Das Fuder nicht wieder überladen

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Das Fuder nicht wieder überladen

Von Markus Schärli, 03.09.2018

Dass die Steuer auf den Eigenmietwert eine ungerechte und zudem volkswirtschaftlich schädliche Steuer ist, ist für die meisten Ökonomen eine Binsenwahrheit.

Deshalb unternimmt das Parlament einen neuen Versuch sie abzuschaffen. Allerdings droht man auch diesmal wieder, das Paket so komplex zu schnüren, dass es scheitert.

Die Abschaffung des Eigenmietwertes ist schon mehrmals gescheitert. Der Grund ist klar. Die Interessengruppen wollten jedes Mal noch dies und das in die Vorlage reinpacken, bis diese ungeniessbar für eine Mehrheit wurde.

Auch jetzt wieder will die Kommission keinen reinen Systemwechsel umsetzen. Das ist aus bürgerlich volkswirtschaftlicher Sicht unverständlich. Man wird den Eindruck nicht los, dass einige Leute aus reiner Gier und Partikularinteressen einmal mehr die Stabilität der Volkswirtschaft hintertreiben.

Dabei wäre es recht einfach. Zuerst ist der Eigenmietwert ohne Wenn und Aber abzuschaffen und natürlich auch alle damit verbundenen Privilegien, wie Schuldenabzug und Abzug von Unterhaltsarbeiten. So wie es sich mit allen anderen Vermögenswerten auch verhält. Man zahlt keinen Ertrag, wo es keinen Ertrag gibt, und kann auch nichts abziehen. Egal ob jemand in die vielzitierte Segeljacht, die Kunstsammlung oder in die Ferien investiert.

Grundsätzlich sollte es dem Staat in einer demokratischen Volkswirtschaft mehr oder weniger egal sein, wie die Bürgerinnen und Bürger ihr Geld ausgeben.

Nun kann es durchaus sinnvoll sein, gewisse Ausgaben zu privilegieren, weil sie volkswirtschaftlich nützlicher sind als andere. Die Weiterbildung ist so ein Beispiel oder eben auch der Besitz von Hauseigentum. Denn verbreitetes (abbezahltes) Hauseigentum führt erwiesenermassen zur Stabilität der Haushalte und trägt letztlich auch zur Stabilität der Volkswirtschaft bei.

Nur darf das eine mit dem andern nicht vermischt werden.

Der Eigenmietwert ist ein volkswirtschaftlich schädlicher Systemfehler.

Ob man das Hauseigentum fördern will, für wen, wie stark, wie lange usw. ist ein politischer Entscheid, der mit systembedingten Mängeln nichts zu tun hat. Diese Frage muss deshalb separat behandelt werden. In diesem Bereich können Politiker auch durchaus Pakete schnüren, denn letztlich geht es bei diesen Fördermassnahmen immer um die Umverteilung von Steuergeldern und da weiss man aus Erfahrung, dass kaum etwas zu kriegen ist für die Zielgruppe einer Partei, wenn die andere Partei ihren Anhängern nicht auch etwas verteilen darf.

Entscheidend aus volkswirtschaftlicher Sicht ist der Systemwechsel, welcher das schädliche Relikt des Eigenmietwerts beseitigt. Ein Systemwechsel, der sparsame und vorausschauende Bürgerinnen und Bürger, die sich ein Haus kaufen und die Schulden amortisieren, nicht benachteiligt gegenüber Bürgerinnen und Bürgern, welche in Saus und Braus leben und sich schöne Dinge leisten, bei welchen der Staat auf den Eigenmietwert verzichtet.

Der Moment für den Wechsel war schon lange nicht mehr so gut, dank der tiefen Zinsen. Der Wechsel würde – mit einer cleveren Übergangsregelung – für die Haushalte und den Staat ein Nullsummenspiel und somit finanziell tragbar und politisch umsetzbar. Abzuwarten ist, ob die Politiker diese einmalige Chance zu packen wissen und den Bürgerinnen und Bürgern nicht wieder ein unverdaubares „Menu de Berne“ servieren.

