Real – irreal

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Real – irreal

Von Christoph Kuhn, 13.03.2017

Das Phänomen Trump realistisch zu betrachten, fällt schwer. Der Eindruck des Irrealen verfestigt sich.

Hält man sich ein paar Wochen im Trump-Land auf, konsumiert die relevanten Medien, tauscht sich mit alten Bekannten und neuen Bekanntschaften aus, wird man sich schnell gewahr: Auch am Ort seines Wirkens dominiert der Herr im Weissen Haus den allgemeinen Diskurs. Wobei anzumerken wäre, dass die massgebende „New York Times“ (die ja allen Grund hätte, ihren Verächter aufs Heftigste zu kritisieren) einen ausgesprochen sachlichen, gelassenen, mitunter richtig coolen Ton pflegt, wenn sie sich mit dem Dauerthema Trump befasst. Sie gibt sich realistisch.

Gerade dieser Realismus – und das ist das Verrückte – erweckt in mir wie in vielen, die sich mit den Verlautbarungen des Präsidenten beschäftigen, ein unheimliches Gefühl von Irrealität. Man kann ausgiebig lesen, Gespräche führen, argumentieren, den gesunden Menschenverstand mobilisieren, logisches Denken proklamieren – zuletzt bleibt etwas übrig, eine Unklarheit, eine Unsicherheit, etwas Irreales.

Vermutlich hängt das seltsame Gefühl mit der Begabung des Präsidenten zusammen, sich und seine Überzeugungen täglich neu zu erfinden, Wahrheiten als Lügen zu verkaufen und umgekehrt, Lügen in Wahrheiten umzufunktionieren oder, wie es eine seiner Vertrauten formuliert, neben gesicherten Fakten auch ungesicherte, „alternative“ oder erfundene, ebenbürtig gelten zu lassen.  

Das schönste Beispiel für das Kippen vom Realen ins Irreale, das die Geister in den USA und anderswo zur Zeit beschäftigt, ist die Mauer auf der über 3000 Kilometer langen Grenze zu Mexiko, die der Präsident bauen lassen will. Ein archaisches, in seinem hirnrissigen Gigantismus fast schon unfreiwillig komisches Unterfangen, das überdies, wie die Mexikaner zu verstehen geben, ihren Tricks und Listen niemals widerstehen und sie kaum daran hindern würde, ins gelobte Land einzudringen. Realiter kann die Mauer natürlich gebaut werden – wie vor Jahrhunderten die chinesische oder, näher bei uns, diejenige unseligen Angedenkens in Berlin. Gebaut allerdings, so darf man vermuten, würde sie in unserer so durchlässig gewordenen, globalisierten und vernetzten Welt erst recht surreal oder eben irreal wirken.

Eine gewagte Analyse meinerseits: Zunächst scheint der Autor leider dem System auf den Leim zu gehen. So, wie die Mainstream-Presse, sieht auch er sich als derjenige, der den Durchblick hat. Ich bin selber zwei, manchmal dreimal pro Monat (auch für längere Zeit) in den USA und spreche mit allen Schichten. Trump ist doch schon lange kein Thema mehr. Dass die NYT sich zurückhält, ist doch verständlich. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Nur CNN, BBC und ein paar ewiggestrige Blätter erkennen die Lage in ihrem Gutmenschentum nicht.

Ich gebe zu, dass es schwierig ist, die Aktual- und Tiefenindoktrination auf den ersten Blick zu erkennen. Das von den Alt-68ern ins Leben gerufene gesellschaftliche Weltbild hat uns die Denkmöglichkeiten in homöopathischen Dosen entzogen. Durch die Aktual-Indoktrination wird dieses Weltbild artig von der linken Presse erzeugt und manifestiert. Durch strikte Ausklammerung der Fakten (Trump hat objektiv betrachtet kaum je gelogen!) wird im Bürger eine Angst erzeugt, welche dem Mainstream Quoten bringt. Die Journalistinnen und Journalisten sehen sich hier klar als "die Guten", obwohl auch ihnen einleuchten müsste, dass nicht immer alles so ist, wie es auf den ersten Blick ausschaut. Recherche ist heute kein Kriterium mehr, ausgewogene Berichte zu schreiben. Sie bewirtschaften das Aufmerksamkeitsmanagement, fragmentieren Inhalte und de-kontextualisieren. Eine wohl kalkulierte Kluft zwischen Elite/Obrigkeit und dem Volk (inklusive der Presse, übrigens) hilft den Erstgenannten, den Status zu stabilisieren.
Dass zwischenzeitlich Entscheide von viel größerer Tragweite gefällt werden, entzieht sich der öffentlichen Kenntnis, weil wir uns lieber mit der Frisur und den unflätigen Tweets eines Selbstdarstellers befassen. Uns wird der Schein einer Demokratie vorgegaukelt, aber in der Realität wird uns (noch nicht in der Schweiz, zum Glück) bestenfalls bei Wahlen der Eindruck einer Mitbestimmung gewährt. Dass durch einen Personalwechsel in den seltensten Fällen ein Paradigmenwechsel oder wenigstens eine kleine Veränderung geschieht, sollte nicht nur aufmerksamen Beobachtern aufgefallen sein. Nun, das Volk ist nicht nur politikmüde (Politiker-müde) geworden, sondern ist auch viel zu faul, sich gute Information zusammen zu suchen. Deswegen ist es folglich wohl auch korrekt, dass es an der Nase herumgeführt wird. Genauso wie der Mainstream-Journalismus, zu welchem sich keiner zählen will. Mainstream-Media wird zum Denunziationsbegriff wie Verschwörungstheorie, Populismus oder Antiamerikanismus.

Fazit: Ich denke, dass alles in Ordnung ist. ;)

An den Fäden sollt ihr ziehen!
Nirgendwo steht ihr sollt an der Nase herum geführt werden. Intendanten aber, sollen gefälligst gegebenen Stoff Vorlagegetreu umzusetzen. Und das Publikum staunt! Immer wieder geht der Vorhang auf, immer wieder werden bekannte Muster sichtbar und Mauern werden zu Klagemauern. Verwirrend? Monkey Mind or Mind Monkey, eo, eo, or Monkey confused, so sitzen wir da und rätseln. Schauspiel hat seine eigenen Gesetze, eine Illusion entsteht. Wirklichkeit erscheint plötzlich surreal. Alles nur gelogen, längstens abgemacht? Und die Protagonisten? Sie spielen ihre Rollen brav wie besprochen. Theater, Theater der Vorhang geht auf, dann wird die Bühne zur Welt. Theater, Theater das ist wie ein Rausch und nur der Augenblick zählt, ……….manchmal Himmel und Hölle zugleich. (Katja Ebstein)
Einige haben den Durchblick! Andere hängen im Nebel und Verschwörungstheoretiker/ innen hatten es sowieso nie leicht!.. cathari

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