Wetterleuchten über Europa

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Wetterleuchten über Europa

Von Joerg Thalmann, Brüssel - 11.06.2013

Die Krise Europas wird immer noch unterschätzt, weil wir uns an den Frieden gewöhnt haben. Aber der Frieden ist alles andere als selbstverständlich in Europa. Ein Plädoyer

Proeuropäer haben es heute nicht leicht. EU-Bürger und Schweizer verdammen die EU wegen der Euro-Krise in Grund und Boden. Ein Schwall von Anti-EU-Clichés überschwemmt uns, Demokratiedefizit usw. Proeuropäer werden mitverdammt, mitkritisiert und für naiv, blind oder schwachsinnig erklärt.

Dankbarkeit

Ich bin ein Proeuropäer und nicht blind für die EU-Krise. Aber bevor ich über sie schreibe, will ich klarmachen, dass ich.der EU tief dankbar bin und warum. Das geht weit über die Krise hinaus. Es geht zurück in eine jahrtausendelange Geschichte. Die europäische Geschichte unaufhörlicher Kriege, welche die EU beendet hat.

Die Stämme und Länder Europas haben, solange sie nicht geeinigt waren, jeder Generation Krieg beschert, Landschaften verwüstet, Dörfer und Städte geplündert, Millionen getötet. Elf Jahre lang habe ich noch den letzten Weltkrieg um uns herum erlebt. Der Vater holte Tornister und Gewehr aus dem Estrich, zog die Uniform an und verliess uns, um zu seiner Kompanie zu eilen. Fünf Jahre lang, bis 1945, spürte ich die Angst der Eltern, Hitler werde bei uns einmarschieren. Brot, Mehl, Milch, Fleisch, Eier, Schokolade waren rationiert, pro Woche gab es nur die kärglichen Rationen, die uns der Staat noch bis 1948 monatlich zuteilte. Dazu musste die Mutter auf dem Amt Rationierungsmärklein holen, mit denen dann die Käufe getätigt wurden. Nur graues und zwei Tage altes Brot durften uns die Bäcker verkaufen, weil es mehr nährte als weisses und frisches.

Ein Leben ohne Angst vor Krieg

Und dann kam 1950 die EG. Seither habe ich, seither hat meine Generation, seither haben alle heute lebenden Generationen ein Leben ohne Angst vor Krieg erlebt. Und ohne Rationierung. Zum erstenmal seit Menschengedenken. Das verdanken wir der EU.

Das verdanken ihr auch die notorischen EU-Kritiker. Sie vergessen, dass sie die EU heute in aller Ruhe und Freiheit kritisieren können, ohne Angst vor Zensur, Unterdrückung und Krieg. Das verdanken sie dieser selben EU, ihrer mit dem Nobelpreis gekrönten Friedensleistung.

Der EU? Ja. In sechzig Jahren haben die früher chronisch verfeindeten Staaten vertrauensvoll und gleichberechtigt eine Friedensgemeinschaft aufgebaut. Sechzig Jahre lang haben ihre Regierungen, Minister, Länder, Parteien, Parlamentarier, Lobbies und Bürger einander so kennen und vertrauen gelernt, dass sie keinen Moment mehr an Krieg denken. Sie haben, während sie in tausenden von Sitzungen und Begegnungen hart um Kompromisse feilschten, auch miteinander Kaffee getrunken und Witze ausgetauscht. Das hat sie zu einer Vertrauensgemeinschaft zusammengeschweisst, wie sie Europa noch nie gekannt hat. Europa und wir Schweizer verdanken diesen historisch einmaligen Frieden der EU.

Die Krise

Das wischt die Krise nicht weg, in der sie heute steckt: die grösste Krise ihrer Geschichte, welche schon viele Krisen zählt, aber keine so unheimliche wie die heutige. Diese Krise kann den Frieden beenden, und daran wäre dieselbe EU schuld, die ihn geschaffen hat.

Diese Krise haben sie der dilettantischen Planung einer Währungsunion im Maastricht-Vertrag von 1993 zu danken. Daraus folgen Zerreissproben unter ihren Völkern, die man in Europa nicht mehr für möglich gehalten hat. Ein wirres Knäuel sich überschneidender Spannungen macht sie explosiv und ihren Ausgang unberechenbar. Sie muss nicht zum Ende der EU führen. Aber sie kann.

Der Euro als Gleichmacher

Die EU hat diese Krise nicht gewollt, sie ist in sie hineingestolpert. Die Idee einer gemeinsamen Währung im EU-Raum hat ihre Meriten, aber eben auch gravierende Scgwächen, dargestellt in “Die fünf Geburtsfehler des Euro“ (6.Juni 2012). Der Hauptgeburtsfehler war, dass die Experten, welche diese gemeinsame Währung konzipierten, ausschliesslich ihren monetären Theorien und Regeln folgten und den Euro wie eine Uniform über Dicke und Magere stülpten. Sie waren blind für die wirtschaftlichen, politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Unebenheiten zwischen den EG-Ländern, die jetzt zu gewaltigen Verzerrungen und Verwerfungen führen, weil das Prestige des billigen Euro jedem Land erlaubte, seine Phantasien auszuleben, welche das ganze Geflecht bis zum Zerreissen stressen.

