Tut endlich was, Millionäre!

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Tut endlich was, Millionäre!

Von Joerg Thalmann, Brüssel - 13.01.2013

Die Finnen tun, was ich schon lange von euch erwartet hätte.

Darauf habe ich lange gewartet. Der finnische Präsident Sauli Niinistö verzichtet auf 20 Prozent seines präsidialen Gehalts und schraubt es von 160'000 Euro wieder auf 126'000 herunter wie vor 2012. Der Parlamentspräsident fordert seine Parlamentarier auf, ein Gleiches zu tun. Die Regierung hat ihre Gehälter beim Amtsantritt 2011 um 5 Prozent gekürzt. Niinistö hatte schon früher über 200'000 für wohltätige Zwecke gespendet. Alles das meldet die Neue Zürcher Zeitung am 10. Januar in der Rubrik „Aufgefallen“, Seite 2.

Aufgefallen, in der Tat. Zum ersten Mal höre ich, dass Prominente ihren eigenen Lohn kürzen. Nicht gerade massiv, aber im Vergleich mit Grossverdienern der Wirtschaft sind Finnlands Präsident, die Minister und die Parlamentarier Kleinverdiener. Von Schweizer Managern, Investmentbankern, Kundenjägern, einem CEO, Verwaltungsratspräsidenten oder –Mitglied habe ich noch nie so etwas vernommen. Habt ihr noch nie von der Minder-Initiative gehört?

Tut ihr das im geheimen? Sagt es! Vorher glaube ich das nicht. Sie bereichern sich unverschämt mit Löhnen und Boni und Abgangsentschädigungen. Seit Jahren wütet in der Öffentlichkeit eine Debatte darüber. Das Volk ist wütend. Die Anti-Abzocker-Initiative kommt am 3. März zur Abstimmung. Ihr habt Angst, sie könnte angenommen werden. Aber Sie schweigen. Wie wenn Sie das nichts anginge.

Es geht Sie aber etwas an. Sie gehören zu uns, auch Sie sind Schweizer wie ich und 8 Millionen andere, und wir erwarten Zeichen der Solidarität und den Verzicht auf Einkommen, die Sie sich im abgeschotteten Raum der oberen Bankenwelt gegenseitig zuschieben, die aber in keinem Verhältnis mehr stehen zu Normalverdienern und nicht einmal zu Ihren Leistungen.

Sie müssen ja nicht auf unser durchschnittliches Einkommensniveau herunterkommen. Aber wenn Zeichen ausbleiben, dass auch Sie sich unserem Volk zugehörig fühlen, seine Sorgen teilen und sie im Rahmen zumutbarer Möglichkeiten lindern wollen, dann werden es unser Staat und die Gesellschaft zu spüren bekommen. Sie höhlen den Glauben an den Liberalismus aus, von dem Sie und wir alle leben. Wundern Sie sich nicht, wenn das Volk aus Wut über eine abzockende Sonderklasse die Schweiz in Initiativen, Abstimmungen und Wahlen in Richtung von mehr Etatismus treibt, den Markt immer mehr mit Staatsregeln einschraubt, ihm die Freiheit und die Flexibilität nimmt, die uns unseren Wohlstand verschafft, dem Staat immer mehr Kompetenzen auf Kosten der freien Initiative gibt - der Initiative von Unternehmern und vielen anderen Bürgern.

Ihre Zeichen von Solidarität, von Zugehörigkeit dürfen nicht nur symbolisch sein, sie müssen einen spürbaren Einschnitt bedeuten. Es muss nicht unbedingt Lohnverzicht sein. Setzen Sie sich zusammen, nicht alle miteinander, in Gruppen mit verschiedenen Interessen. Jeder schiesst ein paar Millionen in einen Fonds oder eine Stiftung ein, je nach Gusto für Wohltätiges, Politisches, die Umwelt, Nationales, Lokales... Es muss einfach, mit einem altmodischen Wort, etwas Gemeinnütziges sein. Etwas, was nicht einem Privaten, sondern der Gemeinschaft nützt.

Es ist schon sehr spät. Aber wenn Sie in den nächsten acht Wochen etwas Spektakuläres tun, dann steigen die Chancen, dass die Minder-Initiative abgelehnt wird. Ohne solche Zeichen werden ihr auch Bürger und Bürgerinnen zustimmen, die sie schädlich für unsere Volkswirtschaft finden und glauben, ihre Vorschriften seien nicht einmal geeignet, ihre eigenen Ziele zu erreichen. Dann werden wir euch trotz diesen Vorbehalten ein Zeichen schicken: So gehts nicht mehr, die Wut kocht über, merkt das endlich!

Es gibt ein Land, da ist der Präsident noch bescheidener. Die Herald Tribune hat am 7.Januar in einem ausführlichen Artikel von José Mujica, dem Präsidenten Uruguays erzählt. Er hat auf den Präsidentenpalast mitsamt seinen 42 Angestellten verzichtet, lässt seine Wohnung von zwei Polizisten in Uniform bewachen und lebt mit seiner Frau weiter im bescheidenen Häuschen wie vor seiner Wahl 2010. Er spendet 90 Prozent seines Präsidentensalärs einem Häuserbauprogramm für die Armen.

