Ein Weihnachtswunsch
Journal21.ch will die Jungen vermehrt zu Wort kommen lassen. In der Rubrik „Jugend schreibt“ nehmen Schülerinnen und Schüler des Zürcher Realgymnasiums Rämibühl regelmässig Stellung zu aktuellen Themen.
Dora Dumitrescu ist im September 2020 volljährig geworden und aktuell Maturandin am Realgymnasium Rämibühl. Sie interessiert sich für Literatur, den Menschen im gesellschaftlichen Mantel und möchte zum Labyrinth der Meinungsbildung beitragen.
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Es war einmal ein kleines KMU, das aus dem nährstoffreichen Schweizer Boden spross. Nach altehrwürdiger, bäuerlicher Tradition wurde es gehegt und gepflegt und so lange mit modernen importierten Power-Düngemitteln gefüttert, bis die ausländische Chemie es in luftige Höhen schiessen liess und die ersten saftigen Profitfrüchte geerntet werden konnten.
Hübsches Narrativ, leichtes Rezept? Schauen wir doch einmal näher hin.
Wer sät die Idee? Schlaue Schweizer Köpfe.
Wer erntet? Die obersten SchweizerInnen des KMUs natürlich.
Wer giesst, düngt, deckt im Winter ab, schneidet abgestorbene Zweige weg und baut das Treibhaus? Tja, wohl irgendwer, irgendwo, mit irgendwelchen Mittelchen.
Seltsames Weihnachtsmärchen ...
Dass die Schweiz ein besonderes Talent dafür hat, die Augen vor allem zu verschliessen, was nicht innerhalb der eigenen Landesgrenzen geschieht, ist wohl kaum eine Neuigkeit. Dass man sich dabei fortschrittlich rühmt, ebenso wenig.
Wenig überraschend: Die Konzernverantwortungsinitiative wurde von den Kantonen abgelehnt. Warum zur Umsetzung der Menschenrechte und Umweltbestimmungen anderswo beitragen, wenn es im eigenen Land schon die nötigen Gesetze gibt? – Dies ist wohl nur in den höchst konservativen, anti-interventionistischen Eckchen der Schweiz diejenige Argumentation, die so viele Stimmbürger von der Ablehnung überzeugt hat. Der Grossteil der Bevölkerung würde einer Weltwirtschaft, die Menschenrechte achtet und die Umwelt schützt, wohl kaum feindlich gegenüberstehen. Wo liegt dann der Haken? Vermutlich waren es Argumente wie der grosse bürokratische Aufwand, die Kosten und die knifflige Umsetzung des Initiativtextes, die eingeschüchtert haben.
Oder waren gar die lieben Kulturrelativistinnen am Werk? Jedem Land seine eigenen Gesetze und Regulierungen überlassen, die Hände aus dem Spiel nehmen, niemandem unsere „westlichen“ Werte aufdrängen? Ist es die Angst, fremde Staatssouveränität anzukratzen, sich unbeliebt zu machen, weil man Werte und Normen hat, nach denen man handelt?
Ganz so einfach zu verurteilen sind diese Bedenken natürlich nicht. Grundsätzlich sollte man Bevormundung anderer Nationen auf jeden Fall kritisch betrachten. Dies heisst allerdings nicht, dass man den Überblick über Aktionen, an denen man beteiligt ist, ablehnen und somit auch die damit kommende Verantwortung von sich wegschieben soll. Sobald man in ein Geschäft, eine Firma, eine Produktionsweise involviert ist, von der man sogar noch profitiert, gehört es zur Pflicht, über die einzelnen Schritte und Umstände Bescheid zu wissen und sich nach den Standards zu richten, unter denen man selbst im eigenen Land später damit Profit machen wird.
Was den Aufwand der Umsetzung anbelangt: Dieser ist natürlich erheblich. Allerdings muss der Vollständigkeit halber auch gesagt werden, dass keine bedeutende Veränderung ohne Arbeit zu bewältigen ist. Es ist ein Schritt in eine Richtung, die Menschenwürde wertschätzt und bewahrt, versucht den Planeten und unsere Ressourcen zu retten – und ja, vielleicht vorerst Symbolpolitik. Aber wer sagt denn, dass man den stigmatisierten Begriff der Symbolpolitik dafür brauchen soll, anstatt die Veränderung einen Denkfortschritt zu nennen, der eben mehr als nur symbolisch ist?
Bei dieser Initiative geht es in erster Linie darum, die Augen zu öffnen, hinzuschauen, wo und bei welchen Prozessen die Schweiz die Finger im Spiel hat, anstatt das Problem anderen Nationen in die Schuhe zu schieben, die das Pech haben, von Schweizer Krediten zu profitieren.