Ausgelöst wurden diese Kalamitäten zwar, als sich die amerikanische Immobilienblase 2008 zu einer weltweiten Banken- und Finanzkrise ausweitete, welche dann auch die europäischen Länder und Banken ansteckte. Aber heute ist klar: Die immanenten Schwächen der Euro-Konstruktion wären früher oder später so oder so ausgebrochen.

Eine gefährliche Kettenreaktion

Die Einheitswährung, welche verschiedenste Länder in dieses Korsett zwang, hat in ihren öffentlichen Meinungen eine das Ganze gefährdende Kettenreaktion provoziert. Die gesellschaftlich-politischen Folgen liegen auf der Hand. Wutbürger geben spontanen Bewegungen und faschistoiden Parteien, die in den Zorn über die eigenen Politiker auch gleich die EU mitnehmen, grosse Wahlerfolge in Italien, Griechenland, Spanien, England, Deutschland, Holland. In Ungarn schlägt die Frustration um in Antisemitismus und Zigeunerhass. Selbst Präsident Hollande lässt die Zigeuner vertreiben und nach Rumänien abschieben. Die Versuchung wächst, den Zigeunern die Schengen-Freizügigkeit einzuschränken, auf die sie als bulgarische und rumänische Staatsbürger ab 2014 ein Recht haben sollen. Die EU würde, bisher undenkbar, eine rassistisch definierte Gruppe ihrer Bürger diskriminieren.

Griechen projizieren ihre Wut über die Austerity auf afrikanische Flüchtlinge und schlagen ihre Marktstände zusammen. Den Hilferufen der Griechen, Malteser und Italiener, einen Teil der ihnen übers Mittelmeer zugeströmten Million Flüchtlinge abzunehmen, antwortet bei den nördlichen EU-Partnern ein eisiges Schweigen, das jedem Gefühl für europäische Solidarität spottet. Längst überwunden geglaubte Vorurteile steigen aus den Völkern auf: „Diese Nazi-Deutschen, die uns die Austerity aufzwingen“, „Merkel = Hitler“, und andersherum „Diese liederlichen Griechen, Zyprioten (Italiener, Spanier usw.), denen wir mit unseren schwerverdienten Milliarden helfen sollen“ usw.

Und nirgends ein bisschen Mut

Das alles ist hochgradig beunruhigend. Es rührt an die Wurzeln der Gemeinschaft, an die Werte und Überzeugungen, die für ihren friedlichen Zusammenhalt unerlässlich sind und sechzig Jahre lang unantastbar waren. Der Zusammenhang scheint sich nicht nur zu lockern, man könnte den Eindruck bekommen, er sei im Begriff zu zerfleddern. So weit ist es noch nicht. Aber die Reaktion der verantwortlichen EU-Politiker ist im Moment entnervend schwach. Nirgends eine Spur des alten Geistes europäischer Einigung, der sie alle früheren Krisen in Hoffen und Bangen und jahrelangem Quälen überwinden liess. Nirgends etwas Mut zu europäischen Visionen und zur Überwindung nationaler Scheuklappen.

Hier liegt die Sorge von uns Proeuopäern. Wir glauben immer noch an den unschätzbaren Wert europäischer Einigung. Wir hoffen, dass die EU-Länder den alten Schwung und die Entscheidungskraft wiederfinden, um aus der Misere herauszukommen. Nicht weil wir unbelehrbare Proeuropäer sind. Sondern, weil wir hoffen, dass Europas Frieden auch in Zukunft gesichert sei. Weil wir fürchten, dass Europa wieder reif zum Krieg wird, wenn die EU auseinanderfällt.

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Alle sagen: Europa soll eine mächtige Stimme in der Weltpolitik bekommen, also die Schweiz soll der EU beitreten. Was aber eine vereinte Europa sagen soll, ist kein Thema. Damit ist das Problem Europa recht gut beschrieben. Europa hat heute einen Heiligen Allianz, komplett mit Adel, Kirche, Kaiser(USA), der liberale Kapitalismus, der liberale Staat wird abgeschafft, der Islam als Bedrohung hingestellt, das alles ohne Konzept. Wohin führt das?

Amerika war tatsächlich vor allem an einem starken Bollwerk in Europa interessiert. Dieses Bollwerk, die EU, ist aber blind für die gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Unterschiede der europäischen Länder. Wer versteht nur schon wen in der Muttersprache? Ich kapiere einfach nicht, was an der EU ein "Friedensprojekt" sein soll. Der Norden bevormundet den Süden. Wie kann als Frieden durchgehen, dass ein südeuropäisches Land aufgrund EU-diktierter Sparmassnahmen seinen öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehsender schliessen muss? Aber vermutlich ist es Glaubenssache. Ich habe nie an ein Vereinigtes Europa geglaubt: zu gross, zu undifferenziert, zu diktatorisch, zu gleichgeschaltet mit Amerika und den tonangebenden europäischen Grossmächten.

einsichtige Persönlichkeiten und Staatslenker".

