(V)erwünschte Eliten

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(V)erwünschte Eliten

Von Urs Meier, 16.02.2017

Spitzen von Wirtschaft und Politik verlieren dramatisch an Vertrauen. Überall schaltet das Stimm- und Wahlvolk auf Abwehr.

Vor noch nicht langer Zeit ging die Elitendebatte so: Es braucht nach einer Periode allzu weitgehender und optimistischer Demokratisierungspostulate wieder Menschen, die Verantwortung übernehmen und sich als Eliten verstehen wollen. Deshalb: Hochbegabtenförderung, Eliteuniversitäten, globale Jobmärkte und freie Bahn den Besten.

Heute tönt es anders: Die abgehobenen Eliten an Amerikas West- und Ostküste haben die Lage der Mittel- und Unterschichten der USA nicht erkannt und das politische Geschäft Trumps nicht verstanden. Das Stichwort Globalisierung – Mantra der Eliten – ist auch in Europa zum Menetekel geworden, zur scharfen Waffe in den Händen der Le Pens, Wilders, Petris und Grillos. Selbst die vor den eisigen Winden des Weltgeschehens noch immer ziemlich geschützte Schweiz hat mit der Versenkung der USR III so etwas wie einen Aufstand gegen die Eliten gewagt. Jedenfalls gilt das Nein als Ausdruck verlorenen Vertrauens in die globale Wirtschaft sowie deren Zudiener und Herolde in Politik und Verbänden.

Bei beiden Ausschlägen des Zeitgeistes ist der Elitenbegriff eher Vehikel denn Inhalt. Füllt man ihn positiv, so steht er für eine Avantgarde, der kreative Energien und die Schaffung wirtschaftlicher, kultureller, gesellschaftlicher Fortschritte zugetraut werden. In seiner pessimistischen Fassung hingegen meint er die durch eine tiefe Kluft von der Mehrheit getrennte Schicht der Profiteure. Offensichtlich herrscht dieses zweite Verständnis von „Elite“ gegenwärtig vor.

Politische Entscheidungen stehen demgemäss vorwiegend im Zeichen der Negation: Kampf gegen Missstände, Abwehr von Bedrohungen, Korrektur von Fehlsteuerungen. Dass es in der Gestaltung der Gesellschaft auch um Freiräume und Lebenslust geht, sollte darob nicht vergessen gehen.

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Der Ausgang der USR 111-Abstimmung wird meiner Meinung nach masslos überinterpretiert. Die Niederlage lässt sich einfach erklären: Die Vorlage war überladen und niemand konnte im Detail die Folgen eines Jas oder eines Neins darlegen. Es ging um eine Gleichung mit (zu) vielen Unbekannten. Sowas passiert immer wieder. Mit der angeblichen diffusen Angst vor der Globalisierung hat das Ergebnis, so denke ich, nichts zu tun. Überhaupt: Was soll dieses ständige und modische Bemühen des Schlagwortes "Globalisierung"? Wo spüren wir in der Schweiz denn die Folgen der Globalisierung? Beim Konsum (Avocados aus Peru, Staubsauger aus China)? Bei der Reisefreiheit und den billigen Flugangeboten (ein Weekend in Lissabon für 500 Franken)? Bei der segensreichen Personenfreizügigkeit? Beim Studium der Exportzahlen schweizerischer Unternehmen? Beim Studentenaustausch? Bei der internationalen Forschung? Beim Kinobesuch (Filme aus Serbien, Iran und Südkorea)? Beim Studium der Karte im Restaurant (Gerichte aus der ganzen Welt)? Ich wünschte mir ein bisschen mehr Nüchternheit und Sachbezogenheit.

Der Vergleich zum USR-Nein hinkt. Die Vorlage entsprach schlicht und einfach nicht den Qualitätsanforderungen der Schweizer Bevölkerung. Sie war unpräzis, enthielt zu viele Widersprüche und war zu wenig transparent, was die tatsächlichen Auswirkungen auf die Lebensqualität der Bevölkerung betrifft. Also: zurück an den Absender - mit der Bitte, sich etwas mehr anzustrengen.

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