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16. Februar 2021

Mehr als 100 – geht das?

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Mehr als 100 – geht das?

Von Christoph Kuhn, 02.03.2015

Arme gestresste Parlamentarier – was müsst ihr leiden, um uns zu regieren.

Im „Tages-Anzeiger“ war kürzlich, in Zusammenhang mit unserem Milizsystem,  eine der im Politbereich notorischen Jeremiaden zu lesen. Wie bringt man politische Arbeit (oder auch nur Präsenz) im Nationalrat mit Beruf, Verbandsmitgliedschaft, Stiftungs- oder Verwaltungsratsmandaten, familiären Obliegenheiten unter einen  Hut? Indem man sich vervielfacht, durchhält und immer weiter durchhält, weit über 100 Prozent arbeitet, „Zeitfenster“ wahrnimmt, „Auszeiten“ organisiert, nie krank wird, nichts Unvorhergesehenes auf sich zukommen lässt. Um Erklärungen für ihr gestresstes Leben zu finden, flüchten sich die befragten Nationalrätinnen und ihr parlamentarischer Kollege, der im Hauptberuf  Pilot ist, hinter seltsame Sprachbilder, die schon so allgemeingültig geworden sind, dass sie niemand mehr hinterfragt. Das „Zeitfenster“, nach dem man sich sehnt, um hinauszuschauen (wohin?), impliziert einen negativ bestimmten Zeitbegriff: verinnende Zeit als ein Leben hinter Wänden ohne Ausblick. Und wie überlistet man die Zeit? Wie dehnt man sie aus, wie schafft man es, mehr als 100% zu schaffen? Rhetorische Fragen. Mit 100% Arbeitszeit ist hierzulande die 40-Stunden-Woche gemeint – und die kann man ja ohne weiteres amplifizieren, warum nicht verdoppeln? Man wird sich dabei, sei es als fliegender Nationalrat, sei es als eine im medizinischen Bereich und auch sonst vielfach tätige Nationalrätin und dreifache Mutter, auf gefährliches Terrain begeben. Und sicher eine „Auszeit“ brauchen, will man nicht das finale „aus“ riskieren. Oder mindestens ein Burnout.

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Auf das wesentliche reduziert: Politiker sind getrieben von Gier und Angst. Die Gier nach mehr Geld und Einfluss, getrieben auch von einer gehörigen Portion Narzismus mit einem ungesundem Egoismus. Angst vor dem Verlust der stattlichen "Nebeneinkommen" und dem damit verbundenen sozialen Abstieg sowie das ausrangiert werden auf dem politischen Abstellgeleise.
Die Wahrheit ist meistens kurz.

Zeitfenster könnten auch für dringend benötigte Auszeiten genutzt werden. Ja sogar hervorragend zu gebrauchen um das Peter-Prinzip aus den 60 er Jahren zu studieren. Auf dem Boden der Realität zu landen ist für manche/n oft nur erreichbar, in dem man, genau wie beim Ballonfahren, ein wenig Druck ablässt, Gewichte abwirft. Sauber gemanagt ergäbe das je nach dem oder der, sicherere Landungen. Respekt und Anerkennung unserseits sind den Volksvertretern/innen sicher, aber beneiden tun wir sie nun wirklich nicht….cathari

Ein Amt als Stadtpräsident ist ein Fulltime-Job. Wie man daneben noch im Nationalrat sitzen kann (ca. 70%-Job) ist mir ein grosses Rätsel. Ausser wenn man beides halbbatzig macht. Es gibt noch mehrere solcher Fälle, Alexander Tschäppät ist nur einer der krassesten.

Wie kann man auch nur vergessen zu erwähnen, dass dies alles für einen Hungerlohn geleistet wird?

Regieren? Die Regierung, sprich die Exekutive, sind die Regierungs- und Bundesräte, nicht die Parlamentarier. Oder wurde ich falsch ausgebildet?

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