Feminismus ist Feminismus
Journal21.ch will die Jungen vermehrt zu Wort kommen lassen. In der neuen Rubrik „Jugend schreibt“ nehmen Schülerinnen und Schüler des Zürcher Realgymnasiums Rämibühl regelmässig Stellung zu aktuellen Themen.
Michael Klein ist sechzehn Jahre alt und besucht das IB-Profil am Realgymnasium Rämibühl. Debattieren und Diskutieren sind zwei seiner Leidenschaften. Letztes Jahr gewann er am International Young Naturalist’s Tournament (IYNT) in China als Mitglied der Schweizer Delegation die Goldmedaille. Seine Freizeit verbringt er entweder auf dem Tennis- oder auf dem Fussballplatz.
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„Feminismus bedeutet ‚Gleichberechtigung aller Menschen’ – und wenn du mir nicht zustimmst, liegst du falsch.“ Dies ist die pointierte Aussage einer befreundeten Ivy- League-Schülerin. Sie ist bei weitem nicht die einzige, die so denkt und argumentiert. Gleichberechtigung zwischen allen Menschen? Eine verlockende und auf den ersten Blick überzeugende, aber grundsätzlich naive Idee. Thomas Jefferson, der ehemalige Präsident der USA, fasst es wohl am treffendsten zusammen: „Nothing is more unequal than to treat unequals equally.“
Ein Beispiel zur finanziellen Gleichberechtigung zwischen den beiden Geschlechtern illustriert diesen Punkt: Bei einer lebenslangen Rente stellt sich die Frage, ob Frau und Mann, unabhängig von der Lebenserwartung, Anspruch auf das gleiche Jahreseinkommen haben. Der Staat setzt diese Idee bei der AHV um, denn er kann es sich (noch!) leisten. Doch muss ein Mann beim Kauf einer lebenslangen Privatrente den gleichen Betrag hinblättern wie die erwartungsgemäss länger lebende Frau? „Das ist ja wohl nicht ihre Schuld“, klingt es aus der feministischen Ecke. Und wie so oft geht es ihnen nur um die Frau, nicht um alle.
Im Oxford Dictionary findet sich die folgende Definition: „Feminismus ist die Fürsprache von Frauenrechten auf der Basis der Gleichberechtigung der Geschlechter.“ Diese Grundidee finde ich absolut in Ordnung und sie ist geschichtlich begründbar, denn das Pendel schlug bei uns vor noch nicht allzu langer Zeit weit in die Richtung einer patriarchalischen Gesellschaftsnorm. Zweifellos sind bis heute viele notwendige Anpassungen und Verbesserungen geschaffen worden, gerade weil für Frauenrechte gekämpft wurde. Störend ist lediglich der Deckmantel, dass es sich dabei um Gleichberechtigung zwischen allen handle. Feminismus ist Feminismus.
Momentan sollen Geschlechterquoten die Gleichberechtigung liefern: Aber erzielt eine Quotenregelung wirklich die geforderte Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern? Es gibt unzählige Situationen in Bereichen, bei denen sich die eine oder genauso gut der andere benachteiligt fühlen könnte: Schulsystem, Berufswahl, Militär, Kindesunterhalt, Stellensuche, Sport, etc. Genauer betrachtet ist die Frauenquote ein feministischer Wunsch, welcher sich auf das Ende eines Auswahlprozesses bezieht. Wegen grossem Druck von feministischer Seite fühlen sich Firmen, Universitäten und andere verpflichtet, mehr Frauen aufzunehmen, als sie eigentlich sollten. Es wird oft gesagt, dass es in der Wirtschaft mehr Führungspersonen brauche, die weiblich sind.
Diese Einstellung ist meiner Meinung nach das fundamentale Problem, denn es ist unlogisch, das Endresultat zu definieren, bevor die Anfangssituation studiert wurde. Es bedarf nicht mehr Managerinnen, sondern mehr Frauen, die qualifiziert sind, eine Firma zu leiten. Erreichen kann man dies mit der Schaffung gleicher Chancen. Idealerweise werden beide Geschlechter so früh wie möglich in einer Art und Weise ausgebildet und gefördert, dass sie ihr Potenzial voll ausnutzen und sich optimal entwickeln können. Wenn demzufolge am Anfang einer Wahl zu einer leitenden Position in einer Unternehmung oder einer akademischen Rolle an einer Ausbildungsstätte eine Chancengleichheit entstanden ist, so soll man sich für die besser geeignete Person entscheiden. Oder drängt sich wegen einer Quotenregelung eine Entscheidung für eines der Geschlechter auf? Wie muss sich dann die oder der Benachteiligte fühlen? Das kann nie und nimmer „für alle gerecht“ sein.
