Destruktive Top-Managerlöhne

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Destruktive Top-Managerlöhne

Von Christoph Zollinger, 20.06.2014

Egoistische und narzisstische Top-Manager gefährden jenen Kapitalismus, der uns Vollbeschäftigung und Wohlstand gebracht hat. Ein liberaler Warnruf.

Spätestens seit Daniel Vasella seine obszönen Bezüge von Novartis damit begründete, sie entsprächen dem Marktpreis für globale Leaders seines Kalibers, ist ein Problem auch in der Schweiz angekommen, das schon seit Jahren aus den USA exportiert wird. Der renommierte südkoreanische Wirtschaftswissenschaftler Ha-Joon Chang, der an der Cambridge University (GB) lehrt, bezeichnet dieses Ärgernis als eine der grössten Herausforderungen bei der Aufgabe der Wiederherstellung einer erträglichen Weltwirtschaft (Things they don’t tell you about capitalism, 2011). Er ist nicht der erste unter den grossen Ökonomen, welche die Auswüchse des heutigen Kapitalismus kritisieren.

Ausser Rand und Band

Ein führender deutscher Ökonom vermeldete 2013 in der amerikanischen Wissenschaftszeitschrift Science, dass der Markt die Moral zerstöre und Ökonomen kaum noch über Moral redeten. Doch schon früher fragen sich viele Menschen rund um den Erdball, ob da irgend ein Zusammenhang bestehe zwischen der Selbsteinschätzung dieser Leaders, ihren Bezügen und den effektiven Leistungen.

In der Schweiz gab Vasella diesbezüglich in einem Interview gleich selbst die Antwort, nämlich dass ihm sein psychoanalytisches Wissen gerade auch in der Debatte um die Managergehälter helfe, einen vernünftigen statt von unbewussten Faktoren – wie etwa Gier – geprägten Standpunkt einzunehmen (Das Magazin 14/2011). In demselben Beitrag wir lasen Vasellas Bekenntnis: «Ich versuche, rationale Positionen einzunehmen.»

«Rational» betrachtet, sollen also Jahresbezüge von fünf, zwanzig und mehr Millionen Franken für die Schweiz vertretbar, marktüblich und «gerecht» sein. Allerdings wissen wir inzwischen aus der Wissenschaft, dass sowohl das Menschenbild eines ausschliesslich rational handelnden Wesens als auch das Idealbild eines sich rational verhaltenden Marktes längst widerlegt sind. 2013 erhielt Robert Shiller den Wirtschaftsnobelpreis für den Nachweis, dass die nichtrationalen Aspekte unseres Handelns die wichtigsten Faktoren der Wirtschaft sind. Emotionen konditionieren die Ratio, davon sind viele Vertreter der Neurologie inzwischen überzeugt.

Homo oeconomicus  

Seit rund zwanzig Jahren beobachten wir die Entwicklung, dass eine verschwindend kleine Minderheit der Weltbevölkerung sich selbst einen Sonderstatus zuteilt. Für unser kleines Land zählt z.B. auch ein Brady Dougan (CEO Credit Suisse) dazu. Frank Schirrmacher, kürzlich verstorbener Mitherausgeber der FAZ, spricht in seinem Buch «Ego. Das Spiel des Lebens» eine teilweise überdeutliche Sprache. «Für ihn sind wir Zeugen davon, wie gerade ein neuer Mensch programmiert wird, eine neue Gesellschaft oder (...) eine neue Kodierung des Sozialen,» schreibt Thomas Assheuer in der Zeit (14.2.2013).

«Ein Jahrzehnt enthemmter Finanzmarktökonomie entpuppt sich als das erfolgreichste Resozialisierungsprogramm linker Gesellschaftskritik,» diagnostiziert Schirrmacher. Auch wenn man bedenkt, dass sein Schreibstil geprägt ist von Übertreibungen und schrillen Zuspitzungen: Im Kern trifft er einen entscheidenden Punkt. «Bürger und Staat haben keine Souveränität, sondern spielen sie nur.» Oder an anderer Stelle: Wenn Angela Merkel die «marktkonforme Demokratie lobt, dann hat sie bereits kapituliert.»

