Wer Gutes tun möchte, steht oft vor der Frage, wie er dies am besten anstellt. Meist entscheidet man dann emotional, ohne sich ernsthaft mit den Alternativen auseinanderzusetzen. Beim effektiven Altruismus ist das anders. William MacAskill hat ihn zum Forschungsgegenstand gemacht und spricht mit uns darüber, wie man am besten helfen kann.
Was ist, in wenigen Worten, effektiver Altruismus?
Effektiver Altruismus (EA) ist eine intellektuelle Bewegung, die sich auf theoretischer Grundlage dafür einsetzt, anderen so viel wie möglich zu helfen. Beim EA geht es darum, sich die Frage zu stellen „Wie kann ich die größte mir mögliche Wirkung erzielen?” und anschließend durch kritisches Nachdenken zu einer Antwort zu gelangen. Der EA wählt eine wissenschaftliche Herangehensweise an die gute Tat. Genau wie die Wissenschaft auf dem ehrlichen und unvoreingenommenen Streben nach der Wahrheit sowie der Bereitschaft beruht, an diese Wahrheit zu glauben, worin auch immer sie bestehen möge, so beruht der EA auf dem ehrlichen und unvoreingenommenen Streben danach, herauszufinden, was für die Welt am besten ist, und der Bereitschaft, dieses Beste zu tun, worin auch immer es bestehen möge.
Wie kamen Sie dazu, daraus ihr Arbeits- und Forschungsfeld zu machen?
Ich hatte damit begonnen, für wohltätige Zwecke zu spenden, und wollte sicherstellen, dass meine Spenden für andere eine größtmögliche Hilfe bedeuteten. Gemeinsam mit Toby Ord, einem Oxforder Postdoktoranden, nahm ich also die Kosteneffizienz von Wohltätigkeitsorganisationen, die sich der Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern verschrieben haben, unter die Lupe. Die Ergebnisse erstaunten uns. Wir kamen zu dem Schluss, dass die besten Wohltätigkeitsorganisationen hundertfach effektiver darin sind, Leben zu verbessern, als einfach nur „gute“ Wohltätigkeitsorganisationen. Dadurch ist mir bewusst geworden, wie wichtig es ist, auf diesem Gebiet zu forschen.
Unsere Freunde und Kollegen haben, wie viele Menschen in Deutschland, freiwillig vor Ort in den Flüchtlingsunterkünften ausgeholfen oder sich an lokalen Initiativen beteiligt, die Kleidung und andere Güter des täglichen Bedarfs an Flüchtlinge verteilen. Ist es im Sinne des effektiven Altruismus sinnvoll, seine eigene Zeit für solche Initiativen in der näheren Umgebung einzusetzen? Oder gibt es vielleicht effektivere Möglichkeiten für die einzelne Person, zur Lösung jener Probleme beizutragen, die sich den Flüchtlingen in Deutschland stellen?
Wenn Menschen Gutes tun wollen, denken sie oft an ein ehrenamtliches Engagement. Aber diese Form von freiwilliger Hilfe ist an sich keine besonders effektive Möglichkeit, Gutes zu tun. Erstens sind freiwillige Helfer normalerweise nicht für den Bereich ausgebildet, in dem sie sich engagieren. Demnach ist der Nutzen, den sie erbringen, für gewöhnlich sehr begrenzt, vor allem im Vergleich zu anderen Dingen, die sie mit dieser Zeit anfangen könnten. Zweitens nehmen freiwillige Helfer oft wertvolle Verwaltungsressourcen in Anspruch. Daher kann ein ehrenamtliches Engagement, alles in allem betrachtet, manchmal sogar schädlich sein.
Im Allgemeinen besteht die beste Möglichkeit, zu einer Sache außerhalb des eigenen Kompetenzfelds beizutragen, darin, Geld an die kosteneffizienteste Wohltätigkeitsorganisation zu spenden, die sich in dieser Sache engagiert. Was Flüchtlinge angeht, bin ich allerdings davon überzeugt, dass man mit politischem Engagement sogar noch mehr erreichen kann. Uns bietet sich gerade eine erstklassige Gelegenheit für einen überaus positiven politischen Wandel. Die Kernbotschaft ist einfach: „Lasst mehr Leute rein!“ Durch politisches Handeln kann also ein klares Signal an die Regierenden ausgesandt werden. Daneben gibt es eine grundlegendere Maßnahme, die wir unterstützen können: Ändert das Gesetz, um jenen Flüchtlingen, über deren Asylantrag noch entschieden werden muss, die Aufnahme einer vorübergehenden Beschäftigung zu erlauben. Flüchtlinge aufzunehmen wäre dann nicht länger eine Last für das Aufnahmeland. Stattdessen würden wir ihnen erlauben, produktive Mitglieder der Gesellschaft aus sich zu machen.
