Leerstehende Wohnungen und Büroflächen

Christoph Zollinger's picture

Leerstehende Wohnungen und Büroflächen

Von Christoph Zollinger, 13.01.2018

Baukräne überziehen unser Land – wir haben uns längst daran gewöhnt. Doch die Nachfrage geht zurück, Wohnungs- und Büroleerstände steigen rasch. Und dann?

Wann die Immobilienblase in der Schweiz platzen wird, ist eine Frage, die niemand beantworten kann. Dass sie platzen wird, diese Behauptung hingegen lässt sich verantworten. Wer durchs Land fährt, konstatiert eine immense Bautätigkeit im Wohnbausektor, obwohl sich die Leerstände von einem Rekord zum nächsten nach oben bewegen.

Es wird zu viel gebaut

Gegenüber dem Vorjahr sind die Leerwohnungsbestände um 15 Prozent gestiegen. Gemäss dem Bundesamt für Statistik stehen aktuell rund 65’000 Wohnungen leer. Zudem ist die Leerwohnungsziffer im achten Jahr in Folge angestiegen und das Wachstumstempo hat sich beschleunigt. Zum Vergleich: 2015 wurden 53’000 neue Wohnungen gebaut.

Warum dieser Immobilien-Run?

Einer der Hauptgründe dürfte das historisch sensationell tiefe Hypothekarzins-Niveau sein. Wer für Bauinvestitionen oder anschliessend Hypotheken weniger als ein Prozent Zins im Jahr bezahlen muss, rechnet eher ein- als zweimal. Dabei werden im Privatsektor wohl die zu bezahlenden Hypothekarzinsen im Fokus stehen, diese, so wird geplant, sind lächerlich tief im Vergleich zu Wohnungsmieten.

Was weit weniger beachtet wird, ist der Kaufpreis der Immobilie, Preise, die in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen sind und sich in wenigen Jahren vielerorts fast verdoppelt haben. Steigen dann am Tag X die Hypozinsen und/oder sinken gleichzeitig die Immobilienpreise, platzt eben die Blase. Plötzlich ist die Hypothek höher als die dann neu bewertete Immobilie. Nachzahlungen (Abbau der Hypothek) werden seitens der Hypothekenverleiher verlangt; steigen zudem die Hypozinsen um nur ein Prozent, bedeutet das zurzeit eine Verdoppelung der Zinsbelastung.

Nachdem auch institutionelle Anleger, mangels Alternativen, auf den MFH-Bau ausgewichen sind, um in Zeiten des Anlagenotstands vermeintlich „sichere“ Renditen zu erwirtschaften, dürfte auch dort das Erwachen eher unsanft sein. Abschreiber statt Renditen drohen. Damit hat sich der Markt hochgeschaukelt, obwohl seit längerem die Schweizerische Nationalbank, sowie die relevanten Indizes der CS oder der UBS immer lauter vor Überhitzungsanzeichen warnen.

Warnungen in den Wind geschlagen

Verschiedene Marktbeobachter warnen seit einiger Zeit. Wenn jährlich 5000 bis 6000 Wohnungen zu viel gebaut werden, könnte es zu einer Krise kommen, sollte ein starker Zinsanstieg eintreten, meint Fredy Hasenmaile, Leiter Immobilien-Analyse CS. Auch der Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann erhebt den Warnfinger und erinnert an den Immobiliencrash der 1990er Jahre, der die teuerste Bankenkrise nach sich gezogen hatte. Seiner Schätzung nach mussten damals die Steuerzahler etwa ein Prozent des BIP bezahlen, um die Verluste zu decken. Betroffen waren Grossbanken (Bank Leu, Volksbank) und kleine Banken (z. B. Spar- und Leihkasse Thun), aber auch staatliche Kantonalbanken, Pensionskassen und Versicherungen. In Bern, Genf und Waadt musste der Kanton als Kreditgeber in letzter Instanz (Lender of Last Resort) einspringen.

