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16. Februar 2021

Die Hymne - muss sie sein?

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Die Hymne - muss sie sein?

Von Christoph Kuhn, 01.04.2015

Wer hat diese fade Diskussion bloss angestossen und warum? Wer hatte die gloriose Idee, der Schweiz müsse eine neue Nationalhymne verpasst werden?

Wer glaubt denn ernsthaft, das könne es geben, heutzutage, einen einzigen Text, in dem sich die Einwohner eines Landes repräsentiert fühlen, ein einziges Lied, das identitätsstiftend wirken würde? Nationale Preis- und Lobgesänge mit ihren einfachen Melodien und ihren meist unsäglichen Texten – schwülstig, pathetisch auf jeden Fall, des öfteren auch noch bedrohlich, martialisch – haben ja gewiss nichts Völkerverbindendes an sich, ganz im Gegenteil: sie sind geeignet, dumpfe nationalistische Empfindungen zu stärken.

Um ihre abschreckende, auch lächerliche Wirkung zu studieren, gab es 2014 einen ganzen Sommermonat lang, bemerkenswertes Anschauungsmaterial. Man brauchte sich nur in die Fussball-WM einzuschalten und dem täglichen Ritual vor den Spielen in den brasilianischen Stadien zuzuschauen, den 22 Gesichtern, den 22 Mündern, die teils enthusiastisch, teils, verklemmt, teils trotzig zusammengekniffen, immer (und zum Glück) ganz unverständlich etwas in den Raum schmetterten, murmelten, flüsterten, auf das sie stolz sein wollten oder  sollten, während es in den einsatzbereiten Beinen und Füssen nur so zuckte.

Vielleicht sollte man die von der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft  (sie verwaltet das Rütli und organisiert die dort stattfindender Bundesfeier) jetzt angeregte Diskussion um eine neue Nationalhymne doch nutzen, vielleicht sollte man sie um  den ketzerischen Gedanken erweitern, wie es denn wäre, wenn man die unzeitgemässe Nationalhymne abschaffen und durch ein paar schöne, unprätentiöse Volkslieder in allen Landessprachen ersetzen würde?     

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Eine geklaute Idee eine wegen Geschäftsaufgabe nicht mehr benutzte Nationalhymne zu klauen: Aus "Auferstanden aus Ruinen" müsste sich nach der Bankenkrise und den andauernden Kollateralschäden doch etwas recyclen lassen.

Wir haben halt keine anderen Sorgen in diesem Land

Das ist in der Tat ein etwas ketzerischer Gedanke, Herr Kuhn. Vor allem ist er, meiner bescheidenen Meinung nach, nicht ganz zu Ende gedacht.

Ich denke, dass es für das Volksbefinden durchaus von Vorteil ist, eine gemeinsame Hymne zu haben.
Tradition ist bekanntlich nicht Anbetung der Asche, sondern die Erhaltung des Feuers. Speziell in unruhigen Zeiten wie diesen.
Zudem könnte ein neuer Text durchaus verbindend wirken. Etwas aufgefrischt kann ein einfacher, positiver Text durchaus auch sprachenkompatibel komponiert werden; ein Text in vier Sprachen. Es soll ja kein Peter Reber Schlager werden.
Eine Nationalhymne ist m.E. kein alter Zopf, sondern der gemeinsame Nenner, auf dem ein multikantonales Bewusstsein aufgebaut hat und weiterhin aufbauen kann.

Man muss nicht alles schlecht reden, nur weil es auch zu dieser unseren Zeit Mode ist, alles ein bisschen anders machen zu wollen.
Tradition sollte in den Schulen, neben rechnen und schreiben, ein volksverbindendes Element sein. Mit der heutigen Lehrerschaft ist dies leider eher nicht zu erreichen.

Wir dürfen übrigens froh sein, Schweizer zu sein. Nicht stolz, aber immerhin froh, dass wir es schaffen, uns in dieser Welt zu behaupten und teilweise führende Inputs zu leisten. Dazu gehören das Schweizerkreuz und auch die Hymne.
Wer hier etwas Altmodisches erkennt, sollte die Welt öfter bereisen. Identifikation beginnt mit der Flagge. Sie geht bei uns über das Ricola zur Swatch und zum Matterhorn; und schliesst die Nationalhymne mit ein.

Nicht ohne Grund erkennt sich kein Europäer in der europäischen Hymne. Weil er sie nicht kennt, und weil es die Vereinigten Staaten von Europa gar nicht gibt; nicht geben kann.

Der Status Quo ist also gar nicht so schlecht, wenn man die Tendenzen in Europa sieht, sich wieder auseinander dividieren zu wollen. Zuerst der Euro, dann die EU. Und mitten in der Konfusion; wie ein Fels in der Brandung, die kleine Schweiz; mit dem Franken, der Direkten Demokratie und der Nationalhymne !

Trauen Sie sich, zu unserem Land zu stehen. Es ist es wert.
Um ihre Frage im Titel zu beantworten: Ja, die Hymne muss sein.

Gruss aus Hong Kong, wo sich das chinesische Volk unsere Luxus-Probleme wünschen würde.

Vorschlag: Ein Potpourri gängiger Klingeltöne von Smartphones, wie sie täglich im Zug und sonst wo zu hören sind. Dazu ein Text auf Serbokroatisch und Suaheli; dann können auch die Spieler der "schweizerischen" Nationalmannschaft mitsingen. Die anderen verstehen nichts und sind gerade deshalb glücklich.

Wenn eine neue Nationalhymne,
dann schon mit Alpenhorn und
Jodeln.

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