihre weltfremde Distanz zum Gedankengut des Liberalismus freisinniger Prägung und zur geistigen DNA der NZZ.  

Die NZZ-Redaktion hat im Dezember in einer von 163 Mitgliedern unterzeichneten schriftlichen Stellungnahme mit aller wünschbaren Klarheit folgendes festgestellt: „Die Ernennung eines Exponenten nationalkonservativer Gesinnung würde in unseren Augen das Ende der Kultur einer liberalen und weltoffenen NZZ bedeuten.“ Ein vernichtenderes Urteil über die von Ihnen allen Ernstes beabsichtigte und eingeleitete Somm-Berufung ist kaum vorstellbar.

Oder könnte es sein, dass Ihnen durchaus bewusst war, was für ein politisches Signal mit der Einsetzung des Blocher-Jüngers Somm auf den Posten des NZZ-Chefredaktors ausgesendet würde? Und dass Sie ein solches Signal in nationalkonservativer, aggressiv EU-feindlicher Richtung (wie sie von den Blocher-hörigen Blättern „Weltwoche“ und „Basler Zeitung kultiviert wird) für durchaus wünschenswert hielten?

Vielleicht werden Sie vor den NZZ-Aktionären eine salbungsvolle Rede halten, etwas mea culpa einstreuen – mit dem Versprechen, dass derart atemberaubende politische Verirrungen nicht mehr vorkommen werden. Vielleicht werden Sie dann auch wiedergewählt werden. Doch Sie bleiben ein in seiner politischen Urteilsfähigkeit und Glaubwürdigkeit gegenüber der NZZ-Redaktion und weiten Teilen der liberalen NZZ-Leserschaft schwer angeschlagener VR-Präsident.

Es ist zu hoffen, dass Ihre Kritiker bis zum 11. April einen ernsthaften Gegenkandidaten aufbauen. Einflussreiche Namen werden herumgereicht. Das ist keine Verschwörung, das ist der legitime Versuch einer Selbstreinigung nach verwirrenden Anzeichen einer geistig-politischen Desorientierung.

Natürlich kann man sich auch fragen, welche Rolle die übrigen Verwaltungsräte bei dem Somm-Debakel spielten. Auch sie hätten voraussehen müssen, auf welchen politischen und publizistischen Gau das Somm-Manöver hinauslief. Aber Sie, Herr Jornod, tragen als Präsident dieses Gremiums selbstverständlich die Hauptverantwortung.

Dass der VR und die Unternehmensleitung im Geschäftsjahr 2014 nicht davor zurückschreckten, die eigenen Bezüge im Vergleich zum Vorjahr um insgesamt eine Million zu erhöhen – und dies bei einem Reinverlust von 30 Millionen – ist ebenfalls nicht geeignet, das Vertrauen in das oberste Leitungsgremium zu stärken.

Haben Sie die Grösse und gehen Sie! Tun Sie es im Interesse der noch immer prestigeträchtigsten Schweizer Zeitung! In solch schwierigen Zeiten muss ein Medienunternehmen von einer starken, respektierten und politisch trittsicheren Person geführt werden. Tun Sie es auch im Interesse der Leserinnen und Leser, die eine Zeitung mit einer verlässlichen, liberalen Führung wollen! Und tun Sie es im Interesse der Redaktorinnen und Redaktoren, Korrespondentinnen und Korrespondenten, die ihr Herzblut für eine Zeitung dieses Formats und dieser ehrwürdigen Tradition geben – und die mit ihrer denkwürdigen Protesterklärung entscheidend dazu beigetragen haben, dass der angezettelte Anschlag auf die liberale Seele der NZZ vorerst gescheitert ist!  

Und tun Sie es im eigenen Interesse!

Jeder möge seine eigene Meinung über Blocher, Somm, Jornod etc haben, doch was Sie hier schreiben lieber Herr Hug, ist eines liberalen Journalisten unwürdig weil durch und durch getränkt mit moralin-saurer Kritik, welche zu offensichtlich nach mehrheitsfähigem Beifall hechelt.
Dass sich die NZZ schon lange schleichend aber umso deutlicher von liberalen Standpunkten verabschiedet hat, dürfte vielen langjährigen Lesern aufgefallen sein, vom ewigen Blocher bashing ganz zu schweigen. Und wenn bei einem so gewichtigen Blatt die Mainstream-Beilage Z bald dicker ist als die Wochenendausgabe selbst, dann zeigt sich von alleine, wieviel die holden, dem sogenannten Liberalen verpflichteten, Journalisten und Redaktoren wirklich noch zu sagen haben.

Much ado about nothing …

Mit Verlaub - das ist doch alles Unfug.

