Man glaubte uns nicht

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Man glaubte uns nicht

Von Ulrich Meister, 20.07.2017

Den Zeugen und Opfern der Zeitgeschichte wurde nicht geglaubt. Simone Veil (1927-2017) musste zweimal überleben lernen.

In der heutigen weltweiten multimedialen 24-stündigen Sofortkommunikation wäre dies kaum mehr möglich. Die Propagandamaschinen der Mächte und Konzerne der „Brave New World“ sind zwar am Werk, aber die Aufklärer auch. Auf die zögernde Frage, warum sie nicht früher über ihre Leiden in den deutschen Konzentrationslagern berichtet habe, erhielt man von Simone Veil seinerzeit die halb resignierte, halb zornige Antwort: „Man glaubte uns nicht.“

Heute wissen wir fast täglich mehr über viel mehr Genozide und Konzentrationslager weltweit, in China, Nordkorea, Südamerika, Afrika – von der alten Sowjetunion und dem neuen Russland ganz zu schweigen. Wir sind konfrontiert mit einem islamistischen Faschismus und dem osmanischen Aufsteiger Erdogan, der einen europäischen Rechtsstaat als „Nazi“ beschimpft hat. Dasselbe musste die französische Konservative Simone Veil in der Abtreibungsdebatte von 1974 erdulden.

Nun kann man glauben oder nicht, was man nicht weiss – aber nicht, was man nicht wissen will. Der Holocaust bleibt das geschichtliche Skandalon Europas im 20. Jahrhundert, auch wenn man die Vokabel „faschistisch“ inflationär oder unpräzis missbraucht. Das Letztere ist Politik – oder Zynismus.

In der Aufzählung der Gräueltaten gehen auch hier "zufällig" vergessen: Der (in unzähligen Western ins Gegenteil verdrehte) Genozid der US-Siedler und ihrer Cavalery an den einheimischen Indianern in Nordamerika, die systematische Zerstörung des Lebensraums der indigenen Bevölkerung durch gewalttätige Besatzungsarmeen in Kurdistan und Palästina, der genozidartige Krieg der Saudis (mit US-Hilfe) im Jemen (z.B.). Auch das ist politisch und zynisch: Man rechnet den "Bösen" ihre Untaten vor – und lässt die Gräuel der "Guten" (Freunde) unerwähnt. Niklaus Ramseyer, BERN
PS: Diese Info zum zweiten Mal eingesandt. Weil man beim ersten Mal "nicht wissen wollte"?

Ich habe in Erwägung gezogen, Journal21 zu unterstützen. Leider aber schimmert auch bei J21 immer wieder die Nato-Line durch und lässt immer wieder den Mut oder die kritische Betrachtungsweise vermissen, um auch die Verbrechen der NATO-Staaten, allen voran der USA zu kritisieren. Ein deutliches Beispiel dieser Berichterstattung ist der Kommentar von Ulrich Meier vom 20.7. Er spricht über Genozide und Konzentrationslager und zählt natürlich alle nicht Nato Kontinente auf und schiebt dann noch nach "ganz zu schweigen vom neuen Russland". Die Verbrechen der USA in all den Kriegen in den letzten 60 Jahren werden aber totgeschwiegen. Menschenverachtende verbrechen wie das einsetzen von Uran Munition in den letzten 20 Jahren mit hunderttausenden von Toten, von verkrüppelten Neugeborenen und Folgeschäden für unzählige Generationen ist eines der schlimmsten Verbrechen der letzten 100 Jahre. Der Autor bevorzugt es aber unter dem Titel "Man glaubte uns nicht" die Verbrechen der USA und der Nato auszulassen und stattdessen die Russophobie der Mainstreammedien zu stützen. Falls Sie wirklich zu den neuen Medien gehören wollen, die aufklären und die Übel an der Wurzel anpacken, dann müssen Sie diese mutig Thematisieren. Nur wenn genügend solche mutigen Medien die Bevölkerung aufklären, können wir verhindern, dass wir die Geschichte wiederholen und einige wenige eines Tages sagen müssen "Man glaubte uns nicht". Viel Mut und Erfolg auf ihrem Weg zu den wirklich unabhängigen neuen Medien.

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