Verwandlungskünstler
Die beste Formel für diese Verwandlung hat gerade eben Horst Seehofer gefunden. Er sagte vor der Presse in Berlin: „Wir haben verstanden.“ Er wird jetzt Innenminister. Nach herben Wahlniederlagen und den Attacken seines Widersachers Markus Söder musste er ohnehin in München den Platz räumen. Was hat er denn nun verstanden? Noch in rauchenden Trümmern den Helden zu geben.
Martin Schulz hat auch verstanden. Er wird jetzt Aussenminister. So man ihn lässt. Der vor einem Jahr mit 100 Prozent gewählte Parteivorsitzende der SPD muss nun an der Basis seiner Partei um seinen Alterssitz kämpfen: erst Parlamentspräsident der Europäischen Union, dann Vorsitzender einer regionalen Partei, genannt SPD. Und jetzt als Ruhesitz Aussenminister eines Mitgliedslandes der EU: Iron Man der Niederlagen.
Und Angela Merkel? Die fällt nicht auf, denn sie war schon immer eine Verwandlungskünstlerin. Sie ist lernfähig bis zum Identitätsverlust. Dieses Lernvermögen hat sie der CDU beigebracht. Nun bleibt sie Kanzlerin. Kanzlerin?
Während auf der politischen Bühne die Verwandlungskünstler aus dem Vollen schöpfen, staunt das Publikum der Wähler. Denn die Abgewählten sind wie resistente Keime. Man wird sie nicht los. Die Wähler wählen und wählen, und die Politiker bleiben und bleiben. Ein merkwürdiges Zusammenspiel.
Diese nicht mehr abwählbaren Politiker werden wieder und wieder erzählen, wie wunderbar die Demokratie funktioniert. Da haben sie sogar recht. Denn was an ihrer Stelle käme, wäre noch trostloser. Dann lieber diese Verwandlungskünstler.
Kleiner Nachtrag: Inzwischen frisst das "Groko-dil" schon seine eigenen Kinder. Martin Schulz ist sein hinterlistiger Putschversuch gegen Aussenminister Gabriel voll ins Gesicht (mit Haaren...) explodiert. Er ist weg – als SPD-Chef und als Aussenminister gleichermassen. Neuer starke Mann in der SPD ist nun Olaf Scholz, der (zum Schrecken der CDU) als Finanzminister vorgesehen ist. Aber die GenossInnen haben das Posten-Geschacher immer mehr satt: Die Hoffnungen auf ein Nein in der SPD-Urabstimmung zum ganzen Groko-Spuk steigt zum Glück. N. Ramseyer, BERN
Sehr schön und treffend beschrieben!
So schauerlich wie widerlich diese Verwandlungskünstler wie Wendehälse ihre Show abziehen; der Pöppel schaut zu und spendet Applaus. 53% der Deutschen finden, dass Frau Merkel einen guten Job macht. Applaus, Applaus . . . . . . :-(
Das haben Sie nun aber präzise erkannt und ganz schön formuliert, Herr Wehowsky! Nur Ihrer Schlussfolgerung ist kaum zu folgen: Denn, "was kommt" nun mit dieser neuen, noch schwächeren Groko? Es kommt der endgültige Ruin der SPD (aufgesogen im Polit-Schwamm Merkel). Konkret ein weiteres Abschmelzen der Wählerschaft auf gegen 10%. Dabei hätten die SPD-Leute ja "aus der Geschichte lernen" können. Schon vor der letzten Groko waren die BossInnen der Partei eindringlich gewarnt worden. Damals hatte sogar Herr Welke in seiner Heute-Show dazu aufgerufen, in die SPD einzutreten, um Nein zu stimmen – genau wie heute erneut der sehr überzeugende Chef der Juso, Kevin Kühnert. Doch die SPD-Magistralsozialisten (von Gabriel bis Nahles) konnten den Verlockungen der Macht-Pöstchen (vom schönen Büro über gratis Luxus-Reisen weltweit bis zur "Fahrbereitschaft" mit Chauffeur im 12 Zyl. Mercedes) nicht widerstehen. Sozialdemokratisch haben sie seither kaum etwas erreicht (haben aber Herrn Erdogan jene Leo 2 Panzer liefern helfen, mit denen dieser Despot nun die Kurden im Norden Syriens – und im Osten seines Reiches sowieso – plattwalzt und zusammenschiesst). Haben sogar auch deutsche Truppen "zu Herrn Erdogans Schutz vor dem bösen Assad" (so ein Unfug!) an der türkischen Südgrenze stationieren helfen. Wen wundert s ob derlei geradezu menschenfeindlicher (Aussen)Politik, dass ihre SPD, der diese Machtmenschen ihre Pöstchen letztlich verdanken, derweil unter ihren Ministersesseln geradezu zerbröselt ist – von über 30 auf noch 18 % WählerInnenanteil. Aber "die tun es immer wieder" (falls die SPD-Basis sie nun nicht doch noch endlich stoppt!). Nein, solche Leute sind nicht einfach "Verwandlungskünstler": Es sind traurige OpportunistInnen und rückgratlose Anpasser. "Die Groko ist damit abgewählt" gelobte SPD-Schulz nach der klatschenden Niederlage dieses Konstrukts am Wahlabend. Und versprach eine wieder klar von der trüben Groko-Suppe unterscheidbare, profilierte SPD in der Opposition. Später versicherte er öffentlich "niemals" werde er Minister in einer Merkel-Regierung (was einleuchtet, wenn man die oben dargelegten Folgen für seine Partei und ihre Basis begriffen hat?). Und jetzt: Die SPD-Oberen haben einen Groko-Vertrag mit CDU und CSU unterschrieben in dem sie fast alle dringenden Anliegen ihrer Basis erneut verraten. Niklaus Ramseyer, BERN