Mutter Krieg

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Mutter Krieg

Von Stephan Wehowsky, 03.06.2014

Ursula von der Leyen will die Bundeswehr zu einem der attraktivsten Arbeitgeber Deutschlands machen. Werden dann auch die Kriege attraktiver geführt?

Seit Ursula von der Leyen Verteidigungsministern ist, profiliert sie sich mit dem Anspruch, die Arbeitsbedingungen bei der Bundeswehr massiv zu verbessern. Sie will erreichen, dass die Bundeswehr „zu einem der attraktivsten Arbeitgeber der Bundesrepublik Deutschland“ wird. Auf den ersten Blick erscheint Ihre Argumentation überzeugend.

Parteiübergreifende Kritik

Dass das Leben der Soldatinnen und Soldaten auch in Friedenszeiten mit massiven Nachteilen verbunden ist, wird zu Recht beklagt. Häufige Versetzungen in vom Heimatort weit entfernt liegende Standorte, Dienstzeiten, die sich von denen im bürgerlichen Leben radikal unterscheiden, Unterkünfte, die wie aus der Zeit gefallen zu sein scheinen: Das alles sind Faktoren, die den Dienst in der Bundeswehr unattraktiv machen.

Nicht erst seit Dienstantritt Ursula von der Leyens wird an Verbesserungen gearbeitet. Aber da die Ministerin grundsätzlich den Anspruch erhebt, Ausserordentliches zu Wege zu bringen, werden diese Bemühungen nicht nur gesteigert, sondern mit dem Etikett „attraktivster Arbeitgeber“ auf  Von-der-Leyen-Format gebracht. Als sie jetzt ihre Pläne konkretisiert und der Öffentlichkeit vorgestellt hat, erhob sich über Parteigrenzen hinweg Kritik. In der Zeitschrift Focus bescheinigte ihr der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, sie habe „ganz offensichtlich keine Ahnung vom Militär“.

Warmduscher und Weicheier

In Anspielung auf ihre frühere Rolle als Familienministerin ergänzte er, sie wirke auf ihn wie eine „gute Hausfrau, die ihre Kinder versorgt.“ Und weil er gerade so schön in Fahrt war, setzte er noch eins drauf: Die Ministerin solle „noch Wecker anschaffen, bei denen statt einem Klingeln nur Meeresrauschen und Vogelgezwitscher ertönt“. Denn das allmorgendliche Pfeifen und Gebrüll zum Wecken in den Kasernen könne einem modernen Menschen schon ziemlich auf die Nerven gehen.

Mit seiner Kritik steht Kujat nicht allein. Auch aus der Bundeswehr schlägt der Verteidigungsministern auch von weiblicher Seite Skepsis entgegen. Gerade Frauen fürchten, nun in eine Ecke gestellt zu werden, die ihren Ansprüchen, als Soldatinnen ernst genommen zu werden, nicht entspricht. Und laut Focus soll ein hoher Offizier gesagt haben: „Die Ministerin verpasst uns mit dieser Agenda das Image von Weicheiern und Warmduschern.“

Kein normaler Arbeitgeber

Meldet sich in dieser Polemik ein veraltetes Bild des Soldaten? Auf den ersten Blick scheint es so. Dagegen hat man schon in der alten Bundesrepublik versucht, das Bild des Soldaten zu schönen: „Bürger in Uniform“. Nach den Mordexzessen des Zweiten Weltkrieges gab es die Vorstellung, dass auch das Militär bzw. die Kriegführung in Zukunft irgendwie „demokratischer“ werden könnte. Doch das ist eine Illusion. Wenn statt demokratischer Diskurse, rationaler Argumentation und friedlicher Abstimmungen die Gewalt auf den Plan tritt, dann tobt sich die archaische Seite des Menschen aus. Gegen diesen Rückfall ist noch kein Mittel gefunden worden, und deswegen kann die Bundeswehr kein ganz normaler Arbeitgeber sein.

