Eigentlich steht erst das Erntedankfest kurz bevor, mit riesigen Kürbissen, knackigen Äpfeln, saftigen Pflaumen und gelben Rüben. Doch in den Supermärkten sind die Regale schon mit Spekulatius und Stollen bestückt. Und das so genannte herbstliche Gebäck bildet nur die Spitze von gleich drei Weihnachtswellen, die alljährlich über den Verbraucher rollen. "Marzipan und Dominosteine kommen Mitte Oktober", erklärt Simone Meyer vom Handelskonzern Metro (real, Extra, Kaufhof). Und drei Wochen später schließlich gibt es dann das volle Programm: Unter der offiziellen Bezeichnung "Hohlfigur" wird der Schokoladen-Nikolaus die Regale in Beschlag nehmen und für die folgenden zwei Monate nicht mehr verlassen.
Bei den Wettbewerbern Edeka und Rewe (Minimal, Penny, HL) hat das Christkind einen zweistufigen Zeitplan: Hohlfiguren im Oktober, der Rest um Lebkuchen und Co. in der ersten Septemberhälfte. "Wir bedienen lediglich die Nachfrage des Kunden", heißt es unisono bei den Händlern. "Wenn die Artikel nicht so früh nachgefragt würden, gäbe es sie auch nicht in den Läden", meint ein Rewe-Sprecher.
Jedes Jahr lassen sich Hersteller eine Überraschung einfallen
Doch Mechthild Winkelmann von der Verbraucherzentrale NRW meint, dass das Angebot erst die Nachfrage erzeugt: "Gerade wenn Kinder beim Einkaufen beispielsweise über Dominosteine stolpern, wollen sie die dann auch haben." Daher kritisierten die Verbraucherschützer schon lange, dass es neben der letzten Grillkohle schon Spekulatius und andere Leckereien gibt.
Der Eindruck des Kunden, Weihnachten würde immer weiter in den Sommer vorgezogen, sei jedoch falsch, findet Simone Meyer. "Da hat sich in den vergangenen 20 Jahren überhaupt nichts geändert." Der Hauptteil des Umsatzes würde zwar im Dezember gemacht, erfahrungsgemäß mit einer Absatzspitze um Nikolaus. Immerhin rund 14 Prozent des Weihnachtssaison-Verkaufs von Süßwaren stammen bei der Metro jedoch bereits aus dem September.
Und dabei lassen sich die Hersteller jedes Jahr etwas Neues einfallen. "2004 war Schokolade mit ausgefallenen Geschmacksrichtungen der Trend", weiß Torben Erbrath vom Bundesverband der Süßwarenhersteller (BDSI). Damals gab es den Nikolaus bereits mit Chili-Geschmack. Die Neuerungen dieses Jahres werden auf der Messe Anuga in Köln vom 8. bis zum 12. Oktober vorgestellt.
Kirchen nicht besonders glücklich über den vorweihnachtlichen Konsum
Nicht besonders glücklich über den vorweihnachtlichen Konsum sind die Kirchen. "Alles hat seine Zeit, der kirchliche Kalender ist das Spiegelbild der Jahreszeiten", sagt Ulrich Lota, Sprecher des Bistums Essen. Und Weihnachten sei nun einmal im Herbst noch nicht dran.
Für die Hersteller wäre das Jahr ohne den weihnachtlichen Konsum überhaupt nicht vorstellbar, unterstreicht Erbrath vom BDSI. Rund 280 Millionen Euro würden hier umgesetzt, und darin ist das Herbstgebäck noch nicht enthalten. Den Süßwaren-Verzehr in der Weihnachtssaison pro Kopf schätzt er auf rund drei Kilogramm. Und noch eine Zahl: Jahr für Jahr werden fast 100 Millionen Schoko-Weihnachtsmänner hergestellt. Ein Rekord, der nur von einem übertroffen wird: dem Osterhasen - und der steht dann schon Anfang des Jahres in den Regalen.
Carsten Sander/DPA