Assad setzt Giftgas ein?

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Assad setzt Giftgas ein?

Von Helmut Scheben, 27.04.2013

Das Regime in Damaskus setzt chemische Kampfstoffe gegen seine Gegner ein. Das gilt den meisten Medien als mit hoher Wahrscheinlichkeit bewiesen. Die einzige Informationsquelle sind westliche Geheimdienste. Haben die Journalisten nichts dazugelernt?

Eine Giftgas-Granate irgendwo hinzuschiessen, dürfte in der chaotischen Situation in Syrien nicht schwer sein. Und alle noch so tiefgründigen Experten-Analysen, die feststellen sollen, ob wirklich Giftgas eingesetzt wurde, sind reine Zeitverschwendung, wenn sie nicht nachweisen können, wer da geschossen hat. Aber da besteht kein Grund zur Sorge. Ohne Zweifel werden die notorischen westlichen Geheimdienste in Kürze auch «beweisen» können, dass Assads Armee – und nur sie – Giftgas geschossen hat.

Wer hat Interesse am Skandal?

Fragen eines einfachen Nachrichtenhörers: Welches Interesse sollte Assad haben, in der jetzigen Situation Giftgas einzusetzen? Setzt Assad Giftgas ein, um eine NATO-Intervention zu provozieren und sein eigenes Grab zu schaufeln? Wohl kaum.

Und weiter: Wer hat in der jetzigen militärischen Pattsituation wohl ein Interesse daran, einen Giftgas-Skandal zu inszenieren? Die Antwort ist klar. Es sind die sogenannten Rebellen, – eine Bezeichnung, die semantisch-assoziativ irgendwo zwischen Robin Hood und Piraten der Karibik angesiedelt ist, was weniger der Realität nahekommt als den Bedürfnissen westlicher Fernsehzuschauer nach einfacher Welterklärung.

Was von den Schweizer Medien zu erwarten wäre, ist die Diskussion der Desinformations-Problematik der Geheimdienste. Aber weit gefehlt. Im «Echo der Zeit» von gestern Abend (26.April) zum Beispiel wird mit eifriger Seriosität diskutiert, wie und ob die Experten den Einsatz von Giftgas überprüfen können. Als ob es darum ginge. Vielleicht wird man Rückstände von Sarin nachweisen können. Und weiter? Wo kommt das Giftgas her? In der Geschichte der «Erkenntnisse westlicher Geheimdienste» gibt es eine schier endlose Liste von fabrizierten Stories, die den Zweck verfolgten, die öffentliche Meinung zu manipulieren.

Die angeblichen Massenvernichtungswaffen Saddams

Wieviel Experten haben monatelang Beweise für die famosen Massenvernichtungswaffen des Saddam-Regimes im Irak gesucht? Und wie viele Monate lang haben die europäischen Nachrichtensendungen das Spiel mitgemacht? Wie viele Bildbeiträge habe ich selbst 2002 und 2003 in der Schweizer «Tagesschau» zusammengeschnitten, auf denen UNO-Experten und Bilder von irgendwelchen Granaten zu sehen waren, in denen «Spurenelemente» von irgendwelchen Uranrückständen, bakteriologischen Kampfstoffen oder verdächtigen chemischen Substanzen vermutet wurden?

Es waren viele Beiträge über lange Monate, und all dem war eines gemeinsam, nämlich die subtile Suggestion, welche fleissig an der Konstruktion der Main Stream Opinion wirkte: Der Bösewicht Saddam hat Massenvernichtungswaffen, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir sie finden.

Er hatte sie offenbar nicht, die Massenvernichtungswaffen. Und die Düpierten von damals werden die Düpierten von morgen sein. Denn der heutige Journalismus hat ein kurzes Gedächtnis. Schlimmer: Die rasenden News-Fabriken haben kaum noch Zeit für Gedächtnis.

Die lange Liste geheimdienstlicher Manipulationen

Die Liste der geheimdienstlichen Elaborate ist ermüdend lang. Im August 1964 wurde ein amerikanisches Kriegsschiff in der Bucht von Tonkin von vietnamesischen Schnellbooten angegriffen. Der Vorfall lieferte der Regierung Lyndon B. Johnson den Grund für den Beginn des Vietnamkrieges. Es war eine vom Geheimdienst konstruierte Falschinformation, wie Pentagon-Mitarbeiter 1971 aufdeckten.