Wie eine Herde Schafe    

Das Verhalten vieler Immobilienkäufer erinnert stark an die Herde Schafe, die ihrem Leithammel blindlings folgt, Richtung Abgrund. Trotz aller Warnungen wird weiter gebaut und gebaut. Einzelne Regionen im Land stechen besonders hervor. Bei einer durchschnittlichen Leerwohnungsquote von mittlerweile 1,5 Prozent sind extreme regionale Unterschiede festzustellen. So ist die Region Zürich vergleichsweise wenig betroffen (0,2%), dagegen bewegen sich diese Werte im Oberaargau um die 5,2 Prozent. Betrachtet man ausschliesslich den Mietwohnungssektor, wird die Gefahrenrangliste angeführt von Siders im Wallis mit 16 Prozent, vor dem Oberaargau mit 11 Prozent Leerständen.

Gähnend leere Büroflächen

Erstaunen schon die privaten Investoren, sind die institutionellen (u.a. Pensionskassen, Versicherungen und Banken) noch weniger zu verstehen. Deren „Profis“ stecken im Moment auch hunderte von Millionen Franken in „Sanierungen“ von Geschäftsliegenschaften – sie haben schlicht zu viele flüssige Mittel, für deren Deponierung bei der Nationalbank sie 0,75 Prozent Strafzins zu bezahlen hätten. Also investieren sie auf Teufel komm raus, obwohl auf dem Sektor Büroflächen allein in den Städten Zürich, Genf, Bern, Lausanne, Basel inzwischen über 700’000 Quadratmeter leer stehen, was für rund 60’000 Arbeitsplätze reichen würde. Allein im letzten Jahr wurden in der Stadt Zürich 400’000 Quadratmeter neue Büroflächen erstellt.

Aktuelles Beispiel aus dem Glattpark in Opfikon bei Zürich: Gleich 13’000 m2 stehen dort in einem einzigen Bürohaus zur Vermietung bereit, ein weiteres Zeichen für den kritischen Zustand des Zürcher Büromarktes

Die falschen Anreize  

Oben genannte Gründe des Baubooms sind indirekt oder direkt also auch auf die falschen Anreize der gegenwärtigen, aussergewöhnlichen Zinssituation zurückzuführen.

Eine „Schweizer-Spezialität“ und ein besonders tückischer, falscher Anreiz des Hypothekarmarktes ist jedoch seit vielen Jahrzehnten ein starker Treiber des Immobiliensektors: noch immer müssen viele Hypotheken nicht abbezahlt, respektive zurückbezahlt werden. Sie bleiben bestehen, werden weiter vererbt. Kein Problem, meinen Sie? Schweizerinnen und Schweizer sind aus diesem Grund Weltrekordhalter: bei rund 850 Milliarden Franken Schuldenstand macht das durchschnittlich über 100’000 Franken pro Kopf aus. Das sind dann rund 130 Prozent unseres Bruttosozialprodukts (BIP) – damit stellen wir sogar die USA in den Schatten.

Auch hier warnt die Schweizerische Nationalbank (SNB) seit einiger Zeit. Sie erinnert daran, dass drei Viertel der ausstehenden Hypotheken einen Laufzeithorizont von weniger als fünf Jahren aufweisen und somit nach Ablauf zu einem höheren Zinssatz refinanziert werden müssen. „Bei dem sich abzeichnenden Zinsanstieg dürfte damit ein Teil der Immobilienbesitzer mit Hypothek in die Bredouille kommen“ (NZZ). SNB-Vizepräsident Fritz Zurbrügg wies kürzlich darauf hin, dass diese oben genannten 130 Prozent einen klaren Indikator für ein hohes Ungleichgewicht darstellten, da diese Quote in den letzten Jahren deutlich stärker angestiegen sei als das BIP.

In vielen anderen Ländern ist es üblich, dass jährliche Raten-Rückzahlungen der Hypotheken verlangt werden. Damit reduzieren sich oder verschwinden über die Jahrzehnte diese Schulden und ermöglichen den Hausbesitzern ein relativ sorgloses Wohnen.

Die Bauwirtschaft ist in der Schweiz traditionell ein Wirtschafts-Wachstums-Garant. Angesichts der langen Planungszeiten ist es erklärbar, dass die Bremsspuren bei einem Nachfragerückgang lang, sehr lang sind. Deshalb wird auf die Halde gebaut, auch wider besseres Wissen. Die nachlassende Dynamik im Bau dürfte da und dort ungemütliche Folgen zeitigen.

