Unser aller Marignano

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Unser aller Marignano

Von Georg Kreis, 02.04.2015

In einem Beitrag für journal21.ch wehrt sich Geschichtsprofessor Georg Kreis [1] gegen die rechtsnationale Deutung von "Marignano".

Ehrlich: Die grosse Aufmerksamkeit, die man der vor 500 Jahren in der Poebene ausgetragenen Schlacht entgegenbringt, könnte schon wieder langweilen und auch ein wenig ärgern. Die jubiläumsbedingte Aktualisierung findet aus einer nicht untypischen Kombination von Rücksicht und Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Kalender statt. Rücksicht, weil sich das Ereignis heuer zum 500. Mal jährt; Rücksichtslosigkeit, weil diese Jährung eigentlich erst im Herbst anfällt. Wenn viele Medien und nun auch eine Ausstellung im Landesmuseum diesen historischen Bezugspunkt schon jetzt hochfahren, kann bei Leuten, die eher ein Nichtverhältnis zur Geschichte haben, die Neigung gross werden, endlich ebenfalls wissen zu wollen, was in M. damals geschehen und warum das so wichtig gewesen ist, dass man diesem Geschehen so viel Bedeutung beimisst. Was man dann mit diesem Wissen anfangen soll, ist wiederum eine andere Frage.

Würde man dem 1. April-Artikel des Tages-Anzeigers glauben, hätten Mailänder Historiker kürzlich herausgefunden, dass M., die Schlacht mit der schönen Doppelzahl 1515, schon zwei Jahre zuvor stattgefunden hatte. Wer mit alten Schriften zu tun hat, kann schon verstehen, dass 13 und 15 verwechselt werden könnten. Jetzt müssten Jubiläums T-Shirts neu gedruckt werden, und das VBS denke ernstlich daran, seinen zugesagten Jubiläumskredit von 50'000 Franken zurückzuziehen. Das tönt fast nach Sabotage eines hochpatriotischen Akts. Der Gedenkgegenstand wird wegen der kleinen Zeitverschiebung in seiner Bedeutung allerdings in keiner Weise geschmälert. Aufs Korn genommen wird lediglich die tatsächlich fragwürdige Jubiläumsgeilheit.

Feinde von gestern - Verbündete von morgen

Die aktuelle Beschäftigung M. wärmt zwangsläufig viel längst Bekanntes auf. Ein nicht unwichtiger Aspekt dieses Geschehens dürfte allerdings auch dem einigermassen Informierten bisher wenig bewusst gewesen sein: Nämlich, wie sehr das siegreiche Frankreich an einer gewissen Schonung des niedergerungenen Gegners interessiert war. Der geordnete Rückzug der geschlagenen Eidgenossen, den die vaterländische Geschichte zu einer siegreichen Niederlage stilisiert, wurde von 300 französischen Kriegern abgesichert, die zu diesem Zweck abkommandiert waren. Vielleicht erblickte François I, der junge französische König, in den Feinden von gestern schon jetzt Verbündete von morgen. Warum also Krieger niedermetzeln lassen, die schon bald für ihn in den Krieg ziehen könnten.

Die „bataglia dei giganti“ wurde bereits in der Zeit selber als Grossereignis eingestuft, nicht nur in der kleinen Schweiz, sondern auch in Frankreich und da vielleicht sogar in höherem Mass. Dieser Krieg ist also keine erst nachträglich aufgeblasene Geschichte. Nach einigen Jahren aber war diese Schlacht im Lande Tells wie vieles andere nach und nach dem Vergessen heimgefallen. Jedenfalls schenkte man M. in den folgenden Jahrhunderten wenig Beachtung.

Geburtsstunde der Neutralität?

Erst in den 1890er Jahren kam in der von starken und rivalisierenden Grossstaaten umringten Schweiz das Bedürfnis auf, eine aussenpolitische Maxime stark zu machen, die ihr zu einer historisch gerechtfertigten Sonderposition verhalf: die Neutralität. Und da diese Maxime umso eher als fundamentales Wesenselement der Schweiz plausibel gemacht werden kann, je tiefer zurück sie in der Geschichte angesiedelt wird, lancierte Paul Schweizer, ein Fachhistoriker und kein Politiker, 1895 die Behauptung, dass M. die Geburtsstunde der Neutralität gewesen sein.