Vier Jahrzehnte später hatte sich nichts geändert, obwohl – oder gerade weil – die Fernsehkameras an jedem Ort der Welt die Illusion von Unmittelbarkeit erzeugen. Die Medien der Welt sahen zu, wie Aussenminister Colin Powell 2003 vor den Vereinten Nationen trübe Satellitenfotos von Zisternenlastwagen zeigte und dabei versicherte, dies seien Saddam Husseins rollende Laboratorien für bakteriologische oder chemische Waffen. Es waren Fotos von Wassertransportern, mehr nicht. Powell behauptete später, er habe nicht gewusst, dass die CIA ihm Dokumente geliefert habe, die auf Fälschungen beruhten. Die Regierung George W. Bush führte die Welt in die Irre, um einen Krieg zu beginnen, der lange schon beschlossene Sache war.

Die CIA konstruierte eine Menge «Geheimdienst-Erkenntnisse», um Saddam Hussein Nuklearwaffen unterzuschieben. Joseph Wilson, ein amerikanischer Diplomat, wurde auf die falsche Fährte gesetzt, hatte aber genug Anstand und Ehrgefühl, um die notorischen Erkenntnisse seines Geheimdienstes als das zu entlarven, was sie waren: plumpe, amateurhaft fabrizierte Fälschungen.

Die internationalen Fernsehstationen verbreiteten die ergreifenden Story der Krankenschwester Najirah, die in einem Hearing der Menschenrechtskommission des US-Kongresses unter Tränen beteuerte, sie habe gesehen, wie irakische Soldaten den kleinen wehrlosen Babies in einem kuwaitischen Spital die Schläuche aus den Brutkästen zogen. Najirah war in Wirklichkeit die Tochter des kuwaitischen Botschafters in Washington, und die Brutkasten-Story war die Erfindung einer PR-Agentur, die für die westlichen Geheimdienste arbeitete.

Grauzone der Legalität

Ein Schattenreich der Manipulation und Fabrikation von Desinformation: Die notorischen Secret Services arbeiten in der Grauzone der Legalität und haben eine Menge auf dem Kerbholz. Wer stützte 1953 den iranischen Premier Mossadegh? Wer stürzte 1954 den Reformpräsidenten Jocobo Arbenz in Guatemala? Wer bildete die lateinamerikanischen Militärs in Panama in Counterinsurgency-Strategien aus? Wer finanzierte und unterstützte die Militärputschs in Lateinamerika? Wer erfand die Operation Condor in Südamerika, wer die Operation Phoenix in Vietnam? Wer unterstütze und finanzierte paramilitärische Einheiten, die in Italien den Terror säten? Wer baute Savimbis Unita in Angola auf? Wer baute die Mudschaheddin in Afghanistan auf? Wer lieferte den Contras in Nicaragua Waffen und bezahlte mit Kokain? Und Bagram? Guantánamo? Abu Ghraib? Viele Fragen, stets die gleiche Antwort.

Doch das scheint für die meisten Medien kein Thema zu sein. Es ist immer wieder frappierend zu sehen, wie dieselben Journalisten, die jahrzehntelang treu und brav auf die mehr oder weniger schlau fabrizierten «Erkenntnisse westlicher Geheimdienste» hereingefallen sind, heute stets aufs neue jeden Brei löffeln, den die Schlapphüte ihnen vorsetzen.

Die syrische Regierung würde sich maximal selber schaden ... ... nämlich >Den Anlass< für ein Eingreifen des Westens zu liefern, wenn sie Chemiewaffen einsetzen würde. Warum sollte die Regierung derarig dumm sein ? Natürlich macht/hält sie diese bereit für den Fall, in dem sie nichts mehr zu verlieren hätte, nämlich, wenn der direkte ausländische Eingriff schon erfolgt ist ... . Bei den USA, GB, den Golfdiktaturen jedenfalls wissen wir ja schon aus der Vergangenheit, daß sie ggf. lügen, daß sich die Balken biegen. Man denke nur an die irakischen Atomwaffen, die kuwaitischen Babybrutkästen und das libysche Viagra ... ... .

Herr Scheben trifft den Nagel einmalmehr auf den Kopf: Es gibt leider auch bei der SRG, für die wir hart verdiente Konzessionsfranken zahlen müssen, fast nur noch "eingebettete Journalisten". Insbesondere bei der Berichterstattung über die Lügenbarone in Washington, die mit Schützenhilfe ihrer Nato-Adlaten die neuen weltweiten Kriege um die Resourcen (Erdöl!!) führen, lassen dieses Leute jegliche kritische Distanz vermissen. Bei Radio SRF hat dieser Misstand einen Namen: Fredy Gsteiger. Wenn der Mann seine Beschönigungen und Rechtfertigungen über unseren Staatssender verbreitet, schalte ich immer gleich auf eine andere Station um. Generell ist die unkritische Verbreitung westlicher Propaganda zusehends erschreckend: Wenn in Boston drei US-Menschen ums Leben kommen, werden darüber endlose Sendungen verbreitet. Lässt Herr Obama hingegen in Wasiristan hunderte von Dorfbewohnern ferngesteuert ermorden, nimmt davon kaum jemand Notiz – oder bloss noch im verständnisvoll beschönigend-erklärenden Sinn. Und dass zwischen dem weltweiten Wüten der US-Kriegsmaschinerie (Jahresbudget über 700 Mia US-Dollars) und Anschlägen in den USA ein Zusammenhang bestehen könnte, kommt keinem der hochbezahlten Kommentatoren in den Sinn.
Dafür dreschen sie im Chor des medialen Mainstreams wohlfeil auf "Schurken-Staaten" und "Unrechts-Regimes" in der dritten Welt ein. Die nicht minder schlimmen Schurkereien vor der eigenen Tür (Guantanamo, Panama-City, Wasiristan usw. usf.) wollen sie hingegen nicht sehen. Als Medienmensch muss man sich schämen. N.R.

