Wow!– John le Carré in der Elbphilharmonie

Alle zweitausend Plätze der Hamburger Elbphilharmonie waren besetzt, als John le Carré am 15. Oktober seinen einzigen Auftritt außerhalb Englands gab. In einer vierzigminütigen Rede auf Deutsch sprach der Meister des Spionageromans über die politischen Umstände in Europa und der Welt und unterhielt sich mit ZEIT-Redakteur Yassin Musharbash über seinen neuen Roman „Das Vermächtnis der Spione“. Sein Übersetzer, Peter Torberg, saß staunend im Publikum. 

 

© DIE ZEIT – Phil Dera

 

John le Carré, aka David Cornwell, hatte am 15. Oktober in Hamburg seinen einzigen Auftritt außerhalb der britischen Inseln, um sein neues Buch vorzustellen – und alle, alle kamen.

Selbst das Wetter wusste Bescheid: Unter allerbesten Bedingungen flanierte ein Großteil der Hamburger Bevölkerung durch die Innenstadt, an Binnen- und Außenalster, an den Elblandungsbrücken und durch die neue Speicherstadt Am Sandtorkai und Dalmannkai. Plätze in den Straßencafés waren Mangelware, die Eisverkäufer erlebten ihren letzten großen Tag des Jahres, und überall herrschte heitere, gelassene Stimmung: Sonntag, Sonnentag in der Großstadt.

 

© DIE ZEIT – Phil Deraund der ZEIT.

 

Und sie alle waren nur wegen le Carré gekommen; so hätte man jedenfalls glauben können. Denn als ich mich der Elbphilharmonie näherte, weit vor der Zeit natürlich, sah ich schon die Riesenschlange, die auf Eintritt wartete. Doch nein, diese Schlange galt der Besucherterrasse in diesem Gebäude, wo sich die Menschen bei prächtigem Wetter regelrecht drängelten, um einen schönen Aussichtspunkt auf den Hafen und die Speicherstadt zu ergattern.

Dies alles bot prächtige Kulisse zu dem Termin, auf den wir lange gewartet hatten: John le Carré hielt im sanften Plauderton des bescheidenen Engländers eine Rede über seine Verbindung zu Deutschland, zur Vorgeschichte des neuen Romans, und zu den neuesten politischen Umständen in Europa und der Welt. All die eingängigen Zitate sind durch die gesamte deutschsprachige Presse gegangen, auch in der Schweiz und in Österreich also, und dort genauestens nachzulesen.

 

© DIE ZEIT – PHIL DERA

 

Anders als ich zuerst befürchtet hatte (zweitausend Plätze im Großen Saal, wer will die denn alle befüllen!), war die Veranstaltung schon lange ausverkauft, und le Carré konnte beweisen, dass es ihm in keiner Weise schwerfällt, auch vor solcher Kulisse und in diesem prächtigen Raum zu bestehen.

Der Saal bildete tatsächlich den würdigen Rahmen für eine einmalige Veranstaltung: groß und prächtig, doch auf interessante Weise, zugleich recht angenehm ausgeleuchtet und, so merkwürdig sich das anhören mag, recht persönlich und freundlich.

 

© DIE ZEIT – Phil Deraund der ZEIT.

 

© DIE ZEIT – Phil Dera

 

Natürlich war während des Vortrags und der nachfolgenden Gesprächsrunde mit Yassin Musharbash der Saal abgedunkelt. Und erst zum wohlverdienten Applaus des Publikums konnte le Carré sich umschauen: Dort brachte er seinen Eindruck wortlos zum Ausdruck und formte, für alle in der Nähe sichtbar, das Wort: „Wow!“.

Besser hätte ich es auch nicht sagen können.

 

© DIE ZEIT – Phil Dera

 

Eine gemeinsame Veranstaltung des Harbour Front Literaturfestivals, der Ullstein Buchverlage und der ZEIT.

 

Bis zum 31. Oktober habe Sie noch die Möglichkeit, die Veranstaltung im ZEIT-Videostream anzuschauen.


Das Buch 

1961: An der Berliner Mauer sterben zwei Menschen, Alec Leamas, britischer Top-Spion, und seine Freundin Liz Gold.

2017: George Smileys ehemaliger Assistent Peter Guilliam wird ins Innenministerium einbestellt. Die Kinder der Spione Alec Leamas und Elizabeth Gold drohen, die Regierung zu verklagen. Die Untersuchung wirft neue Fragen auf: Warum mussten die Agenten an der Berliner Mauer sterben? Hat der britische Geheimdienst sie zu leichtfertig geopfert? Halten die Motive von damals heute noch stand? In einem dichten und spannungsgeladenen Verhör rekonstruiert Peter Guilliam, was kurz nach dem Mauerbau in Berlin passierte. Bis George Smiley die Szene betritt und das Geschehen in einem neuen Licht erscheint.

 

„Das Vermächtnis der Spione“ auf den Seiten der Ullstein Buchverlage.

 

John le Carré

John le Carré

John le Carré, 1931 geboren, studierte in Bern und Oxford. Er war Lehrer in Eton und arbeitete während des Kalten Kriegs kurze Zeit für den britischen Geheimdienst. Seit nunmehr fünfzig Jahren ist das Schreiben sein Beruf. Er lebt in London und Cornwall.

Foto: © White Hare

Peter Torberg

Peter Torberg

Peter Torberg, geboren 1958 in Dortmund, studierte in Münster und in Milwaukee, Wisconsin. Zu den von ihm übersetzten Autoren gehören u.a. Paul Auster, William Golding, David Peace, Daniel Woodrell und Oscar Wilde.

Foto: © privat

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