Noch einmal: Ist es im Sinne des effektiven Altruismus für Arbeitgeber sinnvoll, ihren Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, Arbeitszeit für eine ehrenamtliche Tätigkeit (oder eine andere Form der Flüchtlingshilfe) aufzuwenden? Wie wäre es damit, Mitarbeitern zu ermöglichen, sich während der Arbeitszeit und innerhalb des Unternehmens hinsichtlich ihres Engagements in der Flüchtlingshilfe auszutauschen und untereinander zu vernetzen?
Da ich aus den oben genannten Gründen einer ehrenamtlichen Tätigkeit skeptisch gegenüberstehe, glaube ich nicht, dass es aus Sicht eines Arbeitgebers besonders kosteneffizient wäre, den eigenen Mitarbeitern zu erlauben, ihre Arbeitszeit für eine solche Tätigkeit zur Verfügung zu stellen. Stattdessen glaube ich, dass Arbeitgeber karitative Spenden fördern sollten, indem sie die Spenden ihrer Mitarbeiter aufstocken. Wenn man sich also dazu entschließt, einen gewissen Anteil des eigenen Einkommens an eine bestimmte Wohltätigkeitsorganisation zu spenden, könnte der Arbeitgeber dieselbe Summe spenden und auf diese Weise die Wirkung der Spende verdoppeln. In den Vereinigten Staaten bieten zahlreiche Unternehmen, darunter Google und Microsoft, solche Programme an.
Glauben sie, dass emotionale Aspekte normalerweise unser Urteil trüben, wenn wir anderen helfen wolllen? Oder warum muss der effektive Altruismus erst erlernt werden?
Richtig. Menschen, die sich beim Spenden ausschließlich von ihren Gefühlen leiten lassen, tun am Ende sehr viel weniger Gutes als in ihrer Macht stünde, wenn sie fundiertere Entscheidungen träfen. Beispielsweise neigen emotionale Spender dazu, Wohltätigkeitsorganisationen zu unterstützen, die sich auf konkrete Individuen konzentrieren – wie im Falle der Make-a-Wish-Foundation, die einem unheilbar erkrankten Kind einen letzten Wunsch erfüllt –, auch wenn man mit demselben Geld sehr viel mehr Leben hätte retten können, wenn man an eine andere Wohltätigkeitsorganisation – wie die Against Malaria Foundation – gespendet hätte. Im Gegensatz zu dem, was einige Kritiker behaupten, möchten effektive Altruisten das Spenden jedoch nicht von der Emotionalität befreien. Vielmehr glauben wir, dass der emotionale Impuls, anderen zu helfen, den wir alle haben, von der Vernunft begleitet werden sollte, damit unsere Taten anderen eine größtmögliche Hilfe sind.
Das Buch
Ist es sinnvoll, nach Naturkatastrophen zu spenden? Soll ich einen Flüchtling beherbergen? Übernehme ich besser die Patenschaft für ein Kind aus Äthiopien oder für ein Kind aus Deutschland?
Fast jeder von uns will die Welt zum Besseren verändern. Aber oft handeln wir dabei intuitiv und helfen gar nicht den Betroffenen, sondern nur unserem guten Gewissen. William MacAskill, britischer Shooting Star der Philosophie, unternimmt eine radikale, faktenbasierte Neubewertung, wie wir effektiv Hilfe leisten können. Er erklärt, warum eine preiswerte Wurmkur für afrikanische Kinder sinnvoller ist als eine teure Wasserpumpe und warum gut gemeint längst nicht das Gleiche ist wie gut gemacht.
Ein Buch für alle, die Gutes noch besser tun wollen.
Links
Gutes besser tun auf den Seiten der Ullstein Buchverlage
Die offizielle Website von William MacAskill
William MacAskill bei Twitter
Die Website von MacAskills 80.000 Hours
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