Indiz für die schnelle und starke Akzeptanz dieser Vorstellung ist das ästhetisch zwar umstrittene, aber inhaltlich überhaupt nicht in Frage gestellte Hodler-Fresko der Waffenhalle des Landesmuseums. In der Wettbewerbsauschreibung von 1895 - nicht zufällig im gleichen Jahr wie Paul Schweizers Deutung – war der Rückzug von M. das von den Auftraggebern gesetzte Hauptmotiv. Es zeugte von Disziplin und Überlegenheit selbst in der Niederlage. Reproduktionen dieser Hodler-Helden zierten fortan schweizerische Räumlichkeiten, von den Schulstuben bis zum Bundesratbunker im Reduit des Zweiten Weltkriegs. Auf dem Hodler-Bild hatte der französische Geleitschutz bezeichnenderweise keinen Platz.

M. - die Geburtsstunde der Neutralität? Nach 1515 ging die Schweiz ziemlich unneutrale Allianzverträge ein und band sich während über 300 Jahren eng an das Kraftfeld Frankreich. Geändert wurde bloss das Geschäftsmodell: Statt mit selbständigen Reisläufer-Unternehmungen beteiligte man sich jetzt mit vertraglich vereinbarten „fremden Diensten“ an den europäischen Kriegen.

Rückzug der Nationalkonservativen

1968, in einer Zeit der sich auflösenden Normen, wollte man im Rahmen der jährlich durchgeführten Pädagogischen Rekrutenprüfungen in Erfahrung bringen, was junge Schweizer über die Neutralität wissen. Die allererste Frage galt den Anfängen der Neutralität. Das triste Resultat lautete, dass drei Viertel des Jahrgangs falsche oder keine Angaben dazu machten. Von den Befragen hätten nur knapp 19 Prozent die als richtig eingestufte Antwort gegeben, nämlich: die Niederlage von M. als Ursprung der Neutralität. Diese „richtige“ Antwort ist, auch wenn man manche historische Einsichten als relativ  einstufen kann, schlicht und einfach falsch.

Inzwischen hat das Verständnis geändert und hat man selbst im nationalkonservativen Lager wie bei M. den Rückzug angetreten. Jetzt wird nicht mehr die Richtigkeit des unhaltbaren Geschichtsbildes behauptet, sondern vielmehr erklärt, dass diesem zwar fragwürdigen Bild doch eine eigene historische Kraft innerwohne, weil es schweizerischem Wesen entspreche und darum als solches in höherem Sinn doch wahr sei.

Welche Grossmachtambitionen?

Und im weiteren wird der Akzent darauf gesetzt, dass die Schweiz nicht gleich nach M. zur Neutralität übergegangen sei, sie habe aber nach der ausserhalb ihrer Grenzen gemachten schlechten Erfahrung die bisherige Grossmachtambition aufgegeben und sich fortan mit Kleinstaatlichkeit begnügt. „Auf dem Schlachtfeld in der Poebene verbluteten die schweizerischen Grossmachtambitionen, als Grossmacht in Europa zu wirken.“ (Markus Somm, Basler Zeitung vom 11. Oktober 2014). Doch was wissen wir eigentlich, wie gross die behaupteten Ambitionen der Schweiz vor 1515 wirklich waren? Werden sie nicht grösser gezeichnet, als sie waren, um die danach eingetretene „Bescheidung“ besser sichtbar zu machen?

Der Gegenüberstellung von Gross und Klein liegt, vor allem wenn sie auf Europa bezogen ist, eine stark überholte Vorstellung zugrunde: Grossmacht gleich alles beherrschender Akteur, Kleinstaat gleich selbstbestimmtes Leben in der Nische der Geschichte und insbesondere keine EU-Mitgliedschaft! Luxemburg und ein paar andere Kleinestaaten zeigen, wie falsch diese Vorstellung ist. Aus der nach M. angeblich eingeleiteten Verabschiedung von der europäischen Bühne wird abgeleitet, dass die Schweiz nicht auf diese Bühne zurückkehren dürfe, wenn sie ihrer Geschichte treu bleiben wolle.

