Falsch und ungerecht
Nein, man kann den Krankenkassen nicht immer neue Lasten aufbürden. Die Frage, wie Angehörige von Schwerst- und Chronischranken unterstützt werden könnten, muss aber erlaubt sein. Ein Artikel der NZZ vom 7. August zeigte diese Problematik am Beispiel der Betreuung von Alzheimer-Patienten auf. Kurz gefasst sieht die Lage so aus, dass Krankenkassen und öffentliche Hand bei einem Heimeintritt einen Grossteil der Kosten übernehmen müssen.
Nicht so bei einer Rundumbetreuung in der eigenen Familie. Dort müssen nur die üblichen Arztkosten sowie die Pflegeleistungen der Spitex vergütet werden; alle anderen Aufwendungen bleiben an den Patienten und ihren Angehörigen hängen. Das ist nicht nur ungerecht, es schafft auch falsche Anreize. Denn teurer zu stehen kommt ein Heimaufenthalt die Versicherer allemal.
Was in dem NZZ-Artikel am Beispiel von Demenz-Patienten dargelegt wurde, gilt aber auch für all jene Familien, die einen Schwerstkranken zu sich nachhause holen und ihn bis zu seinem Tod in den eigenen vier Wänden pflegen. Sie stehen meist vor der Wahl, sich bis zur totalen Erschöpfung zu verausgaben oder aber für teures Geld private Pflegedienste in Anspruch zu nehmen. Liessen sie den Kranken – oft gegen seinen Willen – im Spital, hätten sie dieses Problem nicht. Sie müssten dann allerdings mit dem Bewusstsein leben, dem Sterbenden seinen letzten Wunsch nicht erfüllt zu haben.
Dass die Folgen dieser Fehlentwicklung nicht von den Krankenkassen allein getragen werden können, versteht sich von selbst. Was es hier braucht, ist ein Umdenken in der Gesundheits- und Alterspolitik. Dazu gehören neue Finanzierungsformen, die Gerechtigkeit für die Angehörigen schaffen und falsche finanzielle Anreize gar nicht erst aufkommen lassen.
Einer meiner Angehörigen ist an Krebs erkrankt. Nun musste er trotz seines schlechten Gesundheitszustandes aus dem Spital austreten, um die Ambulante Behandlung von der Krankenkasse bezahlt zu bekommen. Eine stationäre Behandlung wäre von der Kasse nicht übernommen worden. Einfach nur Unsinn auf Kosten der Kranken zu sparen und den Angehörigen solche Lasten aufzubürden. Der notfallmässige Transport per Krankenwagen war durch die Krankenkasse wieder gedeckt; aber dass Menschen durch solche Unsinnige Regeln Sterben können interessiert wenig.
Ist es nicht so, dass sich aktuelle Finanzierungsformen des Umverteilens von unten und von der ganzen grauen Masse, die alle Krankenkassenprämien zahlen müssen, zu den Bossen und Eliten der Politik und der Versicherungs- und Gesundheitssystem -Moloche noch dadurch auszeichnen, dass sie die extrem hohen Pflegekosten durch amtliches Einziehen der Vermögen und des Besitzes der zu Tode Pflegenden am Ende derer Leben vergüten lassen? Also dass die Versterbenden zuerst das Leben lang gearbeitet und Privatvermögen, Haus und Besitz erschafft haben, die Familien und Angehörigen aber für die massiven Krankheits-Kosten schlussendlich wieder alles versilbern müssen. Bloss den zusätzlich selber erbrachten Pfegeaufwand können sie bei Mittellosigkeit mit einem vergleichbaren Stundenansatz von ca. Fr. 50.- den eigenen Familienmitgliedern nachher wieder in Rechnung stellen. Dies kann sich insbesondere dann lohnen, wenn nach dem Ableben des Angehörigen noch Erbteilungsansprüche zu eigenen Gunsten verrechnet werden können. Um sich alles alleine unter den Nagel reissen zu können, wird gemäss der Spezialistin Ordenschwester Bernadette Brommer sinngemäss üblicherweise immer nach etwa dem gleichen Plan vorgegangen, über was die Behörden, Ärtze, Psychiater, Spitex, SozialarbeiterInnen und alle Angehörigen zur Aufklärung und Prävention dringend unterrichtet werden müssen:
1. Die Erblasser werden in ihrem Haus sozial und von den anderen Angehörigen isoliert.
2. Das Telefon wird nicht mehr abgenommen.
3. Anrufe und Besuche ohne vorherige Anmeldung werden verboten, "um sie zu schonen".
4. Die anderen Angehörigen werden dem Erblasser "schlecht" gemacht, herab gewürdigt und verleumdet.
5. Sich selber (und die Enkel etc.) werden als die Guten dargestellt, die den zu Pflegenden nur Gutes tun und sich für sie aufopfern.
6. Wenn die Betreuenden vergesslich oder dement werden, werden sukzessive auch alle Zahlungen und Entscheidungen über den Besitz und die Existenz übernommen, ohne die anderen Angehörigen zu fragen oder zu informieren.
7. Daraus entstehen weitere Schuldgefühle des Betreuten gegenüber der BetreuerIn und ihrer Partei, die sie vermeintlich so gut umsorgen und alles für sie machen.
8. Darauf wird subtil weiter Druck aufgesetzt, das Pflegen und Aufopfern wieder gut machen zu müssen, mit exklusiv Erbe, Haus, alles schlussendlich den Betreuern zu über- schreiben -lassen.
9. Durch die Überbetreuung und "alles abnehmen", die Bevormundung, wird zum noch schnelleren Abbau und vorzeitigen Tod mit Alleinerbgang weiter beigetragen.
Mit informierten Bürgern und Behörden können solche falschen finanziellen Anreize verhindert werden, neue Finanzierungsformen gefunden und Gerechtigkeit für die Angehörigen geschaffen werden.