Es geht nicht um eine imperialistische Belehrungsabsicht, auch nicht um die westliche Arroganz. Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen und Konsequenz zu zeigen. Es geht darum, die nationalen Versprechen einer menschen- und umweltfreundlichen Wirtschaft überall umzusetzen, wo diese betrieben wird. Es geht nicht um einzelne Länder oder Nationen, die dieses und jenes richtig oder falsch machen. Es geht um Orte, die mit der Schweizer Wirtschaft verbunden und in Kontakt sind – auch diese müssen in die wirtschaftlichen Versprechen an die Bevölkerung hineingenommen werden. Es geht letztlich einfach darum dass wir – als Schweiz – die Augen nicht länger verschliessen und lernen, zu unserem Wort zu stehen.
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Verantwortlich für die Betreuung der jungen Journalistinnen und Journalisten von „Jugend schreibt“ ist der Deutsch- und Englischlehrer Remo Federer (r.federer@rgzh.ch).
Weitere Informationen zum Zürcher Realgymnasium Rämibühl unter www.rgzh.ch
Liebe Dora, vielen Dank für diesen Lichtschimmer: Mehr davon täte der Welt gut...
Auch für mich gehören die Artikel der "Jungen" zur Pflichtlektüre, und es freut mich sehr, wie differenziert und vielfältig hier eigene Meinungen zum Ausdruck gebracht werden. Lassen Sie sich bitte ja nicht von alten Männern, die "Meinungsfreiheit" nur dann akzeptieren, wenn sie ihrer eigenen (SVP-) Meinung entspricht, davon abhalten, sie kundzutun, sondern halten Sie weiter eloquent dagegen.
Danke, Dora, für den edlen Weihnachtswunsch, dem ich mich gerne anschliesse. Ich freue mich über euch Junge. Ihr seid die Hoffnung in unserer egoistischen Welt.
Bitte dran bleiben!
Alles Gute
Ed. Häfliger
Schon wieder ein arroganter Beitrag aus diesem Gymnasium.
Die SchülerInnen werden dort richtiggehend indoktriniert.
Resultat: Sie kennen die reale Wirtschaft nicht.
Haben noch nie mit New Yorker Klageanwälten zu tun gehabt.
Hegen die unrealistische Vorstellung, dass man anderen Ländern die Entscheidungen unserer Justiz aufzwingen könne.
Es gibt nur ein Land das das heute kann und es leider auch macht, das ist die USA und in Zukunft auch die Europäische Union.
Angenommen das im Text erscheinende KMU geriete in die Fänge eines New Yorker Anwalts, da wäre das Ende sehr rasch da. Der Tagesanzeiger und die restliche Presse würden mit Freuden mithelfen die Firma mittels Rufmord zu schädigen.
Dass dabei Mitarbeitende ihre Stelle verlieren ist ein tolerierter Kollateralschaden, der die Schülerin nicht interessiert.
Das Gymnasium hat ihr ja nicht beigebracht selbständig zu denken und auch die Sorgen von Mitarbeitenden zu bedenken. Man lebt ja in so einem Wohlstand von frühester Jugend an, dass man sich eine Entlassung und ihre vernichtende Wirkung nicht mehr vorstellen kann.
Da gäbe es ja noch Aufgaben in Europa, zum Beispiel in Rumänien. Da könnte man helfen dass Gerechtigkeit den Durchbruch schafft gegen Korruption und andere Probleme. Aber es ist ja viel einfacher sich in der lieben, netten Schweiz in aller Bequemlichkeit auf Kosten von uns Steuerzahlern ausbilden zu lassen, während man verächtlich auf die arbeitende Bevölkerung und ihre Sorgen herabschaut. Ein elitäres Verhalten das langfristig unseren Staat zerstören wird. Gezüchtet in einem von uns finanzierten Gymnasium.
Es ist jammerschade, dass die Schule es nicht mehr fertig bringt, wenigstens den jungen Personen einen etwas weiteren Horizont und einen grösseren Überblick beizubringen. Aber das ist vermutlich gar nicht gewünscht.
Lieber Herr Schmid,
Im Gegensatz zu Ihren finde ich es erfrischend, dass die Schüler*innen des Rämibühl-Gymnasiums so kritisch und analytisch denken. Man braucht ja deren Ansichten nicht zu übernehmen aber nachdenklich stimmen sie schon.
Was ich in Ihrem Kommentar nicht akzeptieren kann ist der Hinweis auf "Aufgaben in Rumänien". Die Autorin trägt einen Familiennamen, der auf rumänische Herkunft schliessen lässt, aber dies soll und darf keine Rolle spielen. Sie lebt hier und jetzt und ist offenbar sehr engagiert, auch wenn Ihnen dies nicht passt.