Ich kann mich Scheben nur anschliessen. Der Einsatz von Giftgas im grossen Stil würde das Ende des Assad Regime bedeuten. Erwähnen könnte man auch in der Reihe von Verschwörungen der USA, von Tonkin bis Pinochet, Arbenz usw. noch die Anschläge des 11. September 2001 mit dem der Krieg gegen den Terror begann, der seither hunderttausende Tote und Verletzte gefordert hat. Was am 11. September 2001 wirklich abgelaufen ist unklar. Die offizielle Verschwörungstheorie lautet: 19 mit Teppichmessern bewaffneten Terroristen gelang es vier Flugzeuge zu entführen und die ganze Flugabwehr der USA lahmzulegen? Die Version des Ablaufes der Ereignisse, nach der offiziellen Untersuchung des „9/11 Commission Report“, wird in den USA von Piloten, (http://pilotsfor911truth.org/), Architekten, Ingenieuren (http://www.ae911truth.org/) und vielen anderen angezweifelt. Sie fordern eine neue Untersuchung über 9/11.

@gast Du bist wohl der Einzige, dem Scherben kein Glück bringen. Aber, DA KANNST DU DOCH AUCH NICHTS DAFÜR. Povero.

Was zeichnet wahren Journalismus aus ? Beharrliche Arbeit an einer lebenswerteren Welt, die sich verbittet infame Lügengeschichten zu verbreiten. Nicht zuletzt auch Bilder des Erinnerns stetig wach zu halten. Herr Scheben, Sie verdienen volles Vetrauen. Danke für ihre wertvollen Berichte.

Westliche Geheimdienste werden jederzeit jederman beweisen können, was immer sie wollen! Wir gehen jeglicher Desinformations-Politik noch so gerne auf den Leim. Das erklärt uns dann, wer gut und wer böse ist. Ja, die Brutkastengeschichte in Kuwait wurde in unseren "freien" Medien genauso wenig aufgedeckt wie all die Militärputsche in Lateinamerika. Und über den Sturz Mossadeghs weiss eh fast niemand Bescheid - weil die bösen Mullahs ja so finster sind...(obwohl zwischen Mossadegh und den Mullahs 25 Jahre liegen). Im «Echo der Zeit» von vorgestern, 26. April wurde tatsächlich mit Seriosität diskutiert, wie und ob die Experten den Einsatz von Giftgas überprüfen können. Ich dachte, ich sei im falschen Film! Die meisten Geheimdienstlügen, Propaganda- und Desinformations-Geschichten gehen am Ende in einer Schublade unter, und die Geschichte vergisst sie entweder, oder stellt sie dann als «nichts als die reine Wahrheit» dar. Geschichtslügen, Geschichtsklitterung und viel, viel menschliches Leid dahinter und viel Zerstörung an Kultur.

Lieber Helmut Scherben, so schön schwarz -weiss, wie sie hier malen, ist die Welt doch nicht. Der Westen will in Syrien ja gar nicht eingreifen. Und weil er das nicht tut, ist das natürlich auch wieder eine Verschwörung. Also verschwoerung ist immer, ob man im W. Handelt oder nich handelt. Lesen Sie den Artikel von A.H.

Nach dem zweiten Weltkrieg dachten wir der Faschismus ist besiegt. Nun sehen wir, der gefällte Baum treibt Sprösslinge und seine Samen fliegen schon wieder allenthalben. Zu hoffen wäre, dass Allergien gegen Demagogen rapide zunehmen. Mit Demagogen meine ich Leute die Religion, Volks oder Rassenzugehörigkeit pauschalisierend abwerten oder Mücken mit Elefanten verwechseln und mit Kanonen auf Spatzen schiessen. Noch schlimmer die, die repetierender Weise Ereignisse dazu benützen, Freiheiten der eigenen und fremder Völker Verfassung oder auch grundrechtswidrig zu beseitigen.

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