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16. Februar 2021

Unmöglich? Möglich!

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Unmöglich? Möglich!

Von Christoph Zollinger, 16.01.2017

Das Internet der Dinge, Künstliche Intelligenz, neue Medikamente und Materialien, die „Digitale Revolution“, aber auch neue Antworten auf die Frage: „Wie vernünftig ist unser Hirn?“ beschäftigen uns.

Zum Jahresbeginn Ausschau halten nach neuen Ideen, Projekten, Erfindungen und Erkenntnissen ist spannend. Auf den verschiedensten Wissensgebieten tut sich Gewaltiges. Hier eine kleine, willkürliche Kostprobe.

Das „Venice-Time-Machine“-Projekt

„Wer sich nicht mit der Vergangenheit befasst, findet sich in der Gegenwart nicht zurecht“, sagt man. Werfen wir deshalb zu Beginn unserer Entdeckungsreise in die Zukunft einen Blick in … die Vergangenheit.

Nicht zum ersten Mal ist die ETH Lausanne (EPFL) als Pionierin ganz vorn mit dabei. Dieses „Venice-Time-Machine-Projekt“ (vtm.epfl) zielt darauf ab, ein mehrdimensionales Modell von Venedigs Gebäuden über einem Zeithorizont von 1000 Jahren zu erfassen und entwickeln. Eine Kombination von historischen Aufzeichnungen aller Bibliotheken und Millionen von Fotos Venedigs erzeugen computergestützte Visualisierungen, sie bringen uns gewissermassen die Renaissance zurück. Rund 300 Wissenschaftler aus einem halben Dutzend Wissenschaftsgebieten aus vier Universitäten sind involviert.

Gefragt, wozu das Ganze gut sein solle, antwortet Patrick Aebischer, Ende 2016 ausgeschiedener Präsident und unermüdlicher Reformer der ETH Lausanne: „Wenn wir uns einig sind, dass eine der grossen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sein wird, der Technologie einen Sinn und moralischen Wert zu geben und gleichzeitig den jungen Leuten ihre Geschichte zurückzubringen, damit sie dieses Wissen nicht verlieren, dann können wir Trump-Probleme vermeiden.“ Aebischer ist vorbildlich. Er erinnert uns daran, dass die Grenzen des Wissens fortlaufend neu auszuloten sind.

Alternative Lösungsansätze für Übermorgen   

W.I.R.E., (thewire.ch) der europaweit führende interdisziplinäre Think Tank, beschäftigt sich mit globalen Entwicklungen in Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Im Fokus des Schweizer Denklabors stehen die frühe Erkennung neuer Trends und deren Übersetzung in Strategien und Handlungsfelder für Unternehmen und öffentliche Institutionen. Bezüglich seiner Tätigkeit lesen wir auf der Homepage: „W.I.R.E. eruiert, welche Entscheidungen innerhalb eines Unternehmens oder eines Systems an Algorithmen ausgelagert werden können, welche Kompetenzen auch in Zukunft weiterhin beim Menschen liegen sollten und welche Anforderungen an die Bildung und die Organisation von Unternehmen dadurch entstehen.“ Realisieren wir überhaupt die Tragweite?

Als Beispiel eines seiner Forschungsfelder sagt W.I.R.E.: „Gesundheit gilt als höchstes Gut unserer Gesellschaft und dürfte angesichts der steigenden Lebenserwartung in Zukunft noch wichtiger werden. […] Neue diagnostische Verfahren erleben einen Aufstieg, insbesondere in Form mobiler Kleinstgeräte, Apps und virtueller Angebote zur Selbstdiagnose. […] W.I.R.E. untersucht, wie ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem aussehen sollte, wie Patienten ganzheitlich entlang ihres Lebens versorgt werden, wie sich die Akteure aus Industrie und Medizin auf die neuen Rahmenbedingungen einstellen können und welche Anforderungen sich aus der digitalisierten Medizin auch für die Gesellschaft ergeben.“

Personalisierte Ernährung

Sofern Sie bereit sind, einen detaillierten, umfassenden Fragebogen zu Ihrer Person und ihrem Gesundheitszustand auszufüllen und an die Firma HABIT in San Francisco (habit.com) zu mailen, verspricht die Firma Ihnen ihre persönliche „Nutrition Intelligence Engine“-Nahrung, eruiert aufgrund eines Algorithmus Ihres Ernährungstyps. Wenn Sie erst mal wissen, welcher Typ Sie sind, laden Sie die Daten auf eine App und schwupps, Ihr persönlicher Ernährungsplan erscheint vor Ihren Augen. Dabei werden die neuesten Erkenntnisse der Nutrigenetik mitberücksichtigt, also die Erkenntnis, dass die gleiche Nahrung bei zwei verschiedenen Menschen total unterschiedliche Reaktionen hervorrufen kann – als Folge der Genvarianten. Was mit Ihren Daten sonst noch passiert – aus Erfahrung wird man klug, sagt man …

Gegen das Vergessen

Gemäss UZHMagazin wurde im Wissenschaftsmagazin „Nature“ ein Durchbruch der Alzheimer-Forschung gemeldet. Dem Forscherteam um Prof. Roger Nitsch (roger-nitsch@irem.uzh.ch) ist es gelungen, worauf seit langem gewartet wurde. „Der Antikörper Aducanumab wirkt phänomenal – richtig dosiert bringt er die Plaques, die sich im Gehirn von Alzheimer-Patienten ablagern, Synapsen verstopfen und Hirnzellen zerstören, zum Verschwinden.“

Unmöglich? Möglich!

