Archiv des Themenkreises ›Serienjunkiez‹


Die 30 besten US-Serien 2007/08, Platz 22:
The Big Bang Theory (1. Staffel, CBS)

Barcelona, 2. August 2008, 07:03 | von Paco

(Übersicht: Alle 30 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

Eine Rolle als Nerd ist normalerweise undankbar, da man ein lebendes Klischee spielen muss. Wir erinnern uns etwa an Michael aus der NBC-Serie »Joey« oder oder oder. In »The Big Bang Theory« kriegen wir die Nerds gleich im Viererpack, wenn die WG-Partner Leonard und Sheldon von ihren Freunden Howard und Rajesh besucht werden, was ziemlich oft der Fall ist.

Die »Big Bang«-Nerds sind wirklich gelungen: Im WG-Wohnzimmer stehen zwei Flipcharts, ihre Metaphern borgen die Jungs aus der Welt der Quantenphysik, der Dopplereffekt taugt schon mal als Halloween-Kostüm, und sobald es ein Problem gibt, sind sie sofort am Notebook, um nach Abhilfe zu googeln.

Dabei gibt es zwischen Sheldon und Leonard doch ein erkennbares Gefälle in punkto Geekhaftigkeit. Sheldon erfüllt seine Rolle als Supergeek hervorragend, inkl. Superman-T-Shirt, Superbegabung (mit 11 war er am College, mit 16 machte er den PhD) und dem Wunsch nach totaler sozialer Askese.

Ein gelungenes Beispiel sehen wir in Folge 10: Aus einer Ausrede, die Sheldon für nicht gut genug hält, erschafft er durch eine Verkettung von Unterlügen ein wissenschaftlich wasserfestes Lügengespinst, bei dem er am Ende sogar einen ausgedachten Cousin mit Jugendtrauma auftreten lässt, nur damit eine lapidare Anfangsausrede nicht auffliegt.

Leonard hingegen möchte sein Geektum endlich an den Nagel hängen, auch um Penny zu gefallen. Die neue Nachbarin ist eine »cheesecake-scented goddess«, wie Howard sie überschwänglich beschreibt. Sie versucht des Öfteren, die Geeks an die Hand zu nehmen und sie mit sozialen Grundverhaltensweisen bekannt zu machen, etwa bei der Ausrichtung von Leonards Geburtstagsfeier in Folge 16.

Das hier ist also »Beauty & the Geek« als Sitcom, und es funktioniert sehr gut. Im Gegensatz zur britischen Serie »The IT Crowd« sind die Insidergags hier auch wirklich mal gut und teilweise auch tatsächlich insiderig und wirken nicht so ausgedacht.


Die 30 besten US-Serien 2007/08, Platz 23:
Beauty & the Geek (4. und 5. Staffel, The CW)

Barcelona, 1. August 2008, 15:20 | von Paco

(Übersicht: Alle 30 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

Gleich am Anfang der 4. Staffel wird wieder mit viel zu viel Tamtam eine Neuerung zelebriert, eine »evolution« des Showkonzepts: Zusätzlich zu den Teams mit jeweils einer Beauty und einem Geek wird ein Team mit männlichem Beau und weiblichem Geek eingeführt. Eine Schnapsidee, wie sich gleich herausstellt, denn der Beau Sam hängt sich gleich an eine der Beautys, statt sich mit seiner Geek auf die Wettbewerbe vorzubereiten.

Schon nach kurzer Zeit landen sie in der Kiste, gefilmt als graues Überwachungskameraknäuel (wie es auch bei »Big Brother« üblich ist), gerade noch rechtzeitig, bevor Sams Flamme gehen muss (Folge 5). Danach räumt er dann eine Competition nach der anderen ab, »another one up for Sammie boy«, kommentiert er seine Siege etwa in Folge 9.

Mit einer noch sinnloseren Idee startet dann Staffel 5, wenn es heißt: »Beauties vs. Geeks«. Wobei eine der darauf basierenden Competitions durchaus interessant ist: Die Beauties müssen statt einem »makeover« ein »makeunder« über sich ergehen lassen. Sie sehen dann zwar aus wie Baba Yaga oder die Glöcknerin von Notre-Dame, erheischen sich bei einer Party dann aber doch mehr Telefonnummern als die Geeks und entscheiden so eine Runde für sich. Der »battle of the sexes« wird in Folge 3 glücklicherweise wieder aufgegeben.