Mietwohnungsbau ist risikoloses Geschäft!
Mit der Personenfreizügigkeit und der offenen Migrationspolitik der Schweiz ist der Nachschub von Wohnbevölkerung praktisch gesichert. Wer den Mietzins nicht zahlen kann, dem hilft der Staat. Auch wenn zeitweise viele Leerwohnungen auf dem Markt sind, ist es nur eine Frage der Zeit bis diese belegt werden. Die Verbetonierung der Schweiz geht ungebrochen weiter.

Danke Herr Zollinger,

Warum gibt es in der unendlichen Zinsflauten Zeit keine Fair-Interest Raiffeisen oder Kantonalbank, die einen Teil unserer unserer CH-Pensionskassengelder zu einem festen und fairen 10 Jahreszins verzinst und mit einer fairen Marge als CH- Hypothek zu einem fairen 10 Jahreszins ausleiht? Kann man fair nicht sinnvoll definieren oder begrenzen?
Mit freundlicher Hochachtung
Valentin Steinegger

Eigenmietwert endlich abschaffen, die bringt nur den Banken Vorteile. Dann sinkt auch die private Weltrekordverschuldung. Nur nicht noch mehr Eingriffe und Regulierungen. Die Eingriffe in die Leitzinsen haben weltweit schon eine gewaltige Superblase geschaffen, in den Immobilien- und Aktienmärkten. Politik und Nationalbanken müssen sich endlich zurücknehmen.

Trotz den vielen leeren Büros und teuren Wohnungen investiert auch die SBB AG in Büroburgen und Luxuslogen, in der Europaallee in Zürich in Luxusappartements und in Zürich-Oerlikon zieht sie den Andreas und der Franklin Tower hoch, zwei riesige Büroburgen, obwohl in Zürich und Umgebung sehr viele Büros leer stehen und günstige Wohnungen kaum zu finden sind. Auch wenig Verdienende SBB-Angestellte haben Mühe in Zürich eine Wohnung zu finden.

Der Profitmaximierung bei der SBB AG sollten Grenzen gesetzt werden. Öffentliche Betriebe müssten gesamtwirtschaftliche Aspekte berücksichtigen, sollten sich nach dem Gemeinwohl richten, nicht nach einer engstirnigen Gewinnmaximierungs-Ideologie von Spekulanten.

Die Basellandschaftliche Zeitung schreibt: «Es gibt mehr Obdachlose in der Schweiz, als die meisten glauben. Eine Studie des Bundesamts für Statistik zeigt, dass jeder 13. Schweizer als arm gilt. Viele Leute können sich ihren Lebensunterhalt nicht mehr leisten. Die meisten müssen aus ihren Wohnungen ausziehen, weil die Mieten zu teuer sind. Wohnungen für Leute die finanziell schlecht dastehen, gibt es zu wenige.

In der Schweiz sind heute über 2,249 Millionen Quadratmeter Bürofläche zur Miete ausgeschrieben. Das ist circa eine Fläche von 22'249 4-Zimmerwohnungen à 100 Quadratmetern. Die 2,249 Millionen Quadratmeter leerstehenden Büroflächen stellen eine ungeheure Verschwendung dar. Umso unverständlicher ist es, dass die SBB AG, ein öffentliches Unternehmen, immer noch Bürohäuser baut. Auch Läden und Gastronomieflächen, die in den Andreas und Franklin Türmen in Zürich-Oerlikon jetzt vorgesehen sind, braucht es eigentlich nicht. Rund um den Marktplatz in Zürich-Oerlikon und in Zürich Nord hat es genügend Läden und Restaurants. In den beiden neuen Bahn-Unterführungen und dem alten Bahnhof Oerlikon wurden kürzlich schon über 29 neue Läden und Gastrobetriebe eröffnet.

Auch die Pensionskasse der SBB AG folgt heute modernen unternehmerischen Grundsätzen bei Investitionen. Sie investiert aus Profitgründen, skrupellos auch in Firmen die Kriegsmaterialien herstellen, die sogar verbotene Waffen, wie Atomaffen, Streubomben und Antipersonenminen produzieren. Die Gewerkschaft der Eisenbahner der SEV protestiert dagegen nicht, druckt nicht einmal Leserbriefe von Gewerkschaftsmitgliedern zu diesem Thema in der Gewerkschaftszeitung ab.

SRF Archiv

Newsletter kostenlos abonnieren