Nervenkrieg in Genf
Ein Hauptakteur fehlte bei der Wiederaufnahme der Syrienkonferenz unter der Ägide der Vereinten Nationen am Dienstag in Genf: das Assad-Regime. Die syrische Regierung verschob die Entsendung einer Delegation ohne Angabe von Gründen auf heute, Mittwoch, nachdem sie ihre Absichten lange verschleiert hat. Das ist Teil eines Nervenkriegs, mit dem Damaskus die anderen Konferenzteilnehmer zu verunsichern trachtet. Für die syrische Regierung läuft aber auch nicht alles nach Wunsch.
Auftakt hinter verschlossenen Türen
Missfallen erregt in Damaskus vor allem die Straffung der von Saudi-Arabien unterstützten Opposition. Vergangene Woche gründeten rund 150 Syrer in Riad ein „Verhandlungskomitee“, das das bisherige „Hohe Verhandlungskomitee“ ersetzt. Es zählt 36 Mitglieder, darunter die von Russland gesteuerte „Moskauer Plattform“ und die „Plattform von Kairo“. Beide verlangen nicht den Rücktritt des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad als Vorbedingung für Friedensgespräche. Sie verfügen aber innerhalb des neuen „Verhandlungskomitees“ über keine genügende Sperrminderheit, um Beschlüsse zu verhindern.
In Genf konferierte das „Verhandlungskomitee“ der Assad-Gegner aller Schattierungen am späten Nachmittag erstmals mit dem UN-Vermittler Staffan de Mistura. Am Morgen hatten sich die Vertreter der fünf Ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrats (USA, Russland, China, Frankreich, Grossbritannien) hinter verschlossenen Türen getroffen.
Diskussionen ohne Vorbedingungen
Auf dem Papier scheint die Verhandlungsposition des syrischen Widerstands gegen das Assad-Regime gestärkt. Ihre grösste Schwäche bestand bisher in ihrer Zerstrittenheit, von der die Regierung profitierte. Der bisherige Vorsitzende Riyad Hidschab, ein ehemaliger syrischer Premierminister, wurde durch den flexibleren Kardiologen Nasr Hariri ersetzt. Hidschab hatte sich beschwert, man habe ihn zu Zugeständnissen gegenüber Assad zwingen wollen. Hariri hingegen erklärte vor der Presse, er sei zu Diskussionen ohne Vorbedingungen über alle Themen bereit, die auf dem Verhandlungstisch liegen. Dazu gehört wohl auch die künftige Rolle Assads.
Auf dem Terrain stellt sich die Lage für die syrische Opposition nicht sehr günstig dar. Mit tatkräftiger militärischer Hilfe Russlands und Irans haben die Regierungstruppen bedeutende Geländegewinne erzielt. Dass der bewaffnete Widerstand sie zurücktreiben könnte, ist unwahrscheinlich. Unter diesen Umständen kann der Krieg noch lange andauern. Er hat in mehr als sechs Jahren etwa 330’000 Todesopfer und elf Millionen Flüchtlingen zur Folge gehabt, von den materiellen Schäden ganz zu schweigen. Nach den UN-Hilfswerken leiden 5,6 Millionen Menschen unter bitterster Not. An einen Wiederaufbau ist nicht zu denken, solange die Kämpfe anhalten.
Selbstloser Putin?
Auf dem Genfer Verhandlungstisch, sofern man die getrennten Gespräche zwischen den Konfliktparteien mit dem UN-Vermittler so nennen kann, stehen vier „Körbe“: die Bildung einer „glaubhaften und breiten Übergangsregierung“, die Schaffung einer neuen Verfassung, die Abhaltung freier Wahlen unter Kontrolle der UN und der „Kampf gegen den Terrorismus“. Der letztgenannte „Korb“ wurde als Zugeständnis an die Regierung in Damaskus dem ursprünglichen UN-Plan hinzugefügt. Das Assad-Regime hatte jahrelang versucht, den Kampf gegen Terroristen, zu denen seiner Ansicht nach alle bewaffneten Widerstandsgruppen gehören, zum einzigen Ziel der Genfer Syrienkonferenz zu erheben.
Die Stimmung unter den Konferenzteilnehmern und Beobachtern ist eher gedrückt. Niemand erwartet einen Durchbruch. Fragen wirft auch die Haltung Moskaus auf. Wladimir Putin hat sich vor einer Woche bei seinem Treffen mit den Präsidenten der Türkei und Irans in Sotschi als Gastgeber eines syrischen „Volkskongresses“ angeboten. Daran sollen „die Regierung, die Opposition und alle ethischen und politischen Komponenten des Landes“ teilnehmen. Putin wolle mit seinem Vorschlag keineswegs die Genfer Syrienkonferenz umgehen, beteuerte er, sondern „stimulieren“. So viel Selbstlosigkeit nimmt dem hart gesottenen Politiker aber kaum jemand ab.
Das Beste was Syrien passieren kann ist, dass KSA und der Iran das Interesse an ihrem in Syrien geführten Stellvertreterkrieg verlieren und aufhören Geld, Waffen und Halsabschneider dorthin zu schicken.
Lieber Herr Simonitsch,
Ihr Bericht verunsichert mich:
woher stammen die Informationen, dass Damaskus, also die syrische Regierung, einen Nervenkrieg gegen die anderen Konferenzteilnehmer mache.
Wer sind die 150 Syrer, die in Riad ein „Verhandlungskomitee gründeten? Von wem werden sie unterstützt?
Wer ist die syrische Opposition (ich nehme an zu der syrischen Regierung), von der Sie sprechen? Es gibt so viele, die vielleicht unter diesen Begriff fallen: Regierungen, Terroristen, Rebellen, gemässigte Rebellen und weiss ich nicht wer noch.
Ich bin unterdessen so misstrauisch geworden, wem man glauben soll. Vor allem weil ich aus den 90er Jahren immer noch die Aussagen leitender US-Amerikaner in Erinnerung habe, die von ihren Plänen der regime changes im Nahen Osten sprachen.
Liebe Frau Vischherr Strebel, wenn ich das Hin und Her der syrischen Regierung über ihre Teilnahme an der Konferenz als Nervenkrieg bezeichne, so ist das meine journalistische Freiheit. Eine Kuscheldiplomatie kann man die Vorgänge wohl kaum nennen. Die politische Ausrichtung der 150 Oppositionsvertreter bei dem von Saudi-Arabien veranstalteten Treffen in Riad habe ich beschrieben. Mit einer umfassenden Liste dieser Leute und ihren Biographien kann ich in diesem Rahmen leider nicht dienen.