Wie sollte sie den Komfort optimierter Dienstzeiten, geregelter Kinderbetreuung und hotelähnlichem Wohnen mit ihrem eigentlichen Zweck, dem Einsatz von Gewalt, zur Deckung bringen? Ist das „Eigentliche“ der geregelte Dienst in Friedenszeiten oder besteht das „Eigentliche“ im Kampfeinsatz? Das Militär in früheren Zeiten hat diese Frage so beantwortet, dass auch das Leben in den Kasernen im Zeichen des Drills stand und die Ausbildung darauf abzielte, „bürgerliche Verweichlichung“ auszutreiben. Wer sich im Extremen ein Bild davon machen will, braucht nur auf die Ausbildung der amerikanischen Marines zu blicken. Da werden aus Menschen Kampfmaschinen.

Die postheroische Gesellschaft

Der Kampfeinsatz ist zumindest im öffentlichen Diskurs kein Ideal mehr. Auf den ersten Blick erscheint die Abkehr von der unmittelbar ausgeübten Gewalt als zivilisatorischer Fortschritt, aber der zweite Blick enthüllt etwas anderes. In seinem Essay, „Neue Kampfsysteme und die Ethik des Krieges“ (1), beschreibt der Politikwissenschaftler Herfried Münkler unsere Gesellschaft als „postheroisch“. Die Zeiten, in denen der heroische Kampf Mann gegen Mann das Ideal war, sind für uns vorbei. „Opfer“ und „Ehre“ sind keine Kategorien mehr, die den Krieg mit Sinn versehen. Politisch zeigt sich das daran, dass Politiker alles daran setzen müssen, bei gewaltsamen Konflikten eigene tote Soldaten zu vermeiden.

Die Folgen zeigen sich in der Entwicklung von so genannten Distanzwaffen, vorzugsweise der Drohnen. „Drohnen und Überwachungssysteme sind die Waffen postheroischer Gesellschaften. Und weil für diese Gesellschaften eine Rückkehr in die zurückgelassene Zeit des Heroischen nicht infrage kommt, bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als an der Entwicklung von Waffensystemen zu arbeiten, die ihren postheroischen Charakter angemessen sind.“

Komfort im "Ernstfall"

Das Konzept von Ursula von der Leyen passt exakt in den Rahmen der postheroischen Gesellschaft. Geregelte Ansprüche und Einsätze sind das Ideal. Demnach entspricht die Soldatin am Bedienungspult zur Steuerung einer Kampfdrohne dem heutigen Verständnis von Dienstleistungsgesellschaft und der Attraktivität von Arbeitsplätzen – geregelte Arbeitszeiten und Kinderbetreuung inklusive.

Man darf gespannt sein, wie die Diskussion weitergeht. Ursula von der Leyen folgt nur einen Trend. Der besteht darin, den Soldatinnen und Soldaten das Leben so angenehm wie möglich zu machen und Kampfeinsätze zu „entschärfen“ - so wird man es dann wohl nennen. Davon ist jetzt noch nicht die Rede. Aber der attraktive Arbeitgeber kann seine neu gewonnene Attraktivität nur dann erhalten, wenn er den Komfort, den er in Friedenszeiten bietet, auch im „Ernstfall“ beibehält.

(1) Beitrag im Sammelband: Heinrich-Böll-Stiftung (Hg), High-Tech-Kriege: Frieden und Sicherheit in Zeiten von Drohnen, Kampfrobotern und digitaler Kriegsführung, Dezember 2013, 96 Seiten

Die Frage ist doch: Wozu das Militär? Ist es ein Macht-, Droh- und Zerstörungsmittel in der Hand der Regierung? (Woran man meist Schurken- im Unterschied zu Rechtsstaaten erkennen kann.) Oder ist es wie bei uns (zum Glück trotz allem dummen Gerede von Nato-Kooperation immer noch) nur ein allerletztes Mittel der Verteidigung im äussersten Notfall? Und da gibt es leider in jüngster Zeit beunruhigende Tendenzen in unserem nördlichen Nachbarland: Nachdem die "Verteidigung des deutschen Vaterlandes am Hindukusch" (Struck) militärisch und politisch total in die Uniformhose gegangen ist, marschieren deutsche Truppen nun auch wieder mal in Polen ein. Und auch da auf Geheiss und im Schlepptau der US-Regierung. Waren die deutschen Besatzer damals mit dem Panzerkampfwagen IV im Osten, kommen sie nun mit dem Leo zwo. Und wir fragen uns leicht besorgt: Seit wann wird dann diesmal zurückgeschossen? Niklaus Ramseyer

