Die Kreativität des Trotzes

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Die Kreativität des Trotzes

Von Stephan Wehowsky, 31.01.2020

Eduard Kaeser lässt sich vom Alltag zu gedanklichen Höhenflügen inspirieren. Man ist als Passagier gern dabei.

In seinem neuesten Band unter dem Titel, "Ich trotze, also bin ich", hat Kaeser 20 Essays versammelt, die inhaltlich breit gestreut sind. Er scheint ein besonderes Vergnügen daran zu haben, Themen nebeneinander zu stellen, die auf den ersten Blick keinen Zusammenhang ergeben. Da macht er sich „Gedanken über Eiskaffee“, um sodann erste Schritte zu einer „Philosophie des Arschlochs“ zu gehen, er liefert eine „Metaphysik der Katze“ und stellt am Ende die Frage, "wie es ist, tot zu sein".

Traumwandlerische Sicherheit

Eine derartige Zusammenstellung von Themen ist hochriskant. Denn ein solches Buch kann wie eine Clownerie wirken, wenn es nicht gelingt, den verborgenen Zusammenhang deutlich zu machen. Umgekehrt besteht aber die Gefahr, dass der Autor auch im Disparatesten immer wieder das Gleiche entdeckt und wie ein Lehrer wirkt, der krampfhaft die Aufmerksamkeit seiner Schüler gewinnen will.

Kaeser aber gerät gar nicht erst in die Nähe dieser Klippen. Denn seine Verknüpfungen alltäglicher Phänomene mit philosophischen Deutungen gelingen ihm mit traumwandlerischer Sicherheit. Er verfügt nicht nur über immenses Wissen, sondern auch über einen besonderen philosophischen Blick. Mit diesem Blick erschliessen sich die Tiefendimensionen – man könnte auch Höhendimensionen sagen – des Alltäglichen.

Der Trotz

Der erste Essay über den Trotz hat dem Buch den Titel gegeben und weckt damit falsche Erwartungen. Das Buch handelt nicht ausschliesslich vom Trotz, auch wenn sich der zweite Essay noch vielversprechend der Altersrenitenz zuwendet. Bei fortschreitender Lektüre stellen sich zunächst Irritation und Enttäuschung ein, bis klar wird, dass Kaeser auch in den folgenden Essays Themen behandelt, die durchaus mit den ersten beiden Essays zusammenhängen.

Denn worum geht es beim Trotz? Es geht darum, wie sich der Mensch in der Welt positioniert. Schon das Kind lernt sehr früh, sich abzugrenzen. Diese Notwendigkeit, Grenzen zu ziehen, wird nie verschwinden. In Zeiten der Social Networks ist diese Fähigkeit sogar noch wichtiger als früher: „In einer Informationsgesellschaft, wo die Grenzen zwischen privater und staatlicher Verfügungsmacht über die Daten sich immer mehr verwischen, kommt dem Trotz in der Behauptung unserer Autonomie eine wichtige Bedeutung zu.“ Es handele sich dabei um „eine existenzielle Grundlinie, die uns erlaubt, im Zugemuteten das Unzumutbare, im Unabwendbaren das Abwendbare, in unserem Sosein das Andersseinkönnen zu erkennen.“

Altersrenitenz

Genau darum geht es auch im zweiten Essay über Altersrenitenz. Kaeser beschreibt die drei Lebensalter jedes Menschen: das biologische Alter, das Alter, das jeder im Blick auf sich selbst wahrnimmt, und das Alter, das in der Wahrnehmung der anderen auf die jeweilige Person liegt. Der noch nicht alte Mensch verfügt über einen Zukunftshorizont, der wie eine Art soziales Kapital wirkt. Der alte Mensch hat diesen Horizont nicht mehr. Seine Existenz schrumpft. Dagegen richtet sich die Revolte: „Man revoltiert dagegen, dass einem der Kredit der Zukunft verweigert wird.“

Kaeser hat ein sehr feines Gespür für das Zusammenspiel des Realen und Fassbaren mit dem, was überhaupt nicht fassbar ist, aber ohne das wir nicht von der Realität sprechen könnten. Um diesen Zusammenhang der unterschiedlichen Gestalten von Wirklichkeit deutlich zu machen, hat er sich das Beispiel des Eiskaffees ausgedacht. Wie hängt der Gedanke an den Eiskaffee mit einem real existierenden Eiskaffee zusammen? In diesem launigen Essay behandelt Kaeser mit so leichter Hand Grundfragen der Philosophie und Erkenntnistheorie, dass man ihn nur jedem philosophisch Interessierten empfehlen kann. Und aus der Frage, was es heisst, tot zu sein, entwirft er ein Panorama wissenschaftlichen und philosophischen Wissens, das man wiederholt begehen möchte.

Ähnliches lässt sich auch von den anderen Essays sagen. Mühelos schlägt Kaeser aus Alltagsphänomenen philosophische Funken. Am besten geniesst man sie, indem man das Buch wie ein Vademecum nutzt, das man immer mal wieder aufschlägt. Denn jeder kleine Essay ist in sich abgeschlossen. Und man findet immer wieder Neues.

Eduard Kaeser, Ich trotze, also bin ich. Philosophische Alltagsanfälle, 174 Seiten, Schwabe Verlag, Basel 2020

 

Ja der Herr Käser ist ein kluger Kopf. Hoffen wir, dass er seine Altersrenitenz in den Griff bekommt, oder die hier schon Beschriebene gar nicht selber erleiden muss, denn trotzen ist nicht immer gut. Damit ihn die Vergangenheit nicht plagt und einholt, ist er hoffentlich als Lehrer mit trötzelnden Schülern gelinder umgegangen, als ich vor 35 bis 50 Jahren etwa noch die Anti-Pygmalion-Effekt Erfahrungen machen musste, dass man in der Schule und durch Lehrer_innen, durch okkulte Familienangehörige und Autoritätspersonen aus sadistischer Lust am Quälen wehrloser Kinder zur Kompensation des eigenen total unterdrückten und verbotenen Geschlechtslebens gespalten, gebrochen und seelisch zerstört zum Krüppel geschlagen, operativ hirnverstümmelt und psychisch schwer verletzt suizidal und invalide gemacht werden kann, ohne dass einem je die Möglichkeit zur Verteidigung gegeben oder eine Mitteilung darüber gemacht wurde. Dass die eingeborenen Schweizer von damals heute durch die eingebürgerten Secondos und 26% Ausländer eine Minderheit im eigenen Land sind und wegen dem zu geringen Kinderkriegen noch ganz aussterben werden, haben sie aber verdient, die Arschlöcher und Drecksäcke.

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