Was geht denn gar nicht?
„Das geht ja gar nicht!“ steht über der entsprechenden Seite, ein diktatorischer Aus- und Aufruf. „Hart und grausam“ sei die Trennung zwischen den Eingeweihten, die den Ruf erschallen lassen und den „Banausen“, denen er gilt. Natürlich mischen unsere Autoren eine Portion Selbstironie unter ihre vernichtenden Urteile. Die ist immer zu empfehlen, wenn man zum Angriff bläst; sie nimmt der Sache den Ernst und schützt, wenn man ihn denn erkennt, den Angreifer. Dass auf dem Schlachtfeld der Mode der Streit zwischen „geht und geht-gar-nicht“ notorisch ist, dürfte allgemein bekannt sein. Die armen Gequälten, die sich unentwegt den Kopf zerbrechen müssen, welcher Outfit richtig sein könnte, um sich unter die richtigen Leute zu mischen, haben einem schon immer leid getan (was für ein anstrengendes Leben!). Aber dass man keine Rothko-Nachdrucke aufhängen, sich bei Popkonzerten im Hintergrund halten, nicht für Starinterpreten klassischer Musik schwärmen und keine vanillegelben Möbel kaufen soll, das hab ich nicht gewusst. Die fröhliche Daumenrauf-Daumenrunter Bewerterei von allem Möglichen, eine altrömische Tradition, die zu Neros Zeiten letal auszugehen pflegte, greift um sich. Argumentieren ist anstrengend und dafür gibt es im Digitalverkehr, dem beliebtesten Kommunikationsmittel, sowieso keinen Platz.
Weil jeder Spruch Anspruch auf Widerspruch hat, sei noch schnell angemerkt, dass es selbstverständlich Phänomene, Geisteshaltungen und davon inspirierte Handlungen gibt, denen nur mit einem „Das geht ja gar nicht!“ adäquat zu begegnen ist. Und dass in den Bereichen der Mode, der Kunst, Literatur oder Musik nach den Zeiten postmoderner Beliebigkeit, des „anything goes“, das Pendel auf die andere Seite ausschlägt und man sich nach Unterscheidung und Klarheit sehnt, ist nachvollziehbar. Es braucht halt (wie immer) ein Abwägen und Ausgleichen zwischen dem gleichgültig-wurstigem „alles geht“ und dem kategorischen „Das geht ja gar nicht !“.
Alles was der eigenen Weltanschauung, und sei sie noch so abwegig, widerspricht, geht gar nicht. Die Realität hat sich gefälligst den eigenen utopischen Vorstellungen anzupassen.
"Modisch" waren schon immer jene Leute, denen es zwar nicht an (geerbtem) Geld fehlte, wohl aber an gutem Geschmack und Stil. Oder kann sich jemand einen geistvollen oder gar originellen "Modegeck" vorstellen? Kaum. Wer sich immer nach der neuste Mode richtet, wirkt zu recht ziemlich lächerlich. Gut 90 Prozent dessen, was als "neuste Mode" auf den Markt geworfen wird, ist ohnehin weder schön noch elegant – sondern meist irgendwo zwischen leicht daneben bis ganz hässlich. In Schuhgeschäften etwa findet man je länger je mehr nur noch fast Turnschuhformen in allen Formen und Farben. Oder jene unsäglichen Modell, die vorne clownmässig vor den Zehen noch mehrere Zentimeter leeren Raum aufweisen: Das ist zwar "angesagt" und "geht ganz gut"; ist aber doch nur unschöner Unfug! Unsinnig auch die neuste Halstuchmode, die uns von Zürich her heimsucht: Der "Zusammenziehknopf" sieht nicht nur dümmlich aus, er ist auch gefährlich. Ein eventueller Angreifer muss nur das Halstuch zu fassen kriegen, der Knopf zieht sich um den Hals des Opfers zusammen – und dieses ist sofort erledigt.
Vernünftigen Leuten geht die Mode darum meist genau in der Mitte zwischen ihrem Hemdkragen und den Schuhabsätzen vorbei. Am besten fasst wohl folgende Definition jegliches "modisches Getue" zusammen: Die Mode ist der Krückstock an dem sich geschmacklose Leute von Saison zu Saison schleppen – unter Kostenfolgen. Niklaus Ramseyer, Bern
Gut gebrüllt, Ramseier!