Einverstanden, Herr Thalmann! Aber unsere Neo-Liberalen, wie auch der zweite Kommentar von unten zeigt, werden wohl alle Möglichkeiten im Ansatz zu ersticken wissen.

Völlig einverstanden. Und da es einen entsprechenden post-Ospel Finanzplatz Schweiz geben muss, hier ein Fragenkatalog an die Corona in Form einen Interpellationsentwurfs (aus: www.solami.com/helvetica.htm):

Lex Helvetica Banking

Was spricht gegen 1. die Hochhaltung und Verteidigung des spezifisch schweizerischen souveränen Bürgers der seine individuellen Freiheiten, Rechte und Verantwortungen auch im Dienste des Gemeinwohls wahrnimmt - im Gegensatz zum Anti-Glasnost gläsernen, angepassten und untertänigen Zudiener des Staates à la lex americana universalis und lex europae? 2. die Befolgung des von Adolf Muschg inspirierten Verfassungsgrundsatzes, wonach frei nur bleibt wer seine Freiheit gebraucht, und zwar auch bei der Festlegung von Standards in internationalen Gremien (z.B. OECD) gemäss bewährten Prinzipien, wie Souveränität und Rechtsstaatlichkeit, sowie auf allen Gesellschafts- und Verwaltungsstufen? 3. die Rückkehr zum Territorialprinzip sowie zum Grundsatz, wonach derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen hat, der aus ihr Rechte ableitet (Art.8 ZGB), womit des Bürgers Freizügigkeiten in Bezug auf seine Person, wie auch auf sein Vermögen und die Früchte seines Werkens, durch keinen staatlichen Eigentumsanspruch beschränkt sein sollen (www.solami.com/rubikBG.htm#15), und die auch im Steuerrecht erfolgte Umkehr der Beweislast (Lohnausweis) als systemwidrig rückgängig zu machen ist? 4. den Zugang des Bürgers zu Seelsorgern, Ärzten, Anwälten und Treuhändern seines Vermögens als dessen Vertrauenspersonen, welche dem Berufsgeheimnis unterstehen und dem Privatsphärenschutz verpflichtet sind (z.B. Banking im Gotthard: .../bankingfuture.htm#Gotthard), statt zu Befehlsempfängern sogar fremder Behörden degradiert zu sein? 5. die Entlastung von Schweizer Treuhändern von Pflichten, welche den hiesigen Traditionen und dem Schweizer Recht widersprechen oder nicht auf realer und umfassender Gegenseitigkeit beruhen? 6. die Ermächtigung der Treuhänder, in- und ausländischen Kunden ein Dienstleistungs- und Geschäftsmodell anzubieten, welches deren Privatsphäre verlässlich schützt, Drittsteueransprüche pauschal abdeckt, und auf freiwilliger Basis ihr soziales Verantwortungsbewusstsein schärfen und belegen soll, z.B. mit einer einmaligen Solidartätsleistung von mindestens zehn Prozent ihres Vermögens, sowie mit einer Abgabe von zehn Prozent ihrer Einkünfte? 7. die Stärkung und den Ausbau des Mäzenatentums in den von den Treuhändern begleiteten Bildungs-, Kultur-, Gesundheits- und andern gemeinnützigen Gebieten, unter Ausschluss von Retrozessionen, durch freiwillige Aufstockung der obigen Zehnten-Regeln?

Ich bin mir sicher, wenn man die Absahner nur einmal im Berufsleben zwingen würde, einen Monat z.B. mit einem der Arbeiter auf einer Autobahnbaustelle zu tauschen in Regen, Sonnenhitze, Winterkälte würden ihnen selbst Zweifel kommen, ob sie wirklich das Zehntausendfache Einkommen VERDIENEN.

Ersetzt die Minder-Initiative den Verwaltungsrat durch die Aktionäre? Na dann gute Nacht! Jede Manager-Neueinstellung könnte nur noch durch eine Generalversammlung legitimiert werden! Wegen den Lohnverhandlungen? Durch gut gestreute Aktienkäufe könnten zudem feindseelige Konkurrenten jede Firma entgleisen lassen. So sympatisch diese Initiative daherkommt, so viel Schaden wird sie in der Schweiz anrichten. Wie so oft, vorauseilendes Gutmenschentum nicht zu Ende gedacht! Der Gegenvorschlag wäre daher akzeptabel....für die Schweiz als Land ....und zudem einzigartig auf der Welt. Unsere internationalen Konkurrenten werden sich so oder so freuen.

Lieber Herr Thalmann. Ihre Worte in Ehren. Aber es reicht nicht, das Gewissen (wo es allenfalls geweckt wurde) mit Almosen zu beruhigen. Erst recht nicht, um "Bürger und Bürgerinnen" zu beruhigen. Die Lösung ist weit einfacher: Niemand muss etwas zurückgeben, wenn - ja wenn - er es nicht vorher auf Kosten der Natur, der Gesellschaft und dem einzelnen Arbeiter "erwirtschaftet" und in die eigene Tasche steckt.

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