Das unmögliche Referendum
Das Schöne am Journalismus ist: man kann schreiben. Und weiterschreiben. Auch das Gegenteil dessen, was man vorher geschrieben hat (insofern gleichen Journalisten den Politikern). Auch nach dem Brexit. Denn die Zeiten ändern sich und wir uns bekanntlich mit ihnen. Es gab dazu zunächst nur zwei gleich unsinnige Optionen: Katastrophe oder Chance. Sowie natürlich wie immer das vornehme Weder-Noch.
Dann hat man geschrieben, dass die jungen Briten in der EU bleiben wollten sowie auch Schottland und Nordirland. Sehr verständlich. Dann haben Cameron und Hollande - warum eigentlich und mit welcher Zuständigkeit? - erklärt, dass es keine zweite Abstimmung geben werde, obwohl die erste für die britische Regierung gar nicht bindend sei. Als ob man nicht schon in mehreren EU-Staaten zweimal abgestimmt hätte, bis das Resultat stimmte.
Wo bleibt da die Demokratie? Die Antwort ist einfach: in jedem EU-Staat und beim sogenannten EU-Parlament. Wenn das nicht zusammenpasst, unter anderem wegen der EU-Bürokratie, haben dies die nationalstaatlichen EU-Regierungen so gewollt. Aber es ist auch bitter zuzugeben, dass mit Volksentscheiden die EU nicht entstanden wäre und mit opportunistischen oder populistischen Gelegenheitsreferenden nicht weiterbestehen kann.
Leider hat man in "Brüssel" (schade für die schöne Stadt, die unschuldig zu einem Schimpfwort geworden ist) die wichtigste königlich-preussische Weisheit (es gab deren nicht viele) vernachlässigt, gemäss der "jeder nach seiner Façon selig" werden soll (auch mit Käse aus nicht pasteurisierter Milch). Und das hat auch nichts mit dem schweizerischen "Jeder für sich" zu tun.
Leider hat der Verlierer Cameron die späte Einsicht von de Gaulle nicht respektiert, die für Länder gilt, die keine direkte Demokratie kennen. Da antwortet das Volk nämlich nie auf die konkrete Frage des Referendums, sondern auf abseitige Probleme (Fremdenhass) und tiefenpsychologisch letztlich auf den Aufschrei: Wollt ihr mich behalten? Armes Europa.
Seit Bekanntwerden der Niedrigsteuerpläne des britischen Finanzministers George Osborne ist klar:
Die Insel will aus der EU ausscheiden, aber im globalen Poker um Jobs und Direktinvestitionen keineswegs die Karten ablegen.
Als europäisches Offshore-Zentrum mit Niedrigsteuersätzen, geringen Sozialstandards und einer deregulierten Finanzindustrie hätte das Land womöglich sogar eine Chance, dem übrigen Kontinent Marktanteile abzujagen.
Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff meint, der Brexit könnte sich für Großbritannien noch als genial und für die EU als gefährlich erweisen. Die Lunte am vereinten Europa brennt plötzlich von zwei Seiten.
https://www.fischundfleisch.com/ebg...an-gegen-den-rest-europas-steuerdu...
Ursache und Wirkung oder das Verhindern von Schizotomie, direkt in Richtung Fission!
Rücksichtsloses vorwärtsschreiten in der Überzeugung auf dem richtigen Weg zu sein, könnte eine Ursache sein! Eine, deren Begründung in der Vergangenheit Europas zu suchen wäre. Jener EU-Übereifer der bei einigen Ländern zu Pressing führt und durch fehlende Zeit zur Anpassung vieles erschwert, generiert auch schnell mal Abwehrkräfte. Erzeugt Wirkung und wiederum Ursachen auf dem Weg zur Kettenreaktion, also auch zu jenen die schon jetzt mutieren! Die müssten gestoppt werden. Brexit war kein Spaltpilz, UK kein Neutron sondern lediglich Aufruf zur Entschleunigung. Eine nervöse Abwehrreaktion unter Einbezug der örtlichen wirtschaftlich-kulturellen Entwicklungen. Evolution wäre angesagt, und zwar durch zeitverzögertes anpassen, einem dafür geeigneten Mitspracherecht aller Bürger. Das wäre Freiheit, modern und Zukunft gerichtete demokratische Politik. Alles braucht seine Zeit und viele Türen wären dadurch weit offen. So sähe ein Schlüssel zur Verwirklichung der Vereinigten Staaten von Europa möglicherweise aus…. claudia cathari…
und jetzt hau ich ab, Richtung Côte d'Azur!