Das Fuder wird nicht wieder überladen! Die Kommission für
Wirtschaft für Abgaben des Ständerats (WAK-S), die den
Auftrag erhalten hat, eine Gesetzesvorlage zu einem
Systemwechsel auszuarbeiten, hat keinen "reinen" Systemwechsel vorgeschlagen, weil dieser dazu führen würde, dass Wohneigentümer in bestimmten Situationen steuerlich benachteiligt, d.h. nicht nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert würden. Es handelt sich bei
diesen Wohneigentümern um eine kleine Minderheit aller
Wohneigentümer, deren Rechte aber trotzdem gewahrt werden müssen. Bei der von der WAK-S vorgeschlagenen Lösung könnte die grosse Mehrheit aller Wohneigentümer keine Hypozinsen
und auch keine Unterhaltskosten mehr abziehen, was völlig richtig
ist.

ungerechte steuer? - wenn man dafür die hypothekarschuldzinsen von den steuern absetzten kann - ich kann als mieter keine schuldzinsen abziehen - ist das gerecht?

Wieso kommen bei Eigenmietwert Diskussionen immer die Mieter mit irgendwelchen Forderungen und bemängeln ihren finanziellen Status. Dabei sind sie doch diejenigen, die ohne Sorgen in Mietwohnungen leben und sich kein Eigenheim leisten wollen oder können. Sie wohnen „sorglos“ in Wohnungen und Häusern, die alle einem „Eigentümer“ gehören, welcher alle Risiken und Chancen des Eigentums übernimmt. Gäbe es diese Eigentümer nicht, so müssten sie auch heute noch in Hütten, Höhlen oder auf Bäumen wohnen

Der Eigenmietwert ist gepaart mit einem generös gehandhabten Abzug für Unterhaltkosten.

In den 40 Jahren, in welchem wir in unserem Haus wohnen, haben wir erheblich mehr für Unterhalt ausgegeben, als das Haus einst kostete. Nie ist es vorgekommen, dass uns ein Handwerker gefragt hat, ob wir eine Rechnung wollen oder „netto“ bezahlen. Soviel Rabatt wie der Steuerabzug bringt, kann der Handwerter nicht offerieren.

Wer sich ein wenig mit den Verhältnissen in unserem nördlichen Nachbarland auskennt, um ein konkretes Beispiel zu nennen, dem ist bekannt, dass dort das Bescheissen des Staates ein Volkssport ist. Schwarzarbeit, Abrechnung von Haushaltsgeräten über die Firma, etc, sind die Norm, man brüstet sich damit, es fehlt jegliches Unrechtsbewusstsein.

Wer den Eigenmietwert abschafft muss sich klar darüber sein, dass er die Steuerehrlichkeit torpediert.

Ihre Überlegungen sind wirklich sehr gut! Ihre Argumente sollte man unbedingt im Auge behalten. Im Endeffekt spricht tatsächlich viel gegen die Abschaffung des Eigenmietwertes. Ihr Einwand hat mich jetzt vollends davon überzeugt, es beim alten System zu belassen und höchstens Härtefallregeln Landesweit zu vereinheitlichen, im Zusammenhang mit Rentnern mit wenig Rente aber z.B mit einem abbezahlten Haus.

Warum gibt es ist der ganzen zivilisierten Welt nur in der Schweiz dieses Konstrukt?
Eidgenössischer Kompromiss, diesmal seit Jahrzehnten zugunsten der Kapitalismusabschaffer.
Ich weiss,.eine politisch korrekte Anmerkung.

Die Eigenmietwertbesteuerung ist gerecht, ist doch die Nutzung der eigenen Wohnung ein Ertrag wie jeder andere Vermögensertrag auch. Auch der Abzug von Hypothekarzins und –schuld ist sinnvoll wie der Abzug von anderen Schuldzinsen und Schulden.

In die richtige Richtung geht die Forderung, die Rückzahlung von Hypotheken attraktiver zu machen. Das könnte durch die stärkere Bekämpfung der Steuerhinterziehung erreicht werden. Rückzahlungen von Hypotheken können vor dem Fiskus nicht versteckt werden, ausländische Obligationen hingegen schon. Ein anderer Weg wäre eine dem versteuerten Einkommen flexibel angepasste Versteuerung des Eigenmietwerts.