Man braucht kein Etatist zu sein, um solches zu schreiben. Seit der Französischen Revolution hat der Gesellschaftsvertrag jedoch ein verändertes Fundament erhalten. Freie Bürger hätten im Prinzip dafür zu sorgen, dass der Staat gerecht organisiert wird. Allerdings sind wir auch über 200 Jahre später nicht in der Lage, Gerechtigkeit zu definieren und schon gar nicht, uns darauf zu verlassen.

Dass in Zeiten des Neoliberalismus Gerechtigkeit neuerdings verteidigt wird als Resultat eines freien Austausches im Sinne von Nachfrage und Angebot des Marktes, ist aus der Sicht der direkt Profitierenden verständlich. Andere beurteilen das differenzierter. Der «Marktwert» eines exzessiven Spitzenlohnes ist eher das Resultat von kombinierter Macht einer kleinen Elite, die auch die involvierten Headhunters umfasst.

Risiken und Nebenwirkungen

Ein Zwerg auf den Schultern eines Riesen sieht weiter als der Riese. Nicht wenige Zwerge in unserer Gesellschaft, die sich auf die Schultern von globalen Leaders zu setzen getrauen, sehen in der Ferne Anzeichen des aufkommenden Tiefs aus Westen. Die dunklen Wolken der Auswüchse des momentanen Kapitalismus, insbesondere das selbstherrliche Gehabe eines kleinen Teils seiner Führergilde, muss die Sturmwarnung aktivieren.

Die Folgen des abgehobenen Gehabes jener, die sich grosszügigerweise gleich selbst als on top of the world betrachten, werden jedoch schlicht ignoriert. Schlimmer noch, offensichtlich sind diese selbsternannten Übermenschen nicht in der Lage, die Alarmzeichen richtig zu interpretieren. Diese Männer sind Gefangene ihres subjektiven Systemdenkens.

«While acknowledging that we are not selfless angels, we should build a system that brings out the best, rather than worst, in people», (Wir erkennen zwar, dass wir keine Engel sind, dennoch sollten wir an einem System arbeiten, dass das beste im Menschen – nicht das schlechteste – hervorbringt), rät Ha-Joon Chang. Wer ist gemeint mit «wir»? Die Gesellschaft und die Politik. Letztere als Scharnier zwischen Volk und Elite. Offensichtlich ist die Politik damit überfordert.

Die Triebfeder, an einem besseren Wirtschaftssystem zu arbeiten, ist nicht der Neid der Besitzlosen. Doch wie sich je länger, je deutlicher abzeichnet, fördern die geschilderten Auswüchse gesellschaftliche Trends, die längerfristig dem System gefährlich werden. Die angenommene Abzocker-Initiative markiert den Meinungsumschwung in der Schweiz. Sie wies eine Zustimmungsrate von über zwei Dritteln der Stimmenden auf, die dritthöchste aller bisherigen Initiativen. Wenn narzisstisch gestörte Manager nicht therapierbar sind, dann droht jetzt die Keule des Volkes. Das verspricht nichts Gutes.

Das Kind nicht mit dem Bade ausschütten

Eine Serie von Volksinitiativen weist darauf hin, dass die Kräfte der Befürworter von Staatseingriffen in den Alltag immer stärker werden. Sämtlichen Initiativen (abgelehnten und bevorstehenden) ist gemeinsam, dass sie zur Folge haben, die freie Marktwirtschaft vermehrt zu reglementieren. Unter anderem werden diese Forderungen oft damit begründet, dass die Verdienstungleichheit stark zugenommen hätte, denn während die Einkommen der oberen Zehntausend explodiert seien, habe für die überwältigende Mehrheit der Lohnempfänger wenig bis nichts herausgeschaut.