Widerspruch gegen rechtsnationale Deutung

Vor 50 Jahren, 1965, wurde M. in diesem Sinn mit zusätzlicher Bedeutung aufgeladen. Christoph Blocher war als 24jähriger Werkstudent damals für das Jubiläumskomitee tätig und kam dabei vielleicht erstmals mit wichtigen Wirtschaftsakteuren in Kontakt, was für seine weitere Karriere wichtig war. Warum aber engagierten sich damals hochgestellte Exponenten der Wirtschaft für einen historischen Vorgang, der zum politischen (nicht wirtschaftlichen) Rückzug aus Europa geführt haben soll? In den 1960er Jahren drohte der Schweiz eine vermehrte Integration in europäische Strukturen (EWG 1957 und EFTA 1960). Damals, 1963, pilgerten sogar „verräterische“ Bundesräte - Traugott Friedrich Wahlen (BGB/SVP) und Hans Schaffner (rechte FDP) - nach Brüssel, um ein substanziellen Assoziationsabkommen auszuhandeln. Da erschien es als geboten, schweizerische Wirtschaftsfreiheit unter Berufung auf politische Losungsworte wie Souveränität und Sonderweg zu verteidigen.

Jetzt fahren wir in der M.-Debatte eine weitere Runde, noch immer indirekt auch mit Blick auf die Europafrage, aber intern unter anderen Bedingungen. Während vor 50 Jahren die Anhänger eines sehr traditionalistischen Erinnerungskults noch allein auf weiter Flur standen, sind inzwischen Gegenstimmen angetreten, welche ein kritischeres Geschichtsverständnis haben und die rechtsnationalen Deutungen der Schweizer Geschichte insbesondere durch die SVP nicht länger widerspruchslos hinnehmen wollen.

Wahlkampfmunition im Wahljahr

Es ist aber unangemessen, deswegen vom „Historikerstreit“ zu sprechen. M. gibt keinen Streit zwischen Fachleuten ab, wie man das in deutschen Kontroversen erlebt hat. Gestritten wird wohl zwischen politisch programmierten Amateurnutzern, für die im Wahljahr 2015 die Nationalgeschichte Wahlkampfmunition abgibt. An diesem Streit beteiligen sich Publizisten mit etwas historischer Basisausbildung wie der SVP-nahe „BaZ“-Chefredaktor Markus Somm oder der „Weltwoche“-Mann Peter Keller.

Keller schreibt gerne M. und anderen Mythen eine eigene grosse Wirkungsmacht und Ausstrahlung zu. Vergangenheit teilt sich nicht selber mit, sie wird zu bestimmten Geschichtsbildern gemacht und so weitergegeben. Was die Nationalkonservativ kolportieren, ist nicht das Geschehen von 1515, sondern ein Geschichtsbild, das gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufkam und bis in die 1970er Jahre sich halten konnte. Sie propagieren eigentlich nur Erinnerung an eine ganz bestimmte höchst fragwürdige Erinnerung.

[1] Georg Kreis ist em. Prof. für Geschichte der Universität Basel und Herausgeber des im vergangenen Jahr erschienen Standardwerks: Die Geschichte der Schweiz. Schwabe Verlag Basel 2014. 645 S. Gesamtdarstellung mit Beiträgen von 30 Autor/innen. Kreis hat sich mehrfach mit M. befasst, etwa in seinem Buch „Schweizerische Erinnerungsorte. Aus dem Speicher der Swissness. Zürich NZZ-Libro 2010. Im vergangenen Jahr hat er auf Einladung einer Schriftstellergruppe im Rahmen der Aktion „Hurra, verloren! 499 Jahre Marignano“ einen grösseren Beitrag verfasst, vgl. http://www.marignano.ch/pagina.php?0,1,10

Der Streit und das Rechten um die Bedeutung der Ereignisse von "M", wird von den "Nichthistorikern" höchstens noch mit Schulterzucken wahrgenommen. Längst ist klar, um was es den "wahren Historikern" unseres Landes geht. Eine Neutralität, deren Wurzeln weit in die Vergangenheit zurückreichen, ist der "historisch wissenschaftlichen Fachwelt" mit ihren politischen Präferenzen, ein Dorn im Auge. Die Neutralität steht als schwer bekämpfbare Tatsache und sachliches Argument, quer zu den politischen Absichten dieser linkstriftigen Historikergilde, nämlich die Schweiz möglichst rasch in das marode Gebilde EU einzubinden. Für die Zeitgenossen der Gegenwart ist eine überschaubare Entwicklung in die Zukunft jedoch wichtiger, als die unergiebige Streiterei über die Bedeutung unserer Vergangenheit. Es war, glaube ich der ehemalige deutsche Bundeskanzler Kohl, welcher in solchen Situationen zu sagen pflegte:" Die Hunde bellen und die Karawane zieht weiter!"

Wen interessiert die Wahrheit um "Marignano" wirklich? Hat es zu viele Historiker unter den Journalisten?