Der Herr Somm ist - sofern ich richtig informiert bin - Mitglied der FdP (also „im Prinzip“ NZZ kompatibel …).

Alles, was der Herr Somm in der BaZ und in der WW geschrieben hat, ist “im Grunde” (ich wiederhole “im Grunde”) FdP bzw. NZZ-kompatibel, bzw. sollte es doch sein ...

Die Gründerväter (leider gab es damals noch keine -mütter) des Liberalismus (und auch der NZZ) drehen sich vor Kummer im Grabe - die FdP/die NZZ haben sich (noch nicht vollumfänglich, aber schaurig partiell) dem Plausibilitäts-Mainstream Untertan gemacht.

Warum? Lieber R.M. (ex NZZ): warum?

Und warum feiert ein geschwätziger Neo- bzw. Alt/ex-Plausibilitäts-Mainstream Journalismus („nicht immer, aber oft ...“) auf j21 Urstände?

@M. Seelh.

FDP-kompatibel?

Schauen Sie sich bspw. das an:

http://politblog.tagesanzeiger.ch/blog/index.php/28275/

Nur zum Beispiel. Das hat kein Schüler geschrieben, sondern offenbar Herr Somm. Egal was Sie oder ich von seiner Meinung und seiner persönlichen politischen Überzeugung halten. Aber lesen Sie ohne Scheuklappen den Text. Hint: Qualität (klar, schwieriger Begriff), Realitätsbezug, minimalstes journalistisches Können/Wissen u. v. a. m.

Der Mann ist Chefredaktor. Und soll FDP-kompatibel sein. Und hätte evtl. NZZ-Chefredaktor werden sollen. Und schreibt solche Texte.

Nun hat aber Markus Somm die Weltwoche von einem stolzen Kulturmagazin zum Parteiblatt abgehalftert und die BaZ zum antiintellektuellen und kulturfeindlichen Sprachrohr der Rechtskonservativen gemacht. Wenn das sein Leistungsausweis ist, wurde Herr Somm offensichtlich nicht wegen seiner Kompetenzen in Betracht gezogen, sondern aus politischem Kalkül.

Bei der Nachricht, dass Hr Jornod nur schon die Idee hat, diesen Hr Somm in den VR zu nehmen ist wirklich ein Gau und hat mich schockiert. Das zeigt, wessen Kind er ist. Ich habe seither das Gefühl, der Ruf der NZZ sei dadurch geschädigt und beschmutzt. Das Abo wollte ich spontan kündigen. Die Vorstellung, dass die NZZ auf das Niveau einer Weltwoche sinkt ist unerträglich, unvorstellbar. Das hat sie nicht verdient. Was für ein Skandal! Doch ich hoffe, dass die anderen Verwaltungsmitglieder diesem "Somm-Gedankengut" abgeneigt sind und diese Haltung ihren Anschauungen widerspricht. Ich hoffe, dass die NZZ mit ihren vorzüglichen Mitarbeitern die heutige Grösse und Vielfältigkeit weiterhin bewahren wird.

Langjährige und aufmerksame NZZ-Leserin ohne Kenntnisse von Geschäftsmodellen, Verwaltungsräten, Aktionären usw. frage ich mich immer wieder, was "liberal" sei. Wirtschaftlich kann ich's mir vorstellen, wirtschaftsliberal sind meines Wissens die Bürgerlichen, inklusive die National-Konservativen. Gesellschaftlich heisst "liberal" wohl, dass für jederman, jederzeit, fast alles erlaubt ist. Da sind die National-Konservativen eventuell anderer Meinung, dafür sind die Linken in gesellschaftlicher Hinsicht sehr liberal/tolerant/weltoffen. Aber politisch? Heisst politisch liberal, EU-/USA-/NATO-freundlich zu sein? Zu dieser westlich liberalen Wertegemeinschaft zählen vermutlich auch die freundschaftlichen Beziehungen zu Israel und den Golfstaaten. Wenn man nicht "liberal" ist, ist man dann kommunistisch oder national-konservativ oder gehörte überhaupt mehr oder weniger auf einen Scheiterhaufen? Oder vielleicht hat man nur Bildungslücken?

Lieber Herr Hug, machen Sie nicht den Fehler von Herrn Jornod & Cie: Den Stelleninhaber absetzen bevor in den einschlägigen Kreisen klar und sicher ist, wer folgt.

An Klarheit kaum zu überbieten. Alles gesagt. Gratuliere!

Danke Herr Hug!
Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen.
Danken Sie ab Herr Jornod, einen Chefredaktor wie Herrn Spillmann ziehen zu lassen ist Leistungsbeweis genug!