Folgende Initiativen sind gemeint:

  • 1:12 für gerechte Löhne
  • Mindestlohn
  • Bedingungsloses Grundeinkommen
  • AHVplus, für eine starke AHV
  • Erbschaftssteuer

Der Trend dieser Anliegen ist klar. Es sind Misstrauens- und Veränderungsvoten gegenüber dem herrschenden Zustand in der Wirtschaft. Verspätet – und verzögert durch die demokratischen Hürden – macht sich ein diffuser Frust Luft. So darf es nicht weitergehen, rufen viele. Dieses Missbehagen ist Gift für eine liberale Wirtschaftsordnung (liberal ist nicht zu verwechseln mit neoliberal). Wir verdanken unserer starken (Export-)Wirtschaft und den KMU einen Grossteil unseres Wohlstands. Werden ihnen zu hohe Bürden auferlegt, riskieren wir ein Abmagern unseres Goldesels.

Nicht immer liegen diesen Initiativen nachvollziehbare, von der Bevölkerung als Defizite empfundene, Gedanken zugrunde. Aber geschickt mit solchen politischen Anliegen vermischt, erleben sozialistische Ideologien eine Renaissance. «Die Linke will den Kapitalismus abschaffen», lesen wir in deutschen Medien. Die SP Schweiz spricht von «Demokratisierung» der Wirtschaft, die Jungsozialisten von Einführung der Dreissigstundenwoche, Cédric Wermuth unverhohlen von der «Überwindung des Kapitalismus». – Der Ruf nach mehr Staat ist kein Wohlstandsszenario.

Der Politik ist es weltweit nicht gelungen, die oben geschilderten Missstände zu mildern. Brachialforderungen aus dem sozialistischen Lager drohen nun, das Kind mit dem Bad auszuschütten. Den damit angerichteten Schaden hätten die eingangs geschilderten Global Leaders mit zu verantworten. Viele von ihnen sind eben keine global, sondern selfish and narcissistic leaders.

Die von Gier, Macht, Selbstüberhöhung besessene Kaste der Manager wird freiwillig gar nichts tun, um ihre exzessiven Lohn- und Bonibezüge zu beschränken. Zu beschränkt sind ihre rationalen und empathischen Fähigkeiten. Sie können sich nicht vorstellen, dass sie mit ihrer narzisstischen Lebens- und Handlungsweise den Gesellschaftsvertrag unterlaufen oder gar torpedieren. Woher kommt diese Unbeirrbarkeit und Uneinsichtigkeit? Wohl doch davon, dass Oligarchen sich sicher sein können, vor allem von den Politikern, aber auch von den Bürgern nicht allzu sehr behelligt zu werden. Der Gesellschaftsvertrag besteht darin, die Oligarchen gewähren zu lassen, ihnen die schönsten Plätze dieser Welt zuzuschanzen, ihnen nicht unnötig hohe Steuerbelastungen aufzubürden und ihnen die gesellschaftliche Anerkennung nicht zu verwehren. Der Bürger macht's möglich und die Politiker können sich nichts Schöneres wünschen. Natürlich können mündige Bürger ein wenig Sand ins Getriebe bringen. Aber letztlich dient dies mehr der eigenen Psychohygiene als einem Wertewandel. Nehmen wir die Finanzindustrie. Ihre Lobby ist derart mächtig, dass sie sich nur sehr beschränkt regulieren lässt. Einem vernünftig denkenden Bürger ist klar, dass die Eigenkapitalquote der Banken bei etwa 30% liegen müsste. Bei der UBS und der CS liegt sie bei ca. 3%. Der vernünftige Bürger wäre also darauf angewiesen, dass Politiker einen Hauch Ratio hätten. Aber Politiker haben nur ein Interesse: Den Berg von Wirtschaftsanliegen abzutragen. Eines könnte der Bürger besser machen: Sich mehr überlegen, wer er in die Parlamente wählt. Ansonsten ist der Druck der Konsumenten auf die Wirtschaftskapitäne bescheiden und für eine gerechtere Welt nicht relevant. Und der Druck der Aktionäre auf einen VR fällt dann zusammen, wenn sich ein Kleinaktionär an einer GV getraut Tacheles zu reden und Grossaktionäre nicht anwesend sind. Die Frage stellt sich: Wie kann ein Wertewandel, der eine soziale und umweltverträgliche Denk- und Handlungsweise bevorzugt, in die Wege geleitet werden? Mit dieser Art von Kapitalismus wird es schwierig, neue Wege zu gehen. Da müsste Grundsätzlicheres geschehen. Etwa, dass Berufe und Arbeiten, die primär dem Allgemeinwohl und der Umwelt dienen, aufgewertet würden und Berufe wie Banker, die einer Gesellschaft mehr Schaden als Nutzen bringen, abgewertet würden. Aber da liegt genau die Krux. Bis jetzt veranstalten wir mehr oder weniger Scheingefechte. Aber ich denke, dass die Zeit kommen wird, wo wir uns wohl oder übel mit einer anderen Werteordnung auseinandersetzen müssen.

