Kapitulation

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Kapitulation

Von Stephan Wehowsky, 27.03.2014

Der Strom schlechter Nachrichten verändert unser Inneres. Die Frage ist, welche Folgen das für die Gesellschaft hat, in der wir leben.

Wenn wir von Flüchtlingsdramen an den Grenzen Europas, von Massakern in den zahlreichen Kriegen oder von Hungersnöten in der näheren und ferneren Welt hören, dann zieht sich etwas in uns zusammen und wir lehnen uns innerlich dagegen auf. Wir wissen nicht, warum das geschieht. Jedenfalls gibt es keine unmittelbare Wirkung. Aber es könnte sein, dass in dem Augenblick, wo wir eine Möglichkeit zu helfen sehen, diese innere Energie mobilisiert werden kann.

Das innere Grauen

Es kann aber auch zu einer innerlichen Kapitulation kommen. Dann ist das Elend so gross, dass wir nur noch mit den Achseln zucken, die Augen verschliessen oder einfach nur denken: Was soll's?

Wir kapitulieren. Wenn zum Beispiel wieder Tausende von Flüchtlingen die Zäune der spanischen Enklaven Ceuta und Melilla zu überwinden suchen, dann kann der Punkt erreicht sein, an dem wir es für richtig halten, die Befestigungen zu verstärken, wie das ja auch gerade geschieht. Dann siegt das innere Grauen vor diesen Flüchtlingsmassen mit ihrem Elend.

Die Prägung der Gesellschaft

Das ist nur ein Beispiel. Wir werden überhäuft mit Meldungen, die jede für sich nur noch Entsetzen auslösen. Diese Meldungen klopfen unsere inneren Überzeugungen weich. Was uns früher einmal empört hat, nehmen wir jetzt einfach hin und hoffen nur, dass wenigstens wir am kommenden Tag noch von der ganz grossen Katastrophe verschont bleiben.

Spielt das eine Rolle? Ist es letztlich nicht egal, wie wir innerlich zu dem stehen, was weit entfernt von uns geschieht? Auf den ersten Blick scheint es so, aber bei genauerem Hinschauen zeigt sich etwas anderes. Denn wir wissen, dass Gesellschaften stark durch das geprägt werden, was ihre Mitglieder in ihrem Innersten bewegt.

Teil des Ganzen

In dieser Hinsicht unterscheiden sich Gesellschaften voneinander wie Individuen. Man könnte auch sagen, jede Gesellschaft hat einen eigenen Geist. Daher gedeiht in manchen Gesellschaften die Wirtschaft, in anderen nicht. Manche Gesellschaften sind innovationsfreudig, andere erstarren. In manchen Gesellschaften dominiert das Recht, in anderen die Korruption.

Für sich betrachtet mag es egal sein, was ein Einzelner denkt oder fühlt, aber als Teil eines Ganzen ist das eben nicht gleichgültig. Jeder trägt mit seinem Denken und Fühlen zu dem bei, was das Kollektiv denkt und fühlt und was sich in politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen am Ende durchsetzt.

Der Trend

Diesen Zusammenhang kann man auch in umgekehrter Richtung feststellen, wenn man nämlich glaubt, für sich selbst eine bestimmte Haltung gefunden zu haben, die einem besonders vorkommt. Über kurz oder lang erfährt man aber, dass es genau diese Haltung ist, die sich derzeit als Trend durchsetzt.

So ist die Resignation des Einzelnen ein Symptom für die Kapitulation der Mehrheit, die entweder schon längst stattgefunden hat oder unmittelbar bevorsteht. In dem Masse, wie wir unsere Ideale verlieren, verliert sie auch unsere Gesellschaft.

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Was will man auch von Menschen erwarten, die schon gleich nach dem Erblicken der Welt bis ans Ende ihrer kleinen Lebensspanne eingetrichtert bekommen, wie der Hase laeuft?
Die Zauberwaffen der Konditionierer heissen Zuckerbrot und Peitsche oder auch Anreiz bei gleichzeitiger Behinderung; je nachdem.

Die Geschichte lehrt aber, wenn sie denn nicht auch schon voellig verbogen und bewusst verfaelscht wurde, dass es in Abstaenden zu Revolutionen kommt.
Meine Lieblingsrevolution ist die franzoesische.
Gerade gestern Nacht traeumte ich, dass viele Journalisten, die den 3.Weltkrieg herbeigeschrieben hatten, zur Guillotine gefuehrt wurden. Dahinter folgte eine lange Schlange von Juristen, die NICHT den Strafanzeigen wegen Verhetzung, An- oder Aufstachelung sowie Vorbereitung zum Angriffskriege nachgekommen waren.

Na gut, sagte ich mir heute morgen, eine Abstrafung per EU-Wahl im Wonnemonat Mai taete es auch. Alternativ weitere UR-DEMOKRATISCHE Volksabstimmungen in der Schweiz oder anderen neutralen Staaten: Venedig, Katalonien, Schottland....