Eine Armee, die zum Gutmenschentum mutiert ist mir eigentlich sympatisch, sie ist schlicht zu nett um abzudrücken.
Doch ich befürchte, dass von der Leyen zu den orvellischen Wortverdrehern gehört und ihre Landsleute gnadenlos in den Tod schickt. Der nächste Kriegseinsatz ist in Afrika.

scharfsinnige Analyse. Bin in jedem Punkt einverstanden. Attraktiver Arbeitgeber, das klingt tatsächlich, als sei eine Armee ein Arbeitgeber wie jeder andere. Ist sie aber mitnichten. Soldat sein heisst zum Töten vorbereitet und ausgebildet werden. Das Funktionsprinzip einer Armee heisst Befehl und Gehorsam. Bisher hat mir noch niemand erklären können, wie dieses Prinzip mit demokratischer Entscheidungsfindung in Einklang gebracht werden kann. Soldaten und Soldatinnen werden ins ferne Afghanistan geschickt wird, weil dort angeblich die Sicherheitsinteressen Deutschlands zu verteidigen sind. Wer diesen Blödsinn in Frage stellt, macht sich der Gehorsams-verweigerung schuldig und landet im Gefängnis. Attraktiver Arbeitgeber?

Möge der Afghanistaneinsatz der letzte seiner Art gewesen sein. Ein Konzept des vergangenen Jahrhunderts, das weder für Gegenwart noch Zukunft weiter tauglich ist.
Längst hat sich die Situation insofern umgekehrt, als es gilt, die Länder des Westens aktiv und vor Ort zu schützen.
Die Angelegenheiten muslimischer Länder sollten in der OIC, dem Zusammenschluss der 54 islamischen Staaten, behandelt und gelöst werden.
Europa wird sich zukünftig ohnehin mit den Jihad-Rückkehrern aus Syrien zu beschäftigen haben und mit der atomaren Aufrüstung im Mittleren Osten.

Es geht um nichts anderes als das Gewaltmonopol. Oder wollen wir Privatarmeen (undeutsch: warlords, ehemals Schutzabteilung (SA) aufkommen lassen? Wer gibt denn freiwillig seine Haus- und Autoschlüssel ab?

"Ursula von der Leyen will die Bundeswehr zu einem der attraktivsten Arbeitgeber Deutschlands machen. "Werden dann auch die Kriege attraktiver geführt?" fragt sich Stephan Wehowsky.
Deutschland will auch mit Atombomben "attraktiv" Krieg führen. Eine Bombe würde genügen um Bern oder Basel dem Erdboden gleichzumachen. Berlin will auch nicht atomar abrüsten: Schon zum vierten Mal hatte sich Deutschland nämlich im letzten Jahr geweigert, eine internationale Erklärung zu unterzeichnen, nach der Atomwaffen »nie wieder und unter keinen Umständen« mehr eingesetzt werden dürfen. 124 Staaten setzten in der UN-Generalversammlung in New York ihre Unterschrift unter ein Schriftstück, das die Auswirkungen des Einsatzes von Atomwaffen auf Menschen im Fokus hat. Deutschland lehnte die Unterzeichnung mit der Begründung ab, die glaubwürdige Abschreckung der NATO beinhalte auch die Bereitschaft der Mitgliedstaaten, Atomwaffen einzusetzen. Die Atomwaffenerklärung ging auf eine Initiative der Schweiz zurück. Sie strebt die konsequente Ablehnung von Atomwaffen ähnlich dem Verbot chemischer Waffen an.
„Der Besitz von Atomwaffen diene letztlich der Wahrung des Friedens“, sagte die Bundesregierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion im letzten Jahr.
In Europa und auch in Deutschland sind im Rahmen der „atomaren Teilhabe“ schon seit Jahrzehnten US-Atomwaffen einsatzbereit. Jetzt soll das heutige Atomwaffen-Arsenal in der BRD durch lasergesteuerte B-61-12-Lenkflugkörper ersetzt werden, durch modernere nukleare Sprengkörper. Zur der „atomaren Teilhabe“ gehört, dass auch Deutschland geeignete Flugzeuge bereithalten muss und im Kriegsfall Nuklear-Bomben auf Befehl der Amerikaner abwerfen muss. Die Atombomben die auf dem deutschen Luftwaffenstützpunkt Büchel bereit stehen, haben eine Sprengkraft die ein Mehrfaches der Sprengkraft der Hiroshima Bombe betragen. Das heisst: Nur mit einer solchen Bombe könnten Städte wie Frankfurt oder Stuttgart zerstört werden. - Die CDU/CSU akzeptieren, zusammen mit den in Deutschland mitregierenden Sozialdemokraten, heute noch den Verbleib von Atomwaffen in Deutschland…geplanter Abzug der US-Atomwaffen frühestens 2024…