Sie regeln sich, wie alle, nur über Symptome auf und nehmen billigerweise den Kapitalismus als Sündenbock. Dabei: Die Macht der Banken hört sofort auf, wenn die Politik nicht mehr auf Pump lebt (um via Populismus Stimmen zu kaufen von x-beliebigen Interessen/Wählergruppen). Das Schuldenmachen klappt nur zusammen mit den Banken, deshalb sind die "Bankster" entstanden. Sie halten auch brav den Zins tief, damit die Schuldenmacherei weitergehen kann und keine Wähler brüskiert werden müssen. Mit Kapitalismus hat dieses quasi-mafiöse System schon lange nichts mehr tun, dessen Konzept beruht auf ehrlicher Leistung. Mit Demokratie eigentlich auch nicht - oder dann ist diese Demokratie eine Fehlkonstruktion.

@Schwab. Ich würde ohne weiteres auch die narzisstisch gestörten Manager im Zoo und hinter einem Stromzaun in Schach halten und dann nicht mehr den Zoo gehen wollen.

Wo liegt denn die Macht? Beim Konsumenten und beim Aktionär. Der Konsument kann z.B. die Bank wechseln, der Aktionär die Aktien verkaufen. Das sind sehr wirksame und schnell wirkende Massnahmen, da braucht es schlicht keine Politiker und keine Volksinitiativen. Sondern nur aufmerksame, denkende und kritische KonsumentInnen und Aktionäre/Aktionärinnen.

Man sollte nicht nur die Bank wechseln, sondern sein Geld auf gar keine Bank mehr geben. Dies ist die einzige Sprache, die verstanden wird. Ich werde meine Geld gleich am Montag abheben.

Ehrlich gesagt regen mich Managerlöhne nicht mehr auf. Selbst wenn einer 50 Millionen ohne Leistung kriegt, ist es immer noch Kleingeld. Im Moment werfen die Nationalbanken mit Summen um sich, da braucht man eine Zeit die Nullen zu zählen. Und diese Summen scheinen entweder in Taschen oder in einem schwarzen Loch zu verschwinden, bei mir kommen sie jedenfalls nicht an.

Dieser Bankrun bei der Corpbank gestern in Bulgarien ist ein deutliches Anzeichen, dass es mit dem Geldsystem und somit der Weltwirtschaft in den nächsten Tagen, Wochen dem Ende entgegen geht. Dieser Sommer ist Stichtag. Ich meine es Ernst. Genau dies sind die Anzeichen, auf die man achten sollte. Die WM ist Ideal um die Probleme zu überdecken.

Bereitet Euch jetzt vor, indem ihr Eure Lebensmittelvorräte aufstockt. Entgegen vorgängiger Empfehlungen meinerseits würde ich nicht mehr auf Edelmetalle setzen. Klopapier und andere nützliche Dinge kann man besser tauschen. Falls ihr trotzdem auf Edelmetalle setzt, kauft sie nicht in einer Bank sondern unter der Hand.

Raubtiere bleiben Raubtiere, narzisstisch gestörte Menschen bleiben gestört. Vernünftiges Handeln besteht darin, erstere in den Zoo oder hinter einem Stromzaun in Schach zu halten und zweiteren Führungsfunktionen wegzunehmen und ihnen Aufgaben zuzuweisen, wo sich der mögliche Schaden in Grenzen hält.
Jeder, der an die Einsicht oder Moral solcher Tiere und Menschen appelliert, macht sich etwas vor oder steht gar in deren Diensten.

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