Ohne "einsichtige Persönlichkeiten und Staatslenker" wird es zukünftig KEINE "tragende Säulen" geben.

"Geldpolitik (Vollgeld)" ist Papier, hält nichts aus und Staatslenker, die dem schnellen Profit hinterhergeilen sind fragiler als Papier. Nach dem Motto: "Wenn die Welt zusammenbricht hab ich ja immer noch mein schnelles Auto, um davon zu fahren".

Gute Reise!

Was waren die tragenden Säulen des vom Autor geschilderten Friendensprojektes Europa, das einsichtige Persönlichkeiten und Staatslenker nach den verheerenden Katastrophen des 1. und 2. Weltkrieges zu verwirklichen trachteten ?

Was sind die tragenden Säulen des heutigen EU-ropa ? Sowohl Herr Thalmann wie die beiden Kommentatoren @Till Eulenspiegel und @Gast stellen den enormen Wandel und wiederkehrende, grosse Ängste über die weitere Entwicklung des ehemals guten Projekts fest. Definieren wir daher tragende Säulen für ein dezentralisiertes Europa souveräner Nationen, wo selbst die Schweiz sich problemlos integrieren könnte. Wichtigstes Stichwort des Wandels für mich wäre: Eine neue Geldpolitik (Vollgeld) im Interesse der einzelnen Volkswirtschaften und deren Träger !

Warum das alles so ist weiß ich nicht, kann keinem Einzelnen die Schuld geben, auch keiner Nation.

Aus dem Kriegselend heraus hat man sich den "Himmel" gewünscht und Europa geformt. Auf dieser Leiter zur "Erlösung", noch ganz unten, wünschen sich viele wieder "Action", um erneut aus dem Elend zu starten. Und sie werden auch wieder Elend bekommen.

Nicht weil sie sich das wirklich wünschen, sondern weil sie nichts anderes Wert sind!

Es ist nachvollziehbar was Sie schreiben. Nur bezieht es sich auf eine andere Zeit. Vielleicht könnte man es so sagen: Es hat vielleicht wegen der EU längere Zeit keine Kriege mehr in Europa gegeben. (Ruhe und Frieden war während dieser Zeit aber keineswegs garantiert.)

Seit einigen Jahren nun läuft die EU in eine Richtung die den zugesprochenen Friedensnobelpreis in keiner Art und Weise rechtfertigt! Sie entwickelt sich immer offensichtlicher und schneller zu einer Diktatur. Die EU kann die Probleme die in ihr immer mehr dominieren und sie zunehmend schwächen nicht beseitigen - weil sie selbst das Problem ist. Machtkonzentrationen in dieser Grössenordnung vernichten sich im reinen Selbstzweck. Sie vernichten als Selbstläufer ihnen vermeintlich unterstellte, menschliche und materielle Mittel mit kalter Arroganz und freiflottierender Selbstüberschätzung. Die riesige Menge von gutbesoldeten Schreibtischtätern und die noch besser bezahlten Vorzeigemarionetten von öfters zweifelhafter Fachkompetenz haben europaweit zum grossen Teil das Vertrauen der EU-Bürger verloren. Nicht ohne Gründe! Die Geschichte zeigt uns deutlich wohin solche Zustände jedesmal geführt haben - genau dahin wo Sie und alle anderen nicht hinwollen: In den Krieg.

Lösungen für die eskalierenden völkerzermürbenden Probleme innerhalb der EU liegen in kleinen de-zentralen Systemen, in autonomen selbstverantwortlichen Staaten. In wahrhaft demokratischen Staaten wo die Eliten, weil klar identifizierbar, zur Rechenschaft gezogen werden können wenn sie, in irgendeiner Form, erkennen lassen, dass sie ihrem Führungsjob und der damit verbundenen Verantwortung nicht gewachsen sind. Der Begriff "Eliten" bezieht sich auf politisch wie wirtschaftlich massgebende Führungspersonen.

Ihren Worten kann man nur zustimmen. Aber man sollte nicht vergessen, dass das europäische Wetter in Washington gemacht wird. Während des Kalten Krieges war Amerika an einem starken Bollwerk in Europa ineressiert. Als Garant für seine Einflussnahme drängte es die Briten - gegen den wohlbegründeten Widerstand de Gaulles - in die damalige EWG. Heute sieht es in der EU nur den Wirtschafts- und Macht-Konkurrenten. Mit seinem Trojanischen Pferd und durch die Besetzung wesentlicher Schaltposten mit Goldman&Sachs-Vertrauten hat es die EU voll unter Kontrolle. - Wobei Washington wiederum nur Botschafter seiner Wirtschafts- und Banken-Lobby ist. Das Teile-und-herrsche fällt den USA um so leichter, als jede neue Union, solange sie nicht von aussen bedroht ist, mit starken Zentrifugalkräften kämpfen muss - siehe den amerikanischen Sezessionskrieg. Ihre Ängste halte ich deswegen für sehr wohl begründet - leider.

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