Die Kultur der Ökologie

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Die Kultur der Ökologie

Von Stephan Wehowsky, 08.04.2015

Die neue Ausgabe der Kulturzeitschrift DU beschäftigt sich mit dem Umweltschutz. Das ist ungewöhnlich, aber äusserst anregend und verdienstvoll.

Der Titel der neuen Ausgabe , "Die Welt retten“, enthält eine Prise Ironie. Denn es gibt so viele Retter der Welt, aber von Rettung ist bislang nicht so viel zu bemerken. Im Gegenteil, man hat den Eindruck, dass es eher bergab geht.

Die Ambivalenz

In den 1980er Jahren meinte der weltberühmte Biochemiker und Essayist Erwin Chargaff, das einzige, was sich objektiv über die Welt aussagen liesse, sei, dass sie immer weiter verschmutzt.

Das Titelbild spielt geradezu mit der Ambivalenz des Menschen, der Gestalter und Künstler und zugleich der grosse Verschmutzer ist. Auf den ersten Blick wirkt es wie ein abstraktes Gemälde mit eindrücklichen Farben. Man erkennt darin eine Art Schiff und nimmt an, dass es sich bei diesem Kunstwerk um eine Art Collage handeln könnte.

Tatsächlich handelt es sich aber um ein Bild des Fotografen Daniel Beltrá, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Zerstörung der Meere zu dokumentieren. Im Heft sind weiterere Bilder von ihm zu sehen. Der Titel dieses Beitrags lautet treffend: „Die Melancholie der zerstörten Schönheit“.

Technik und Natur

Die Trauer um die Umwelt und das schlechte Gewissen, direkt und indirekt mehr oder weniger stark an ihrer Zerstörung mitzuwirken, haben etwas Lähmendes. Man möchte nicht so gern daran erinnert werden. Der Zugang über die Kunst macht die Annäherung an dieses Thema leichter. Denn da die Kunst auch immer etwas Spielerisches hat, Distanz schafft, entlastet sie.

Das Heft enthält eine Mischung aus künstlerischen Beiträgen und sachbezogenen Infotmationen. Besonders eindrücklich ist neben der Fotoserie von Daniel Beltrá das Kunstprojekt „Museum of Nature“ des Finnen Ikka Halso. Er hat eine Serie unter dem Titel „Restoration“ geschaffen. In dieser Serie verbindet er natürliche Objekte mit technischen Installationen, um ihre Zerbrechlichkeit hervortreten zu lassen und sie auf eindrückliche Art zu verfremden. Dabei erscheint die Technik nicht einfach als der negative Gegenspieler der Natur, sondern als der spezifisch menschliche Zugang.

Die Ökonomie der Windparks

Der Verleger und Chefredakteur von DU, Oliver Prange, hat neben die künstlerischen Beiträge eine geschickte Auswahl von Informationen aus der Welt der Ökologie gestellt. Mit dem Schweizer Luc Hoffmann, der als einer der Gründer der Umweltbewegung und Initiator des WWF gilt, mit Robert Kennedy, der gegen die Kohleindustrie kämpft, und mit dem Investor Fritz Kaiser hat er für dieses Heft Interviews geführt.

Diese dritte Interview ist ganz besonders interessant. Denn Fritz Kaiser ist ein Finanzmann, dem in Liechtenstein eine „Wealth-Management-Gruppe“ von beachtlicher Grösse gehört. Er ist kein Kind von Traurigkeit. Unter anderem war er in der 90er Jahren Teilhaber am Schweizer Formel-1-Rennstall. Und jetzt setzt er sich für Offshore-Windparks ein. In diesem Interview erfährt man viel darüber, warum es sich dabei um ein lohnendes Investment handelt.

Ashoka

Andere Beiträge dieses Hefts stammen aus einschlägigen Büchern. So kann man bei Al Gore nachlesen, wie problematisch der gegenwärtige Schiefergas-Boom in Wirklichkeit ist. Das ist deprimierend. Umgekehrt weist ein Kapitel aus dem Buch von David Bornstein, „Die Welt verändern. Social Entrepreneurs und die Kraft neuer Ideen“, ermutigende Perspektiven.

Es handelt sich bei diesem Kapitel um eine Schilderung der Initiative des Amerikaners Bill Dayton, in der weltweit besonders kreative und tatkräftige „Sozialunternehmer“ gefördert und vernetzt werden. Prominentestes Mitglied innerhalb dieser Organisation mit dem Namen Ashoka ist Muhammad Yunus, der die auf Mikrokredite spezialisierte Grameen Bank gegeründet hat und dafür 2006 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.

Kritische Forscherinnen

Als ein Beispiel dafür, wie die Welt immer noch von Lobbyisten in negativer Weise beeinflusst wird, zeichnen Anita Blasberg und Kerstin Kohlenberg ein Porträt des Amerikaners Marc Morano, der die Clique der Leugner des Klimawandels anführt. Das Heft schliesst mit einem Beitrag über Wissenschaftlerinnen, die sich - wie zum Beispiel in den 1950er Jahren Rachel Carson in Bezug auf das damals weit verbreitete DDT – kritisch mit gängigen Substanzen und Verfahren auseinandersetzen.

Die seit 1941 bestehende Kulturzeitschrift DU wurde im Jahr 2007 vom Rapperswiler Verleger Oliver Prange gekauft und wird von ihm seit 2011 auch redaktionell geleitet. Ihm ist es gelungen, diese Zeitschrift zu modernisieren, ohne ihren ursprünglichen Charakter aufzugeben. Das Aprilheft erweitert das Spektrum in bester Weise.

DU 855, April 2015, Die Welt retten, Du Kulturmedien AG

Es scheint mir an der Zeit zu sein, dass sich Kultur, Kulturschaffende, sich um den Zustand der Welt kümmern und sich nicht so sehr um ihre eigenen Befindlichkeiten. Denn Kultur hat mit dem Leben zu tun. Und Leben hat mit den Lebensgrundlagen zu tun. Und wenn diese immer mehr den Bach runter gehen, hat es mit Überleben zu tun. Nicht für diese Generation, aber für Kommende. Die Menschen auf dieser Welt leiden unter einer gnadenlosen Ignoranz, wenn es darum geht, sich ein Bild über die Plünderung der natürlichen Ressourcen, das Aussterben der Artenvielfalt, die Verschmutzung der Meere etc. zu machen. Man will nichts davon wissen, sich einschränken zu müssen, sei das beim Konsum, dem Energieverbrauch oder der Mobilität. Was die meisten Menschen nicht wissen wollen, ist der Fakt, dass eine Art von Ökodiktatur in gewissen Weltregionen unvermeidlich sein wird, wenn wir weiterhin derart verschwenderisch mit den Ressourcen dieses Planeten umgehen. Natürlich: Die Technokraten sagen immer, alles sei mit der Technik machbar. Ist es wirklich so? Ich meine nein! Alles wird die Technik nicht lösen können. Es bräuchte eine andere Lebensweise, eine die ein ganzheitliches Denken und vor allem Handeln voraussetzt. Ja, es braucht auch Verzicht. Ganz ohne wird es nicht abgehen. Aber auf was verzichten wir eigentlich? Konsum ist immer eine Sublimierung. Die Rettung der Welt wird auch oder vornehmlich zu einer philosophischen Frage. Ohne sich gründlich mit dem Leben und insbesondere auch mit dem eigenen Dasein (dazu gehört auch der Tod) auseinanderzusetzen, werden wir den Wertewandel nicht schaffen.

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