Geich darauf fiel aber mir das Pamphlet "Der Kommende Aufstand" ein.
Also doch eine Art blutige Revolution?
Es brodelte ja schon oefter, gerade unter Jugendlichen: FR, GR, wieder FR, London, Stockholm.
Ich meine, ehrliche 50% Jugendarbeitslosigkeit ist kein Pappenstiel und jungen Leuten wird ja oefter Leichtsinn nachgesagt als gefuegigen Alten.
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Insoweit: keine Sorge, die Welt geht ihrer Entscheidung entgegen.
Siegt die USA/EU, gibt´s einen zweiten Mars im Sonnensystem, siegt Russland, hat die Menschheit noch einmal eine weitere Chance.
Man beachte Putin´s Rede auf dem Valdai Forum 2013, in der er dem Westen empfahl, sich wieder den christlichen Werten zuzuwenden...........

Könnte es sein, dass der einzelne Mensch von Natur aus nur eine beschränkte Kapazität an Mitgefühl aufbringen kann und sodann überfordert wird? Wäre es nicht besser, er wäre gar nicht so umfassend über all den Schrecken in der Welt informiert, sondern nur über den, welchen er in seiner engeren Region konkret verbessern könnte? Dieser Gedanke ist natürlich eine Blasphemie dem Journalismus gegenüber, aber vielleicht trotzdem nicht ganz falsch.

Good news is no news heisst das schreckliche Leitmotiv das geboren wurde, um die Medien für das Publikum attraktiver zu machen. Die mit dieser Direktive befohlene Verbreitung von lediglich der halben Wahrheit, hat aber weltweit verheerende Folgen. Mit dieser heute üblichen unvollständigen Orientierung muss doch ein negatives Bild der jeweilen Betroffenen entstehen, seien es Personen, Länder, Parteien, Staaten oder Unternehmen u.a.m. Damit aber wird die Erkenntnis genährt,die Gegenwart sei so miserabel, dass die Hoffnung auf eine gute Zukunft zur reinen Illusion erscheint. Manche die sich der Politik verschrieben haben sind dazu noch enttäuscht von der widerlichen, respektlosen Sucht gegnerische Partei-Angehörige zur Zielscheiben von Diffamierungs-Kampagnen zu machen. Und so zeigt sich eben, dass viele wertvolle Kräfte der aktiven Teilnahme an der Politik den Rücken zu kehren, angewidert vom gänzlichen Vermissen der Anerkennung positiver Ereignisse und fairer Beurteilungen. Ernüchtert vom vorwiegenden völlig respektlosen Undank und befreit vom Risiko der öffentlichen Beschmutzungen, besteigen sie in der Privatwirtschaft oder an Universitäten die ihnen angemessene, offene Karriereleiter. Doch ein altes Sprichwort tönt wie eine Mahnung nicht zu kapitulieren, denn es sagt: “ Die halbe Wahrheit, ist die gefährlichste Lüge!“

hin zur Privatwirtschaft oder Universitäten? Ob das nicht vom Regen in die Traufe ist.

Lese-Tip:

Alain De Botton: the News - a User's Manual. London 2014.

Eventuell fehlt der Mehrheit die Motivation das System zu verändern. Nach Abschluss einer guten Ausbildung oder Teilnahme an der Macht, wird den Rebellierenden schnell eine Integration in bestehende Systeme angeboten. Durch Zweckentfremdung ihrer eigenen Grundanliegen huldigen sie durch ihre neue oder plötzliche Abhängigkeit einem vorher bekämpften Konservatismus. Vergangenes in die Gegenwart zu retten, kann jedoch in einer sich ständig veränderten Gegenwart nicht das Ziel sein. Ein gesunder Konservatismus müsste unsere Werte im Sinne der Gegenwart neu definieren. Rebellische Parteien haben zu oft ihre Anliegen an den Garderoben der Macht abgegeben. Pazifisten sehen auf einmal Gründe dennoch in Kriege zu ziehen. Ihr absolutes Demokratieverständnis erschöpft sich an undurchschaubaren höheren Zielen, die jedoch genau so gut mit ihrem alten Demokratieverständnis erreicht werden könnten. Richtig handeln wäre sich ganzheitlich an den jeweiligen Situationen zu orientieren. Wesensmerkmal der Wirklichkeit sind ihre eigenen Strukturen aber auch ihre Relativität und Wandelbarkeit….cathari

Ohne die Befreier aus dem Westen, die durch Einmärsche und Terroristenunterstützung eine ganze Reihe von Ländern destabilisiert haben, wäre das Flüchtlingsproblem ziemlich überschaubar. Da aber die Politiker in den USA und in Westeuropa das genaue Gegenteil von politischer und wirtschaftlicher Stabilisierung betreiben, ist Flüchtlingshilfe, ganz egal wie großzügig sie ausfällt, nur ein Fass ohne Boden.

genau so ist es und Gruss. M

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