Bei uns steht wieder alles in den Startlöchern für die Frankfurter Buchmesse: Zahlreiche Neuerscheinungen der deutschsprachigen und internationalen Literatur wollen entdeckt werden. Wir haben die Romane zusammengetragen, die unsere Kolleginnen der Presseabteilung jetzt besonders empfehlen. Hier kommt Teil 1 mit Annette Hess, Wolf Wondratschek und dem Kollektiv Weiter Schreiben.
Annette Hess: „Deutsches Haus“

MEIKE BLATNIK
Ihre Fernsehserien sind Kult – mit Weissensee und Kudamm `56 & `59 hat Annette Hess sich in die Herzen eines breiten Publikums geschrieben. Ihr Markenzeichen: Zeitgeschichte erfahrbar machen und dabei gut unterhalten. Wie gut sie das kann, zeigt Hess jetzt in ihrem ersten Roman „Deutsches Haus“. Wieder widmet sie sich einem ernsten, deutschen Thema – den Frankfurter Auschwitzprozessen, die sich ab 1963 um die Aufarbeitung der Gräueltaten der Nationalsozialisten bemühten.
Im Mittelpunkt dieser Familiengeschichte steht die junge Eva, die während des Prozesses dolmetscht. Das, was sie dort zum ersten Mal hört, erschüttert sie zutiefst und stößt viele Fragen an, die die Grundfesten ihrer Familie und ihres bisherigen Lebens ins Wanken bringen. Der Roman zeigt, wie facettenreich das Thema Schuld ist. Der schlichte, schnörkellose Stil der drehbuchgeschulten Autorin besticht durch seine Erzählökonomie: Jede Figur befindet sich an ihrem Platz, die Geschichte ist handlungsgetrieben und szenisch geschrieben und lebt nicht zuletzt von seinem Zeitkolorit. „Deutsches Haus“ von Annette Hess ist ein gelungener Debütroman am Puls der Zeit.
Wolf Wondratschek: „Selbstbild mit russischem Klavier“

CHRISTINE HEINRICH
„Selbstbild mit russischem Klavier“ von Wolf Wondratschek ist ein Roman über die Sehnsucht und Wehmut des Künstlers, eine poetische Reflexion über die Suche nach Wahrheit und Wahrhaftigkeit in der Kunst und eine kleine Philosophie des Lebens.
Dies alles erzählt in einer höchst eleganten Sprache, der es gelingt, präzise und, seinen Gegenstand, seine Themen umspielend, unbestimmt zugleich zu sein – ein Buch, das dafür da ist, langsam, genau, verweilend, genießend, nachdenkend (und, wie der Autor kürzlich sagte, gern mit Bleistift) gelesen zu werden!
Lina Muzur, Annika Reich (Hrsg.): Das Herz verlässt keinen Ort, an dem es hängt

SUSANN BRÜCKNER
Weitermachen, Weiterreden, Weiterschreiben. Das ist der dringliche Appell, den die Texte dieses Bandes senden. Sie bilden einen Dialog über künstlerisches Schaffen im Exil ab. Den führen Autorinnen und Autoren aus Krisengebieten mit namhaften deutschen Schriftstellerinnen und Schriftstellern — unter ihnen Nino Haratischwili, David Wagner und Saša Stanišić. In ihren Gedichten und Prosatexten geht es um Erinnerung und Vergegenwärtigung, Häuser und Wolfsherzen, Verlust und Identität, Liebe und Begehren, Kühlschränke und Küchentische, Hoffnungen und Enttäuschungen.
Aus einer Anthologie darf man sich Lieblingstexte herauspicken. Meiner ist der Text von Samuel Mágó „die ungegossene“. Olga Grjasnowa sagt darüber: Man geht in einem Bild von Chagall spazieren. Ein bemerkenswerter, schöner Spaziergang wäre das, einer durch Gegenwart und Vergangenheit, aus dem man gleichzeitig erschöpft und erholt zurückkehrt.
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