Radionachrichten im Wandel

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Radionachrichten im Wandel

Von Roland Jeanneret, 14.04.2015

Zwei lange und sechs kurze Piepstöne, der letzte höher. Heilige Zeit für Mittagsnachrichten. Insider Kurt Witschi zeichnet den Wandel der Radio-News im Lauf der letzten neun Jahrzehnte nach.

Die fixe Sendezeitpunkt zwölf Uhr dreissig für die Mittagsinformationen im Deutschschweizer Radio ist seit 1931 unverändert geblieben. «Im Programm eine unglaubliche  Kontinuität», kommentiert Kurt Witschi diesen Sachverhalt in seinem Buch Die Zeit: 12.30 Uhr. Und Witschi weiter: «Die einzelne Nachrichtensendung erhielt nur schon Gewicht durch die wenigen täglichen Ausgaben; es gab ein Vierteljahrhundert lang nur deren vier bis fünf. Die Nachrichten wurden damals von der Schweizerischen Depeschenagentur verfasst und auch dort durch eigene Sprecher gelesen. Dem neuen Medium Radio traute man noch nicht ganz über den Äther und sprach ihm das Vertrauen ab, seriöse Nachrichten selber verfassen zu können.»

Kurt «Witschipedia»

Kurt Witschi erzählt die Geschichte der Radionachrichten über all die Zeitabschnitte von den Zwanzigerjahren über den aufkommenden Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg, die Zeit des Kalten Kriegs oder die 68er-Jahre minutiös nach. Witschi arbeitete selber während 43 Jahren am Nachrichtendesk von Radio DRS, heute SRF, und hat sich während seines ganzen Berufslebens mit seiner Tätigkeit selbstkritisch auseinandergesetzt. So ist bei ihm ein umfassendes Wissen zusammengekommen, das ihm hausintern den Übernamen «Witschipedia» eingetragen hat.

Im Buch verläuft der historische Rückblick auf die Geschichte der Nachrichten am Schweizer Radio rückwärts: Es beginnt mit der neueren Entwicklung und hört mit den ersten Gehversuchen auf. Dieser Zeitablauf holt den Leser, die Leserin im Heute ab und lässt uns die Freiheit, so tief in die Vergangenheit zu tauchen, wie die Neugierde es will.

Das Wichtigste gleich zu Beginn…

Welches sind jetzt aber die ohrenfälligsten Veränderungen zwischen damals und heute: Witschi sieht diese sowohl bei der Sprache wie im Inhalt: «Nachrichten werden heute viel hörfreundlicher und lebendiger gelesen. Das Wichtigste kommt gleich am Anfang. Die Sätze sind kürzer, die Sprache verständlicher. Früher war es eher eine Kanzleisprache und  Verlautbarungsjournalismus.» Es ist unverkennbar, dass die damaligen Texter bei der Depeschenagentur für Zeitungen und Leser, nicht aber für ein elektronisches Medium und für eine Hörerschaft schrieben. Wirtschi bringt die Veränderung auf den Punkt: «Das Radio verkündete früher, heute berichtet es.»

Geändert hat sich auch das Tempo der Nachrichtenvermittlung. Die neuen sogenannt «sozialen Medien» kämpfen in der Publikationsgeschwindigkeit untereinander um Sekunden. Das führt zu einer Inflation von Information. Eine journalistische Gewichtung ist kaum erkennbar, Beliebigkeit bis Belanglosigkeit herrschen vor, und kaum jemand hat noch den Gesamtüberblick, Sprachschludrigkeiten sind alltäglich. Tröstlich, dass es nach wie vor Qualitätsmedien gibt, die Relevanz als wichtige Messlatte anwenden. Dazu gehören nach wie vor die Nachrichten von SRF.

Nach wie vor: Faszination Radio

Ergänzt wird «12.30 Uhr» mit Fotos, Facts und einem Glossar, den Namen von Redaktoren und Sprechern sowie Quellen und Literaturhinweisen. So erfahren wir viel von den Schwierigkeiten des Radios in den Anfangszeiten. Den Grabenkämpfen zwischen Zeitungen und Radio, aber auch den Herausforderungen von heute durch Social Media. Und dass das Radio den Weg zu einem spannenden, zeitgemässen Begleitmedium gefunden hat: «Sich auf die Beschränkungen des Radio zu konzentrieren, auf die Stärke des Textes und die Wirkung der Stimme, sind Gründe, weshalb immer noch so viele Journalisten, meine ehemaligen Kolleginnen und Kollegen und neue Mitarbeiter, von diesem alten Medium fasziniert sind. Sie stellen sich der Herausforderung, in der Flut gesicherter und ungeprüfter Informationen zu bestehen und Garanten einer verlässlichen Nachrichtenvermittlung zu bleiben, auch wenn sie die Skepsis umtreibt, ob das Radio als Informationsinstrument noch eine grosse Zukunft hat in einer Zeit neuer Medien und bei jungen Generationen, die nicht mehr mit dem Radio aufgewachsen sind», schreibt Kurt Witschi im Vorwort.

 

Kurt Witschi: Die Zeit: 12.30 Uhr. 90 Jahre Nachrichten im Schweizer Radio, Verlag NZZ (ISBN 978-3-03810-009.6)

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An den Nachrichten (Höre sie seit 1939 oder früher)finde ich die "Randbemerkungen", von Engflish bis japanisch, besonders verständlich, erst recht im Hintergrund, zusammenm mit den Nachrichten,vorsichtig gesagt, überflüssig bzw. STÖREND!.
hans linde

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