Seit Jahrzehnten versuchen die Verfechter einer möglichst vollständigen „Integration“ der Schweiz in die EU oder auch die Nato zentrale Grundlagen unseres Staates zu diskreditieren und runterzuschreiben. Das Selbstbestimmungsrecht etwa, die direkte Demokratie oder die Souveränität. Letztere nennt Herr Kreis hier ein „politisches Losungswort“.
Und natürlich ist ihnen die Neutralität unseres Landes ein Dorn im Auge. Diese steht einem Anschluss der Schweiz an die EU ebenso im Wege, wie das Selbstbestimmungsrecht und unsere direkte Demokratie. Jetzt ergehen sich diese Kreise, die sich mitunter im „Club Hélvétique“ organisiert haben, in endlosen Spiegelfechtereien gegen SVP-Strategen um Marignano. War es die Geburtsstunde der Neutralität – oder eben doch nicht?
War es natürlich nicht: Denn diese Stunde ist eindeutig genau 300 Jahre später 1815 anzusiedeln. Aber Marignano markierte doch die Aufgabe der eidgenössischen Grossmachtambitionen in Europa. Zuvor noch hatten die Eidgenossen in Norditalien „ennetbirgische Vogteien“ für sich beansprucht – Milano etwa. Damit war es ab 1515 bald mal vorbei.
Aber für die Bedeutung der Neutralität ist das eh wurstegal. Wichtig ist, dass dieses fortschrittliche Friedenskonzept, das der Staatsführung Militär und Gewaltanwendung als Instrument der Aussenpolitik nachhaltig versagt, inzwischen über 150 Jahre lang wesentlich dazu beigetragen hat, unser Land vor Krieg, Invasionen, Besatzungstruppen und den stets damit einhergehenden Gewalttaten und Zerstörungen zu verschonen.
Welchen unschätzbaren Wert dies darstellt, wissen über 90 Prozent der Menschen in unserem friedlichen Land: Sie wollen – Marignano hin oder Rekrutenbefragungen her – an der Neutralität unseres Landes festhalten. Sie wollen militärpolitisch nicht zurück ins Mittelalter. Wollen nicht wieder anfangen mit bezahlten Schweizer Söldnern bei den neuen Kriegen „für den Frieden“ der EU und der Nato auch ein bisschen mitzumachen.
Diese schon fast pazifistische Haltung sollte eigentlich auch die Linke freuen. Tut es an der Basis auch, denn die über 90% der Neutralitäts-BefürworterInnen im Land sind ja kaum allesamt reaktionäre Anhänger der SVP (die nach neusten Erhebungen gerade mal 27% Wähleranteil mobilisieren kann...). Juso und Grüne immerhin scheinen den Wert der Neutralität für unser Land inzwischen wieder entdeckt zu haben.
Und angesichts der obgenannten Zahlen können auch ihnen die hilflosen Spiegelfechtereien um Marignano eigentlich wurstegal sein. Diese Zahlen gelten übrigens inzwischen auch für den EU-Beitritt, den Ewiggestrige unserem Land immer noch antun wollen: Keine 10 Prozent der Menschen in unserem Lande unterstützen dieses Minderheitenprogramm inzwischen noch. Hätte es noch eines Beweises dafür gebraucht, wie recht die anderen über 90% haben, der üble Umgang Brüssels (und Berlins) mit Griechenland hätte ihn definitiv erbracht. N. Ramseyer
PS: Wie hochaktuell der Unterschied zwischen neutralen Kleinstaaten und hegemonial orientierten und entsprechend militarisierten Grossmächten weiterhin ist, zeigt dieser unverblümte Vortrag aus berufenem Munde:
https://www.youtube.com/watch v=oaL5wCY99l8&feature=youtu.be

Wir waren alle nicht dabei. Der Anti-SVP-Reflex wird langsam mühsam

Was die Blocher-SVP hier betreibt, nennt man in Fachkreisen Geschichtsklitterung, aber wenn man weiss wie sorglos diese Partei mit Zahlen und Fakten umgeht, erstaunt es gar nicht und wie bei allen, denen in der Diskussion die Fakten fehlen, wird hier erneut und sogar vom Chef selber, mit aller Vehemenz auf die Überbringer der Nachricht eingeprügelt, um so einen Nebenkriegsschauplatz zu eröffnen, damit man nicht über den Inhalt der Kritik diskutieren muss. Ein erbärmliches, weil sehr durchschaubares Manöver, dass die Rechtsnationalisten hier erneut praktizieren.