Meines Erachtens stellt sich sowohl für die Leitung des VR wie auch für alle dessen Komparsen im traurig-tragischen Theaterstück rund um die Nachfolge des entlassenen Chefredaktors auch 2015 Ciceros klare Frage an Catilina erneut:" Quo usque tandem abutere patientia nostra?" Auf die im Grund einzig auf der Hand liegende Antwort wird (noch immer) gewartet, nicht aber auf weitere offizielle, schreckliche Verlautbarungen, in denen mit der Wahrheit alles andere als grosszügig umgegangen wurde. Die Hoffnung auf überfällige Einsicht ist allerdings noch nicht gestorben. Gewartet wird auch auf etwas mehr als bloss kakanischen Charme des CEO und auf etwas mehr als von wenig Sachkenntnis der NZZ-Kultur getrübtes Gewusel aus der Beraterecke mit ihren allwissenden, leider aber von der NZZ-Kultur gar nichts Wissenden. Alles in allem: Die Zeit zum Gehen ist gekommen.

Sind Sie denn Aktionär der NZZ? Wenn nein, woher holen Sie die Legitimation für Ihren Aufruf?

Ihr Kommentar zeigt im Prinzip bereits das antiliberale Moment, das uns schon an der Causa Somm abgestossen hat. Wer nicht die neoliberalen Regeln befolgt, dass nur der etwas zu sagen hat, der Aktien oder sonst irgendwelches Vermögen hat, sei nicht legitimiert, Kritik an den Manövern der NZZ anzubringen. M.a.W. der gewöhnliche Leser hat nichts zu sagen, weil er ja nicht zum Geldadel gehört.

Lieber Herr Aktionär. Vielleicht zählt es ja auch, einmal für die NZZ gearbeitet zu haben, nicht? Oder gilt für Sie nur der Besitz? Da würder ich Ihnen allenfalls die Geduld anrechnen, die sie als Fdp-Mitglied (Voraussetzung) mit deren chronischem Niedergang haben müssen.

Lieber Herr Aktionär, man muss ja nicht unbedingt Aktien besitzen von irgend einer Firma, damit man sagen darf, was man denkt. Auch ohne Aktien zu besitzen darf man sich Gedanken über fatale Entwicklungen machen.........

Citoyen sein, Monsieur l'actionnaire, reicht doch? Die Legitimation ist die Freiheit, das sagen zu dürfen, was einen bewegt.

Noch ist die "Meuterei auf der Bounty" in vollem Gange. Leider decken sich aber die Interessen der NZZ-Redaktoren nicht unbedingt mit jenen der NZZ-Leser und -Aktionären! Die NZZ hat ihre DNA längst verraten, es gäbe durchaus Platz für eine liberal-konservative NZZ, klar abgegrenzt vom verpönten Blocher-Lager. Ihr Aufruf, Herr Hug wird verhallen, denn die DNA der Aktionäre unterscheidet sich zwar von jener der Redaktoren, aber dieses Mal wird es keine Palastrevolution geben. Die "Meuterei auf der Bounty NZZ" wird sich hinziehen, dürfte aber gleich tragisch enden wie auf der richtigen Bounty!

Bravo Herr Hug, treffend abgefasst!

Dem ist tatsächlich nichts mehr beizufügen. Danke Herr Hug für diesen klaren Artikel.

Danke, danke, lieber Herr Hug, für diesen bitter nötigen, wichtigen Aufruf. Mit Ihnen hoffe ich, dass er genügen gehört wird und entsprechend gehandelt werden wird am 11. April! Alles andere wäre sehr besorgniserregend für unsere Medienwelt.

Du kannst nicht jeden Politiker/VR-Präsidenten zum Rücktritt bewegen, aber versuchen solltest du es... Lieber Heiner: Leider ist in der DNA solcher Weggefährten nicht vorgesehen, auf vernünftige Argumente einzugehen und die - notwendigen - Konsequenzen zu ziehen, da bräuchte es eine Hintertüre, um unauffällig zu verschwinden...und nicht jedem war es vergönnt, mit der US-Justiz ins Gehege zu kommen (Hummler lässt grüssen), um den Rücktritt einzureichen. Hoffen hilft.

Auch ich bin täglicher Leser der NZZ und finde Titel wie "Der Feind ist Moskau" auf der Frontseite kein Zeugnis für das Differenzierungsverögen der heutigen (Chef)redakteure Ihrer Wahl.

Herr Etienne Jornod, treten Sie ab!

Dem gibt es nichts mehr beizufügen - voll einverstanden!

Chapeau, Herr Hug, für diese klare Stellungnahme, der ich mich als
Grossabonnent und langjähriger NZZ-Leser vollumfänglich anschliesse.

SRF Archiv

Newsletter kostenlos abonnieren