Die Schweiz verliert eine gute Bundesrätin

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Die Schweiz verliert eine gute Bundesrätin

Von Heiner Hug, 28.10.2015

Selbst bei ihrem Abgang zeigt Eveline Widmer-Schlumpf Grösse und Klasse.

Dass es bei Bundesratswahlen nicht darum geht, wer der oder die Beste ist, wissen wir seit langem. Wichtig ist die Parteizugehörigkeit.

Das ist bei uns so, das ist auch im Ausland so.

Dass der SVP, der stärksten Schweizer Partei, ein zweiter Bundesratssitz zusteht, bestreitet niemand. Dass dazu eine fähige Finanzministerin geopfert werden muss, gehört zum Politbetrieb.

Dass sie nicht mehr gewählt würde, ist allerdings gar nicht so sicher. Die SP, die Grünen und die Mehrheit der CVP standen schon immer hinter ihr. Doch auch bei den Freisinnigen und selbst bei der SVP gibt es Kräfte, die ihr wohlwollend gesinnt sind. Und nicht nur der Nationalrat wählt den Bundesrat. Im Ständerat sind die Mitte und die Linke noch immer stark. Doch das sind Spekulationen. Darauf wollte sich die Bündnerin gar nicht einlassen.

Was sie an Angriffen unter der Gürtellinie erlebt hat, hat bisher wohl kaum ein Bundesrat oder eine Bundesrätin erlebt. Sie stand es durch. Chapeau. Jetzt sagte sie sich wohl: Es reicht.

Eveline Widmer-Schlumpf gehörte sicher zu einer der besten Bundesrätinnen und Bundesräte der jüngsten Zeit. Sie war und ist keine Blenderin. Charisma hatte sie wenig, aber auch der Wirtschaftsminister hat keines. Doch im Gegensatz zu ihm verfügt sie über Kompetenz und war Dossier-sicher. Aber der Wirtschaftsminister ist eben in der richtigen Partei.

Nun also hat sie die Konsequenzen gezogen. Locker und fast fröhlich trat sie vor die Medien. Ein unschönes Gerangel um ihre Bundesratszukunft wollte sie sich nicht antun. Sie lässt sich nicht auf eine üble Schlammschlacht ein. Die Bündnerin geht selbstbewusst, ungeschlagen und würdevoll. Auch das passt zu ihr.

„Im Gegensatz zu andern kann ich loslassen“, sagte sie sybillinisch während der Ankündigung ihres Rücktritts. Wen sie da wohl gemeint hat? Es ist zu hoffen, dass der neue Finanzminister ebenso fähig ist wie sie.

Sie geht freiwillig und stolz, erhobenen Hauptes - im Gegensatz zu Blocher. Der wurde schmachvoll abgewählt und davongejagt – und leidet noch heute darunter.

Es wird immer schlimmer in unserem Land. Diese Partei gebärdet sich mit ihren Demagogen selbstherrlich
godi

Unter Blinden ist der Einäugige König.

Sehr schöner, gut geschriebener Kommentar. Danke

Widmer-Schlumpf hat das gemacht, was andere Bundesräte nicht oder nur mangelhaft machen: Sie hat Probleme gelöst.

Frau Widmer-Schlumpf hat das gemacht, was die Meisten von uns auch gemacht hätten. Sie hat sich wählen lassen. Moralisch und ethisch war es verwerflich.

Was war denn moralisch und ethisch so verwerflich?

Als Parteimitglied soll man ein klein bisschen loyal sein. Man kann nicht hinterrücks und im Geheimen mit den Politischen Gegnern Absprachen treffen und die eigenen Freunde täuschen.

Warum verwerflich? Hat nicht jede Person im Land das Recht, sich wählen zu lassen? Soll nur noch Geld und Lautstärke bestimmen in unserem Land????

Man hat das Recht! Man hat auch das Recht mit politischen Gegnern Absprachen zu treffen und Freunde zu täuschen. Das alles ist jedoch verwerflich.

Sorry P.S. Sie verwechseln da etwas. Die Mitgliedschaft in einer Partei heisst beileibe nicht Parteisoldat werden. Parteizugehörigkeit schliesst Eigenverantwortung und eigenständige Entscheidungen nicht aus. Zudem war Frau Evelin Widmer-Schlumpf zu diesem Zeitpunkt auch nicht Fraktionsmitglied in Bundesbern. Wir müssen Frau Widmer-Schlumpf einmal schon deshalb dankbar sein, dass Sie uns mit der Annahme ihres Bundesratsmandats eine Lähmung des parlamentarischen Betriebs erspart hat. Für die meisten Bundesversammlungs-Mitglieder war Christoph Blocher schlichtweg nicht mehr wählbar und die SVP-Fraktion beharrte stur nur auf dem einen Kandidaten. Im Nachhinein müssen wir alle froh sein, dass wir zum richtigen Zeitpunkt die richtige Person an höchster Stelle in Bern hatten.

Für mich ist Frau Widmer-Schlumpf jemand mit Zivilcourage!
Sich hinter Initialen zu verstecken und zu kommentieren erachte ich eher als mutlos!

Heiner Hugs Kommentar ist meines Erachtens bis auf die letzten drei Linien perfekt.
Diese drei Linien könnten sich die durchschnittlichen Besucher von journal21 selber denken. Ja, Christoph Blocher leidet ganz offensichtlich immer noch unter seiner Verbannung. Er hat es sich letztlich wohl auch selber zuzuschreiben, denn seine Art von "magistrieren" hat hierzulande keine Chance. Das ist auch gut so. Natürlich hatte er damals wie heute weitgehend recht, was die meisten seiner Themen angeht. Aber aus recht haben auch Recht zu bekommen setzt eine psychologisch richtige Dosis von Auflehnung voraus. Diese hatte er nie.

Zu Frau Widmer-Schlumpf: Sie ist eine stille Schafferin, welche die Tugenden des Homo Helveticus tadellos verkörpert. Tugenden, welche im heutigen Polit-Betrieb der Selbstdarsteller kaum mehr auszumachen sind. Leider.

Ich wünsche ihr auch im nächsten Job viel Freude.

Danke, Herr Hug, für Ihr Statement, das eine Wohltat ist. Und einen grossen Dank an Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, einfach für alles.

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