War es nicht so, dass in Marignano Eidgenossen gegen Eidgenossen kämpften, was sich aus dem damaligen Söldnerwesen ergab? War es nicht so, dass sich die Kämpfer einiger eidgenössischen Orte vor der Schlacht gegen Frankreich davon machten, weil sie Geld bekamen? Ich kann beim allerbesten Willen nicht einsehen, weshalb Marignano so hoch gehalten wird! Marignano endete doch in einer grauenhaften Schlächterei. Was daran ist da so verehrenswert? Ich finde, dass Heldengeschichten durchaus ihren Wert haben, sofern sie nicht verklärend für politische Zwecke herhalten müssen. Marignano zählt gewiss nicht zu den Heldengeschichten der Eidgenossenschaft.

Liebe Frau Claudine Gautschi-Andris,

Mit "grauenhafter Schlächterei" bringen Sie endlich auf den Punkt, was es aus Marignano zu lernen gibt. Um es noch klarer zu sagen: Ab diesem Punkt in der Geschichte kommt es immer mehr auf die Artillerie an, mit der man vor dem Zusammentreffen der Gewalthaufen und Rösseler alle Menschenansammlungen zusammenkartätscht. Grosse Armeen mit Artillerie, Infanterie und Kavallerie (+Flotte) können sich fortan nur noch Grossmächte leisten: politisch beginnt das Zeitalter des Absolutismus militärtechnisch das des Schlachthauses. Wer das heroisch findet ist mindestens nicht wählbar.

Die SVP leidet ganz einfach an der totalen Realitätsverweigerung, aber dieses Problem haben viele totalitäre, oder faschistoide Bewegungen, die immer nur ihre meist sehr eingeschränkte und oft mythologisierte Sichtweise auf die realen Begebenheiten zulassen und wer dies bezweifelt, wird dann sofort als Verräter angeprangert. Beisiele dazu finden sich in der jüngeren Geschichte der Schweiz leider inzwischen zuhauf!

Ja, gut, dann ist dies die linksnationale Deutung. Nicht zum ersten Mal offenbart Kreis seine 68-er Prägung. Ob es noch eine ideologiefreie Deutung gibt? Tertium datur?

Jetzt kriegt Georg Kreis - wie schon bei der "Geschichte der Schweiz" - nicht einmal mehr die Fakten auf die Reihe, zumal er statt Argumenten nur Diffamierungen zu bieten hat. Was die "historische Basisausbildung" meiner Kollegen angeht:

Peter Keller studierte Geschichte und Germanistik (bei seinem Landsmann Peter von Matt) und schrieb bei Urs Bitterli eine Lizentiatsarbeit über Jacob Burckhardt.

Markus Somm studierte Geschichte und Politologie in Zürich, Bielefeld, München und Harvard; er schrieb bei Rudolf Braun eine Lizentiatsarbeit über das Schweizer Bürgertum in den Dreissigerjahren, ein gegenwärtig nicht ganz irrelevantes Thema. Seine historischen Bücher genügen wissenschaftlichen Standards, abgesehen davon, dass sie zu gut geschrieben sind.

Roger Köppel ist tatsächlich als lizenzierter politischer Philosoph nur Nebenfach-Historiker mit "Basiswissen" (was die Fakten, nicht aber was die Reflexion angeht - doch es kommt Georg Kreis halt nur auf die Faktenhuberei an). Er liest (und versteht) aber mehr historische Literatur als wir alle zusammen, und er schreibt brillante historische Essays, beispielsweise die Titelgeschichte der aktuellen Ausgabe. (Darin finden sich auch die Gedanken von Machiavelli über die Svizzeri - die es gemäss den Fachhistorikern damals noch gar nicht gab - als Grossmacht - die sie gemäss den Fachhistorikern nicht sein durften.)

(Ich verdanke meine historisch-germanistische Basisausbildung Peter von Matt, Roger Sablonier und vor allem Rudolf Braun, dem einzigen Schweizer Historiker mit Weltruf, meinem Doktorvater und Arbeitgeber. Meine Diss wird dreissig Jahre danach immer noch international zitiert. Georg Kreis ist eingeladen, dagegenzuhalten.)

Was seid Ihr alle doch für eitle, aufgeblasene Popanzen. Peinlich ist nur der Vorname, aber natürlich knie ich vor Eurem Genie und Euren "Lizentiatsarbeiten", ihr selbsternannten Historiker und Literaturwissenschafter, die Ihr noch nach dreissig Jahren zitiert werdet. So applaudiert nun, die Komödie, so schlecht sie ist, ist hoffentlich zu Ende.

