Grober Klotz, grober Keil

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Grober Klotz, grober Keil

Von Stephan Wehowsky, 15.06.2020

Wegen Nord Stream 2 droht Donald Trump den Deutschen mit noch härteren Sanktionen. Das ist nicht fein, aber nicht falsch.

Angela Merkel erfreut sich derzeit wieder höchster Beliebtheitswerte. Viele Deutsche glauben, dass sie von allen Politikern ihre Interessen am besten vertritt. Die meisten würden wohl zustimmen, wenn man sagte, dass sie sich nicht leicht irritieren lässt. Man kann diese Eigenschaft auch Sturheit nennen.

Die Kosten für diese Sturheit sind in letzter Zeit allerdings erheblich gestiegen. Grosse Empörung hat jetzt die Ankündigung Donald Trumps ausgelöst, die Fertigstellung der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 mit noch schärferen Sanktionen zu verhindern. Bislang wurden nur jene Firmen bedroht, die am Bau beteiligt sind. Jetzt denkt man in Washington auch darüber nach, Behörden, die mit den Genehmigungsverfahren betraut sind, ebenfalls abzustrafen. Deutschland wird von den USA damit auf eine Stufe mit sogenannten Schurkenstaaten gestellt.

Entsprechend beleidigt reagiert man in Berlin, aber selbst die eher konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung sieht in dieser Reaktion auch eine gehörige Portion Heuchelei. Denn jahrelang haben diverse Länder darauf hingewiesen, dass die neue Pipeline Nord Stream 2 massiv gegen ihre Sicherheitsinteressen verstösst:

Allen voran haben Polen und die Ukraine beklagt, dass mit dieser Pipeline ihre letzte Rückversicherung gegen Moskaus Willkür schwindet. Denn als Länder, über die grosse Teile der bisherigen Gaslieferungen erfolgen, verfügen sie über Transit-Einnahmen und vor allem haben sie ein Druckmittel, um sich gegen russische Übergriffe zur Wehr zu setzen. In den damit verbundenen möglichen politischen Konflikten sieht Deutschland wiederum ein entscheidendes Risiko für sich, das mit der neuen Pipeline ausgeschaltet werden soll. Natürlich steht Deutschland weiterhin zu Polen und der Ukraine, klar doch.

Aber auch in der Europäischen Union sind immer wieder Bedenken gegen die energiepolitische Verzahnung Deutschlands mit Russland geäussert worden. Und in Washington sitzt nicht nur der böse Trump, der auf den Tisch haut. Seit Jahren haben auch Demokraten ihr Missfallen zum Ausdruck gebracht, und gegenwärtig stehen Politiker in beiden Häusern des Kongresses hinter den Sanktionen. Merkel hat mit ihrer Sturheit einen nicht unerheblichen Teil bislang befreundeter Länder und Politiker gegen sich aufgebracht.

In diesem Zusammenhang wird Trump nicht müde, äusserst rabiat daran zu erinnern, dass Deutschland auch seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Nato nicht in dem Masse nachkommt, wie es das selbst zugesagt hat. Grobschlächtig ruft Trump gern bei Grossveranstaltungen: „Angela, pay!“ Aber in dem demagogischen Gebaren steckt doch ein berechtigter Kern. Oder was soll man von einer Politikerin halten, die wiederholt Zusagen macht, die sie nicht einzuhalten gedenkt?

Es gibt viele Gründe, an Amerika und insbesondere an Trump Kritik zu üben. Aber wer wiederholt den groben Klotz gibt, soll sich über den groben Keil nicht wundern.

Ja klar, die dummen Deutschen können auch mal das teure US liquid gas kaufen wenn es den Interessen der Polen und Ukrainer dient. Und was machen die,ausser der hohlen Hand?

Es doch so: Die einen haben eine Frau zur wichtigsten politischen Person im Land und auf dem Kontinent gewählt, und sie beruhigt die erhitzen Nationalisten seit fast 2 Jahrzehnten. Die anderen haben einen infantilen Hitzkopf und Pussygrabber zum Repräsentanten ihres mächtigsten Landes der Welt gewählt. Er demontiert den letzten Rest Reputation eines ehemals weltweit beachteten Vorbildlandes. Aber so einfach alles an ihm ist, er wurde von einer Mehrheit einfacher Menschen gewählt und spaltet nun die Gesellschaft.