Jetzt im Telegrammstil einige weitere Einblicke in die Welt von morgen, die sich heute abzeichnen. Ohne Bewertung, nur als Blick durch das Guckloch:

  • Auf dem ETH-Versuchsfeld in Lindau-Eschikon (ZH) wird für die Zukunft unserer Bauern geübt. Spezialisierte, an Seilen hängende Kameras erfassen aus der Luft (bildgebende Sensorik) das Wachstum unterschiedlichster Versuchspflanzen mit dem Ziel, eine nachhaltige „Präzisionslandwirtschaft“ zu entwickeln. Die Digitalisierung der Landwirtschaft im Auge, werden hier (anderswo mit Drohnen) z. B. Weizen, Mais, Soja oder Futtergräser angebaut und „beobachtet“, um später die für Bauern auf ihrem Feld geeignetsten Sorten zu entwickeln.
     
  • Bereits in mehreren Ortschaften in der Schweiz stehen neue Mehrfamilienhäuser, die an kein Stromnetz angeschlossen sind. Diese Bauten sind „Kraftwerke“ und produzieren aus der Sonnenergie mittels Fotovoltaikmodulen auf dem Dach und der ganzen Fassade. Das grosse Problem der Stromspeicherung wird durch eine Kombination von Batterien, Heizwasserspeicher, Wasserstoff-Speichertanks gelöst. Wer bei der Energiediskussion immer von „unmöglich“ spricht, sollte sich das mal ansehen.
     
  • An der Abteilung für Angewandte Holzforschung der Empa bei Zürich im Modul Vision Wood wird magnetisierbares Holz entwickelt, mittels eines Verfahrens zur Einlagerung von Eisenoxidpartikeln, um Holz wasserabperlend zu machen. Andere Beschichtungen, als Beispiel, werden auch für Holzaussenfassaden im Häuserbau entwickelt, um diesen einen natürlichen UV-Schutz und damit Langlebigkeit zu geben.
     
  • Im Team von Professorin Zenobi-Wong an der ETH Zürich (Abteilung Knorpeltechnologie und -regeneration) arbeitet man an künstlichen, lebensechten Ohrmuscheln, die unter die Haut implantiert werden. Der 3-D-Drucker soll es ermöglichen, mit 5 Milliliter Biotinte innert 20 Minuten effizient und billig zu produzieren, was insbesondere neugeborenen Kindern mit schweren Ohrmuschelfehlbildungen zugute kommen wird.
     
  • In China arbeiten Techniker unter gütiger Mithilfe schweizerischen Know-hows (IBM Rüschlikon) an der nächsten Eisenbahn-Generation. Diese wird sich schwebend in einem luftarmen Tunnel vorwärtsbewegen – mit 480 Stundenkilometern Geschwindigkeit, so ist es geplant.
     
  • Forscher des Max-Planck-Institutes for Ornithologie in Radolfszell arbeiten am Projekt Icarus. Zehntausende von Tieren sollen mit Mini-Sendern ausgerüstet werden im Dienste der Forschung. Aus dieser „Schwarmintelligenz“ sollen ungewöhnliche Erkenntnisse abgeleitet werden können, etwa die Vorhersage von Vulkanausbrüchen oder Erdbeben. Bekanntlich verfügen Tiere über viel sensiblere Wahrnehmungsmöglichkeiten als Menschen. Die Datenübermittlung erfolgt per Funk und Satelliten.
     
  • Die Leistungsschau „Slush“ der technologischen Innovationen in Helsinki, eine Talentschau der Tech-Startups, bewegt sich rasch aus dem Schatten des Silicon-Valleys. Zwar hapert es noch immer mit der Risiko-Finanzierung solcher Jungunternehmen, doch die Fortschritte sind respektabel.
     
  • Swisscom, Ericsson und ETH Lausanne arbeiten gemeinsam an der nächsten, fünften Mobilfunkgeneration (5G) für die Schweiz. Deren ultraschnelle Geschwindigkeit von bis zu zehn Gigabit pro Sekunde soll es ab 2020 ermöglichen, z. B. Autofahren ohne Lenkrad flächendeckend aufzunehmen.
     
  • Das europäische Navigationssystem Galileo wird endlich, nach 17 Jahren Entwicklungszeit, marktreif. Es ist viel präziser als alles heute bekannte und wird die Genauigkeit der Geolokalisierung um das Zehnfache erhöhen.
     