Als ausgebildeter Finanzplaner und ehemals tätig im Hypothekarwesen, verfolge ich die Diskussion über den Eigenmietwert seit Jahrzehnten und habe auch meine Fragezeichen, ob diese Steuer wirklich sinnvoll ist. In der ökonomischen Diskussion wird der Eigenmietwert aber mehrheitlich verteidigt. Gerade in der NZZ sind in den letzten Jahrzehnten immer wieder ökonomische Aufsätze publiziert worden, die den Eigenmietwert als eine gerechte Steuer verteidigt haben. Man hat Vermögen, sprich Wohneigentum, dass man selbst bewohnt und den Nutzen daraus muss man zu einem reduzierten Ansatz als fiktiven Ertrag versteuern. Bei Wertschriftenbesitz muss der Ertrag auch versteuert werden. Somit verhält sich der Staat steuerlich gesehen Neutral gegenüber der gewählten Wohnform und Vermögenspräferenz. Man kann auch einwenden, dass der Mieter flexibler auf einen sich verändernden Arbeitsmarkt reagieren kann und somit ist das gut für die ökonomische Entwicklung unseres Landes und sein Geld in Aktien, statt in Wohneigentum investieren. Was ökonomisch sinnvoller ist, sollte der Staat dem einzelnen überlassen und nicht mit dem Steuerrecht in eine Richtung lenken. Ob Mieter verschwenderischer und Wohneigentumsbesitzer sparsamer sind, ist schlicht eine unhaltbare, nicht belegte Behauptung. Als ehemaliger Hypothekenberater könnte ich ihnen viele Geschichten erzählen, die ihrer These zu wieder laufen. Persönlich halte ich Wohneigentum in gewissen Umständen für sinnvoll aber man verliert eben viel an Flexibilität, bei veränderten Arbeitsangeboten. Die Abschaffung des Eigenmietwertes ist auch ein gewaltiges Steuergeschenk an die Villenbesitzer des Zürichberges und Zürchichseeufers, die dann mehrheitlich massiv begünstigt werden. Ob eine Umverteilung von unten nach oben gewünscht ist, scheint mir fraglich. Es spricht aus ökonomischer Perspektive viel für die Beibehaltung des Eigenmietwertes. Sicherlich ist die Verschuldungsdynamik im Hypothekarwesen problematisch, diese ist aber vor allem den stark gestiegenen Immobilienpreisen geschuldet. Investitionen in Immobilien hat eben auch eine sehr problematische Seite, viele Finanzkrisen hatten gerade ihren Anfang im Immobilienbereich. Siehe Subrime-Krise in den USA und die haben keinen vergleichbaren Eigenmietwert. Die im Artikel hochgelobte Investition in Wohneigentum, kann volkswirtschaftlich unter gewissen Umständen sehr bedenkliche Folgen haben. Somit sollte sich der Staat tatsächlich Neutral verhalten und niemanden begünstigen. In den USA tat man es und die Folgen waren 2007 und in den folgenden Jahren dramatisch.

Ich möchte noch anfügen, dass sich aus rein steuerlicher Sicht eine Hypothek nicht zurückzuzahlen, sich in den meisten Fällen nicht lohnt. Wenn sie z.B. 6'000 Franken Hypozinsen zahlen und ihr Grenzsteuersatz z.B. 25 Prozent beträgt, dann zahlen sie immer noch 3'500 Franken mehr pro Jahr, als wenn sie keine Hypothek hätten. Dies ist natürlich eine sehr simple Überschlagsrechnund und gerade aus Liquiditätsgründen kann ein stehen lassen einer Hypothek sehr sinnvoll sein. Auch die indirekte Amortisation über die gebundene 3 Säule kann steuerlich attraktiv sein, wenn gewisse Bedingungen erfüllt sind. Wer mit Kapital mehr erwirtschaftet, als er Hypozinsen zahlt, fährt natürlich auch besser. Gerade im Zusammenhang mit Vorsorgegelder und Lebensversicherungen kann eine Beibehaltung einer Hypothek sinnvoll sein. Durch die praktische Nichtverzinsung, haben aber viele dieser Steueroptimierungen ihre Grundlagen verloren. Ausser man geht am Kapitalmarkt hohe Risiken ein. Entscheidend ist immer der sorgfältig abgeklärte Einzelfall. Um auf der sicheren Seite zu sein, lohnt es sich auf jeden Fall seine Hypothek unter einen Belehnungswert von unter fünfzig Prozent zu amortisieren, denn irgendwann muss man sicherlich mit sinkenden Immobilienpreisen rechnen. Die Bank kann dann bei zu hoher Belehnung z.B. ausserordentliche Amortisationen verlangen.

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