Kleine Korrektur: Trump ist 2016 nicht von einer "Mehrheit einfacher Menschen gewählt" worden. Hillary Clinton bekam 3 Millionen Stimmen mehr. Trump hat dank des archaischen Wahlsystems nur die Mehrheit der Elektorenstimmen (Wahlmänner-Gremium) gewonnen.

Die Einmischung von Trump ist wie gewohnt von Amerika im kolonialistischen Stil gedacht und gehalten. Daran ist alles falsch, nicht nur der Ton. Und die pedantischen 2% Verteidigungsausgaben: Deutschland musste mit Abermilliarden und sozialen Verwerfungen die Suppe der US-Kriege auslöffeln: Den Flüchtlingsströmen Herr werden. Dies könnte gerne in die eindimensionale Rechnung (mit dem grössten Waffenproduzenten der Welt) einbezogen werden. Mit Russland hat Deutschland dringend nötig feste freundschaftliche Beziehungen zu erhalten. Auch weil es territorial in den letzten 30 Jahren nicht etwa schlecht und gefährlich für die EU aussieht, sondern Russland eindeutig den Kürzeren gezogen hat. Zudem vergisst der Autor, dass das US-Flüssiggas, das Trump promotet, ebenfalls die verlustreiche Gasleitung durch die UKR marginalisiert. Zu einem Flüssiggasterminal in Deutschland hat der US-Druck beteits geführt.

Der Vorwurf, Frau Merkel sei eine Politikerin, «die wiederholt Zusagen macht, die sie nicht einzuhalten gedenkt» ist so falsch nicht. Allerdings ist sie da in bester Gesellschaft, denn da dazu gehört wohl die grosse Mehrheit der Politiker.
Trump ist allerdings etwas ein Spezialfall, denn er ändert ja seine Zusagen so alle zwei Stunden von hier nach da und wieder ins Gegenteil. Aber «Trump first!» muss es halt sein.

Sanktionen sind immer falsch. Punkt.

Ihrer Haltung mag Polnisch, Urkrainischer und US-Interessen gerecht werden. Freiheit für Menschen und Staaten sieht anders aus. Warum Deutschland (Schweiz und andere wohl im Schlepptau) mit Russland den Polen und Ukrainern helfen soll, ein merkwürdiges Druckmittel und monopolartige Einnahmequelle aufrecht zu halten, ist mir schleierhaft. Dieses Monopol war vor wenigen Jahren ein erhebliches Risiko für uns. Der Westen sollte den Ukrainern nähmlich weiterhin Ihr eigenes Gas quersubventionieren. Katar und andere haben mit mehr verflüssigen und Verschiffen zu europäischen Häfen im Mittelmeer diesem Effekt etwas entgegen gewirkt. Die USA wissen heute nicht mehr wohin mit Ihrem knallhart gewonnenen Schiefergas und wünschen sich Nordeuropa wohl als Abnehmer. Sollen Sie die Anlagen bauen und Kapazitäten schaffen: Preislich kann das mit dem sibirischen Stoff aber eben nicht mithalten. Hat Polen bei seiner Luftwaffenaufrüstung mit Grosseinkauf in den USA etwa Rücksicht auf Nachbarn genommen? Oder haben Sie sich damals irgendwie mit Schröder und Chirac abgestimmt, als sie mit Bush in den Irak mitzogen. Nein! Müssen sie aus meiner Sicht auch nicht, denn sie sollen, wie alle, unabhängig agieren dürfen - just so aber bitte auch die Deutschen und die Russen. Die Welt hat mehr als genug Hegomonialmacht erlebt. Zeit für etwas mehr freie Entscheide und echten marktwirtschaftlichen gerne auch amerikanischen Alternativen.

Ich stimme Ihnen zu. Beim Thema Heuchelei kann man außerdem ebenso anführen, dass die sogenannten "Sicherheitsbedenken" der östlichen Nachbarn Deutschlands nur vorgeschoben sind und es in erster Linie nur um die eventuell wegbrechenden Durchleitungsgebühren für russ. Gas geht.
Im Endeffekt geht es halt so gut wie immer nur ums Geld.

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