Unheimliche Wiederkehr
Aus dem Stand heraus hat die AfD in acht Bundesländern Prozentzahlen erreicht, die allen etablierten Politikern das Fürchten lehren.
Zur Zeit ist die Partei damit beschäftigt, einen Programmentwurf für den Bundesparteitag am 1. Mai 2016 zu formulieren. Dabei amüsieren sich die Beobachter köstlich. Denn Parolen zu brüllen, ist das eine, das andere ist das Problem, aus diesen Parolen Programmpunkte zu machen. Besonders delikat: Der Schutz von Ehe und Familie und die Wiedereinführung des Schuldprinzips bei Scheidungen sollte in das Programm aufgenommen werden. Dumm nur, dass die verheiratete Parteivorsitzende und mehrfache Mutter Frauke Petry bekanntermassen mit dem AfD-Landesvorsitzenden von Nordrhein-Westfalen Marcus Pretzell, ebenfalls verheiratet und mehrfacher Vater, zusammenlebt. Also wurde dieser Passus aus dem Entwurf gestrichen.
In dieser Preislage gibt es eine Reihe von Punkten, aber das ist nicht das Problem. Das eigentliche Problem, das nicht nur die gerade aktiven Politiker betrifft, liegt in der Frage, ob die deutsche Nachkriegsgeschichte in Teilen neu interpretiert werden muss. Bislang galt die „grosse Erzählung“, dass sich die Deutschen zu ihrer Schuld am Nationalsozialismus bekannt und einen Läuterungsprozess durchgemacht haben, der weltweit Achtung hervorgerufen hat. Dass es rechtsradikale Grüppchen wie die NPD gab und gibt, vervollständigte nur dieses Bild – schliesslich gibt es überall Spinner und Unbelehrbare.
Das ist jetzt anders. Die AfD tritt mit völkischer Ideologie an, und nicht wenige, wie der thüringische Landesvorsitzende Björn Höcke, bedienen sich der Sprache der Nationalsozialisten. Bricht jetzt etwas auf, das latent immer da war, aber nicht bemerkt oder verleugnet wurde?
Sehr geehrter Herr Wehowsky, Sie schreiben: "Die AfD tritt mit völkischer Ideologie an, und nicht wenige, wie der thüringische Landesvorsitzende Björn Höcke, bedienen sich der Sprache der Nationalsozialisten."
Ich darf Sie und alle anderen "besorgten Bürger" beruhigen, wenn ich Ihre Befürchtung mit folgender Argumentation negiere:
1. Die Rede von Herrn Höcke enthält völkische Denkweisen, doch finden Sie die Sorge vor Überfremdung und Schmarotzertum nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt; auch Sie kämen nicht auf die Idee, drei Flüchtlinge privat aufzunehmen. Insofern "bricht jetzt etwas auf, das latent immer da war, aber nicht bemerkt oder verleugnet wurde".
2. Die Sorge davor, Menschen aufzunehmen, die man - aus vielerlei Gründen - nicht "integrieren" kann, sie ist auch deshalb berechtigt, weil die Unternehmerischen unter den Nicht-Integrierten dazu neigen, ihr Heil in der Organisierten Kriminalität zu suchen, haben doch gerade Männer, die aus Bürgerkriegen flüchten, ein anderes Verhältnis zur Gewalt gegen Menschen und Sachen als der von Björn Höcke verachtete "selbstverneinde europäischen Platzhaltertyp.“
3. Mein ultimatives, also unwiderlegliches Argument aber bezieht sich auf Ihre Theorie vom Nationalsozialismus, den auch Sie immer noch als Resultat einer Mehrheitsentscheidung der deutschen Bevölkerung erachten?!
4. Tatsache ist jedoch, dass die Machtergreifung der Hitleristen nicht gegen die Interessen und gegen den Willen des finanzkapitalistisch-rüstungsindustriell- militärbürokratischen "Komplex" der Weimarer Republik verstoßen hat, wäre sie doch ansonsten niemals zustande gekommen!
5.Denn jeder weiß, wenn er auch sonst nichts weiß, dass sich gegen diesen "Komplex" (Dwight D. Eisenhower) auch in einer Demokratie keine politische Funktionselite staatlich etablieren könnte; das gilt nicht nur für Russland, sondern auch für alle Nato-Staaten - und insbesondere für die USA, wie man es momentan studieren kann!
6. Entscheidend jedoch ist, dass der von den Hitleristen 1933ff. etablierte antijüdisch-antislawisch-arische RASSISMUS ALS STAATSDOKTRIN dysfunktional geworden und deshalb 1945 ff. strukturell-funktional zerschlagen werden konnte und genau deshalb auch zerschlagen worden ist.
7. Der damit verbundene politisch-ökonomischeParadigmenwechsel - weg von der volkswirtschaftlichen Autarkie und hin zur Globalisierung - hat Deutschland politisch-ökonomisch so stark werden lassen, dass der "Komplex" heuer nicht mehr auch nur noch den Hauch eines Interesses daran entwicklen würde, Ihr Menetekel, Herr Wehowsky, zu bestätigen, indem er irgendwelchen "Völkischen" in den Sattel verhilft....!? Was sollte der Quatsch?
8. Fazit: würden Wahlen etwas grundlegend verändern können (Art. 18 deutsches Grundgesetz), dann gäbe es keine demokratischen Wahlen. Hätten die Herrschenden ein Interesse an der AfD, dann gäbe es die auch an der Macht.
Ich kann Sie aber mit dieser Wahrheit beruhigen: Da die Herrschenden kein Interesse daran haben, dass die AfD von 2016 die Richtlinien ihrer Politik in Berlin bestimmt, so wird diese Variante der AfD auch niemals an die Macht kommen.
Und da auch die AfD´ ler letztlich an die Fleischtöpfe kommen wollen, so wird sich - jede Wette! - auch diese Partei "in die Mitte" bewegen, studiere man doch hier nur das große Vorbild Schweiz, auf das alle deutschen Bundestagsparteien hinsteuern.
actio gleich reactio. Nach rund 47 Jahren Deutungshoheit der Linkspopulisten sind auch die Deutschen, wie zuvor die Franzosen, die Schweden, die Polen, die Ungarn, die Oesterreicher und - horribile est dictu: die Schweizer lernfähig geblieben. Leider sind die Nordkoreaner, die Kubaner, Zimbabwer, die Weissrussen, die Venezolaner et alii noch nicht am lernen. Nichts neues - in concreto AfD - unter der Sonne.