Und, was ist eigentlich die Botschaft ihres Kommentars, lieber Herr Tonetto? Sind sie verärgert, neidisch, frustriert? Oder empfinden sie es als unerträglich, dass es Meinungen gibt, welche nicht ihren Vorstellungen entsprechen? Finden sie es als Demokrat deshalb passend, ihnen nicht genehme Kommentatoren als eitle, aufgeblasene Popanzen zu bezeichnen? Glauben sie nicht auch, das Demokratie etwas mit Toleranz und Anstand zu tun haben könnte?

Vergangenheit nicht verklären sondern einbeziehen durch relativieren! Zeitgeist war damals anders als heute.
Ein gesunder Konservatismus müsste das zu Bewahrende im Sinne der Gegenwart neu definieren. Das scheint mir zwingend. Konservatismus hat so gesehen sehr wohl seine Berechtigung! Vergangenes vernünftig in die Zukunft zu retten, dient vor allem unseren Kindern, Jugendlichen und einer stabilen in sich ruhenden Gesellschaft. (Stabilisierender Werte Pool) Als Gegenpool hat man ja das Revolutionäre, das Aufmüpfige welches zur Balance einer friedlichen Gemeinschaft beiträgt. Der ewige Kampf in den Kulturen! Die richtigen Erkenntnisse der Gegenwart sind Voraussetzungen um eine mögliche Anwendbarkeit vergangenes in der Zukunft zu bewerkstelligen. Sich klammern an früheres, überlebtes, nicht mehr wirkliches muss ja scheitern. Bindung an das verklärend Vergangene, hat oft auch etwas mit Gegenwart-Entfremdung zu tun…..cathari

Zur Person von Autor Kreis sind zwei Elemente noch erwähnenswert. Erstens war er Mitglied der Bergier-Kommission, die mit rund 25 Mio. Steuergeldern und unter Auslassung essentieller Fakten versucht hatte, das Geschichtsbild der Schweiz im 2. Weltkrieg umzuschreiben. Ohne Erfolg, wie wir wissen! Zweitens ist er Mitglied des elitären Club Helvétique, dessen Ziel es nach wie vor ist, die Schweiz möglichst rasch der EU einzuverleiben. Erstaunt es da, dass Herr Kreis den Begriff Marigniano nur gerade eingangs mal über die Lippen bringt und ihn sonst durch Kürzung auf den Anfangsbuchstaben aus den Augen drängt? Platzprobleme wie in gedruckten Medien sind in elektronischem Kontext ja unbekannt! Und was versteht er eigentlich unter den "Rechtsnationalen"? Ist das Gegenstück dazu die "Linksinternationalisten"?

Inhaltlich schwacher Kommentar, Herr SVP-Reimann. Leider oft die Taktik ihrer Partei: schnell ein paar entlarvende Bemerkungen zur Person, soll die Wirkung des Beitrags schmälern.
Ist in etwa gleich schwach, wie wenn bei Wirtschaftsfragen dem Gegenüber mangels Argumenten einfach folgende Frage an den Kopf geschmissen wird: "wieviele Arbeitsplätze haben Sie denn schon geschaffen?" Und schon hört man dem Beteiligten nicht mehr richtig zu. Schlaue Kerle seid ihr!

Tolles Argument: Wer Marignano nicht jedes Mal voll ausschreibt, ist schon ein vaterlandsloser Geselle!

was für ein Bohei um dieses "M". Was für ein Genuss für "K", gegen die "politisch programmierten Amateurnutzer mit mit etwas historischer Basisausbildung", natürlich allesamt rechtsnationale SVP-Ausleger, vom Leder zu ziehen.

Aber mal ungeachtet der historischen Bedeutung von Marignano, die da nur noch eine Stellvertreterrolle im Verteilen der Kampfbegriffe hat:

Georg Kreis sei die Lektüre der "Schrecklichen Kinder der Neuzeit" von Sloterdjik empfohlen. Eine aufrüttelnde Auslegung der Verwüstungen, die die Moderne mit sich bringt durch den sich noch beschleunigenden Abbruch der Mythen und Genealogien.

Was tun, wenn "Der Mythos" durch Mythen verklärt wird. Aufziehende Nebel trüben allemal den Blick und führen öfters sogar zu Geisterbildern. Auch bei denen im heren Wolkenturm, ganz besonders aber bei denen im hehren Vaterland.
Man höre auf mit dem Hornbergerschiessen. Unsere Zukunftprobleme sind zu ernst und M ganz weit weg.

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