  • Wie schon 2015 sind an der ETH Zürich auch 2016 25 Spin-offs gegründet worden, diesmal in den Bereichen Robotik, ICT und Biotech/Pharma.
     
  • Im Kleinen lässt sich nachvollziehen, was Innovation auch heisst: Schüler der Kantonsschule Hottingen in Zürich haben 2016 ihren Start-up gegründet. Ihre Erfindung: eine Trinkflasche aus Tritanhartplastik und eingebautem Filtertool, genannt Smart Bottle. Mit Brunnentrinkwasser, Früchten oder Kräutern gefüllt, lassen sich entsprechend aromatisierte Getränke herstellen.

Das Faszinierende an dieser rasanten Entwicklung liegt in der lapidaren Aussage, dass viele dieser Erfindungen, die unser aller Leben drastisch verändern werden, auf Techniken basieren, die es heute noch gar nicht gibt; an deren Entwicklung jedoch weltweit gearbeitet wird.

Und wie vernünftig ist unser Hirn?

An neuen Erkenntnissen zum besseren Verständnis der menschlichen Urteile, Ansichten, Neigungen und Wünsche lässt uns Lutz Jäncke, Professor für Neuropsychologie an der Universität Zürich teilhaben; er hat darüber ein Buch geschrieben. An dieser Stelle und im Zusammenhang mit der herausfordernden Flut digitaler Umwälzungen, aber auch der unübersehbaren Reformunfähigkeit der Schweizer Politik, scheint es mir wichtig, dies zur Kenntnis zu nehmen: Auch im 21. Jahrhundert hat unser Handeln zeitweise nur am Rand mit Vernunft zu tun. Das Unbewusste existiert und beeinflusst uns in viel stärkerem Ausmass, als uns lieb sein mag. Dies gilt natürlich auch für die anderen, die dominanten politischen und wirtschaftlichen Grössen, die sich bekanntlich nie irren. Schon darin irren sie sich.

Lutz Jäncke:
Ist das Hirn vernünftig? 2015, hogrefe Verlag

Geist aus der Flasche oder die Grenzen der Physik.

In der Dritten sich bewegen, in der Vierten sich zurechtfinden und in der fünften Dimension alles geistig erfassen können. Genau, Erleuchtung ist das noch keine, aber die Chancen auf dem richtigen Weg zu sein sehr wohl. In einer Welt, einem Universum bestehend aus Schwingungen, wo Materie nur durch höhere Dichte erfahrbar wird und viel Gedachtes zur Realisierung drängt, arbeiten wir an für uns Machbarem, versteht sich! Physikalische Gesetze zeigen uns Grenzen auf. Energie als Grundlage jeder Schwingung. Mensch und Tier nehmen Nahrung auf um Energie zu gewinnen, eben, damit sie in Schwung bleiben. Durch zwölf Dimensionen musst du gehen um Erleuchtung zu erhalten. Die Dreizehnte ist Gott vorbehalten. Fortschritt wird gedeutet als Überwindung von Vergangenheit, kann aber auch in Sackgassen enden. Die Natur behält sich ihr Einsprache-Recht vor und lässt auch lieb gewonnenes scheitern, so wie die Evolution es uns zeigt. Manches bringt uns weiter, aber noch besser kann bedeuten, Vollgas aber keinen Gang eingelegt oder mit Vollgas in die Wand fahren. Überbevölkerung aus verbesserter Lebensqualität könnte leicht zum Untergang einer ganzen Spezies führen. Wir dürfen den Respekt nicht verlieren und sollten sukzessive zu ganzheitlichem Denken wechseln. Peu à peu erklimmen wir dadurch den Nimbus der Unbesiegbarkeit, wenn wir Glück haben….vielleicht… maybe, maybe not! cathari

„Wenn wir uns einig sind, dass eine der grossen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sein wird, der Technologie einen Sinn und moralischen Wert zu geben und gleichzeitig den jungen Leuten ihre Geschichte zurückzubringen, damit sie dieses Wissen nicht verlieren, dann können wir Trump-Probleme vermeiden.“

Grandios. Am besten gefallen mir die Projekte, welche es erlauben mittels Zoomfunktion in der Zeit vor und zurueck zu gehen. Die Schweizer Kartographie hatte es letztes Jahr vorgemacht. Was mich am Venedig-Projekt interessieren wuerde ist die Programmiersprache (sagt man dem so?), welche es zum Schluss erlaubt die Daten verschiedenster Quellen ueber die Schnittstellen laufen zu lassen, die eine Automatisierung ermoeglicht und im Nachgang womoeglicherweise mannigfaltig zur Datenvernetzung eingesetzt werden kann. Das ist Grundlagenforschung.
Was ich nun aber nicht verstehe ist die Argumentation fuer die enormen Ressourcen eines solch grossen interdisziplinären Projekts. Die Formulierung könnte hundert Jahre alt sein. Wenn ich das Wort Technologie mit Arbeit ersetze, raucht nicht nur mein Hirn...

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