Für mich ist klar, dass Feminismus einfach Feminismus ist und für den Kampf der Frauenrechte steht. Solange dieser zur Chancengleichheit beider Geschlechter führt, stehe auch ich voll und ganz dahinter.
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Verantwortlich für die Betreuung der jungen Journalistinnen und Journalisten von „Jugend-schreibt“ ist der Deutsch- und Englischlehrer Remo Federer (r.federer@rgzh.ch).
Das Realgymnasium Rämibühl (RG, bis 1976 Realgymnasium Zürichberg) ist ein Langzeitgymnasium. Es ist neben dem Literargymnasium die einzige öffentliche Schule des Kantons Zürich, die einen zweisprachigen Bildungsgang in Verbindung mit dem International Baccalaureate anbietet, wobei die Fächer Geographie, Biologie und Mathematik auf Englisch unterrichtet werden. Zu den berühmten Schülern gehören Max Frisch und Elias Canetti.
Weitere Informationen finden sich auf der Homepage www.rgzh.ch
Um als Frau erfolgreich zu sein, muss sie doppelt so gut sein wie ein Mann.
Zum Glück ist das nicht allzu schwierig.
Gratuliere zu Ihrem Selbstvertrauen! . ...und auch zum Humor.
Lieber Michael Klein
Auch ich begrüsse es sehr, wenn junge Menschen in der Lage sind, die eigene Meinung so eloquent und differenziert zum Ausdruck zu bringen. Allerdings muss ich aber auch meinen Unmut über Ihren Beitrag zum Ausdruck bringen. Haben Sie eine Ahnung, wie viele Mühen hinter dem bisschen Gleichberechtigung stecken, das wir Frauen uns in den vielen Jahrzehnten der patriarchalischen Willkür erkämpft haben? Und ist es denn erstaunlich, dass auch die Frauen mittlerweile erkannt haben, wie man in dieser Welt vorgehen muss? Vernüftige Forderungen finden doch kein Gehör! Zum politischen Taktieren gehört es halt leider, dass man bisweilen über das Ziel hinausschiessen und Prinzipien über Bord werfen muss, um zumindest einen Teil der eigenen Ziele in Form eines Kompromisses verwirklichen zu können. Zumindest das haben wir in dieser Welt, die eine von Männern dominierte Welt ist, lernen müssen. Seien Sie also nicht so streng mit uns.
Erfreulich, wenn sich junge Menschen einem Thema annehmen und sich eine akzentuierte, eigene Meinung dazu bilden.
Anstelle der Quotenregelung setzt sich Michael Klein für eine chancengleiche Ausbildung und Förderung von Mann und Frau ein.
Dann würde sich das Quotenproblem von selbst lösen. Das Schweizer Bildungssystem erfüllt m.E. heute diese berechtigte Forderung. Dass trotzdem grosse Ungleichheiten in Führungspositionen bestehen, ist m. E. auch darauf zurückzuführen, dass die Kinderbetreuung nachwievor zu einem bedeutenden Teil mehr von den Frauen geleistet wird. Und ein weiterer Grund sind männliche Seilschaften und weiterhin patriarchale Restbestände im Denken der Männer.
Ob allerdings Feminismus wirklich die Gleichberechtigung aller Menschen meint? Schon der Begriff sagt doch offen und ehrlich, dass das 'feminine' im Blick liegt.
Lieber Michael
herzlichen Dank für diesen gelungenen Beitrag! Heutzutage nennt man Ihre stringente Analyse wohl „politically not correct“. Schön, dass man und frau so etwas allen Unkenrufen zum Trotz noch lesen darf. Bleiben Sie mutig, ehrlich und unbeirrbar und misstrauen Sie allen, die ihr Handeln mit „Gerechtigkeit“
zu rechtfertigen suchen.
M. Bamert, Luzern