Siehe auch: http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Atomwaffen/uno.html

Wer will sich schon erschiessen lassen?
Sicher, ein paar komplett Irre und Totschläger von Natur aus gibt es schon und von denen sind auch viele beim freiwilligen Militär.
Und diese „Soldaten/innen“ fühlen sich in Friedenszeiten auch gelangweilt und unterfordert, wollen es einfach „härter“ und wilder, mehr für andere als für sich selbst und so bleibt ihnen oftmals nur noch das Quälen der Untergebenen.
Und die wollen dann auch keine „Weicheier und Warmduscher“ sein.

Der Rest der Truppe will einfach einen gutbezahlten Arbeitsplatz, mit viel frischer Luft, eventuell auch mit Auslandsaufenthalt oder eine Arbeit, bei der man sich zu 80% „verdrücken“ kann.
Den Drill und das dumme Geschrei der Vorgesetzten, die Nachteile bei der freien Gestaltung des Arbeitsplatzes/-ablaufs muss man halt in Kauf nehmen.
Ebenso wird das tödliche Risiko im Ernst-/Kriegsfall einkalkuliert und für sehr sehr gering eingestuft, sie rechnen also mit einem Arbeitsplatz in Friedenszeiten bis zur Rente, eigentlich.

Genau so sehen es die höheren Dienstgrade, die sich alle in weichen Betten von sanften Geräuschen oder ihrer Frau zum Dienst wecken lassen (Harald Kujat ganz sicher).
Im Dreck liegen und sterben müssen doch eh nur die „einfacheren“ Soldaten und so war es immer schon und so soll es bleiben und DAS ist „Militär“ (und der Kujat hat Ahnung, der kennt sich aus).

Krieg führen geht nur mit dummen oder verdummten Soldaten.
Da kann man ihnen was vom Heldentum, Vaterlandsliebe und Heimatschutz erzählen (und die anderen sind schuld an unserem Angriffskrieg) oder was von Glaubensverteidigung, Gotteskrieg und ewiger Verdammnis.
Die Dummen und Blöden glauben alles und prüfen nichts nach. Diese Leute werden gebraucht zum Sterben ebenso wie das menschenverachtende Pack das die Befehle erteilt. Nur so kann man einen Angriffskrieg führen.

Das Militär zur reinen Landesverteidigung sieht völlig anders aus, muss anders aussehen, da muss es nur noch so von verantwortungsvollen Menschen wimmeln.
Und da ist es auch im Normalfall recht angenehm.
Sicher kann und wird da auch gestorben und das ist jedem in der Kette klar und jeder akzeptiert das und im „Ernstfall“ wird jeder auf Komfort verzichten.

Aber wo gibt es das schon, jedenfalls nicht in Deutschland, mit ihren Bündniseinsätzen, wo das Vaterland schon am Hindukusch beginnt.

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