Abgesehen von den beiden »evolvement«-Behauptungen ist die Gute-Laune-Serie mit ihren beiden letzten Staffeln wieder in Bestform. Trotz all der überzogenen Gefühlsausbrüche und der teils schlecht ausgedachten Wettbewerbe: Die Amerikaner schaffen es, so eine Realityshow nicht als Trash sondern als Party zu inszenieren. Die Tränen der zum Abgang nominierten Mädels machen auch nur so Sinn, im Rahmen all der überkandidelten Excitedness sind sie völlig authentisch und angemessen. Zu den Staffeln im Einzelnen:

Staffel 4

Wieder wurden aus den schönsten Bewerberinnen diejenigen ausgesucht, die am einfallsreichsten ihr Nichtwissen oder ihre Uninteressiertheit zur Schau tragen. Babysitterin Jasmine gelingt hier ein Klassiker. Sie will zwar gewinnen, aber: »Do we really have to read? Again? I only like to read things with pictures.« (Folge 5) Bezeichnenderweise ist es am Ende ihr Team, das durch Zuschauervoting die $250.000 absahnt.

Ein Casting-Clou der 4. Staffel ist auch der Vorzeigegeek Joshua, ein Astrophysiker mit schief aufgesetzter, viel zu großer Brille, ungepflegtem Teint und prototypisch geekigem Rede-Duktus.

Feindschaften zwischen den Teams werden weiterhin meist dadurch inszeniert, dass zwei (später auch mehr) Teams pro Folge in den »elimination room« geschickt werden, ausgewählt von den Siegern der Wettbewerbe. Wer dann zurückkommt, hat es nach den Gesetzen der Rache natürlich auf den abgesehen, der ihn da reingeschickt hat.

Eine fragwürdige Dramaturgie-Komponente sind die Zusammenschnitte der sozialen Geräusche, die sich zwischen den Wettbewerben abspielen. So kommt etwa Will äußerst schlecht weg bei den montierten Szenen. Bei einer Stunde Sendematerial pro Woche ist das aber nicht mehr als eine zugespitzte Interpretation. Er habe dann bei der nachträglichen Durchsicht aller TV-Folgen auch nicht schlecht darüber gestaunt, als was für ein egoistischer Unsympath er rübergekommen sei, wie er in der Finalfolge zugibt. Derlei Beef-Erzeugung wird dann vom (wie immer grundympathischen) Moderator Mike Richards mit der Bemerkung abgefedert, dass die Show eben ein »social experiment« sei.

Staffel 5

Der interessanteste Charakter der bisher letzten Staffel war der Cowboy Joe, der dauernd »Yes, Sir!« sagt und mit militärisch korrekten Grüßen um sich wirft. Nach seinem »makeover« sieht er allerdings aus wie ein gerupftes Huhn. Er scheint nicht mehr er selbst zu sein, nachdem er seinen Hut und seinen Bart abgeben musste, es ist ihm einfach alles egal, bis er irgendwann sogar die aufgedrehte Randi bespuckt. Nach diesem bösen Fauxpas heult der einst so starke Cowboy vor der Kamera und gibt Schwächen zu (Folge 6). Auch mit seiner tussigen Partnerin Tara versteht er sich null, aber sie machen was draus, reißen sich zusammen und schaffen es bis in die vorletzte Folge.

Die 5. Staffel war um einige Folgen kürzer als die Staffel davor, aber wieder wird der Excitedness breiter Raum gegeben, besonders wenn die Teilnehmer in Zwischenschnitten den gerade absolvierten Wettbewerb rekapitulieren: »We were just like, wow!«

Um ihrer »evolvement«-Strategie zu entsprechen, experimentieren die Serienmacher übrigens mit der Folgendramaturgie: Am Ende von Folge 5 wird zum Beispiel niemand nach Hause geschickt, das wird am Anfang von Folge 6 nachgeholt. Trotz den manchmal lästigen Bastelarbeiten an der laufenden Serie, wird aber wieder genügend Spannung erzeugt. Vor allem das Finale der 5. Staffel ist wirklich gelungen.

Vorerst ist aber Ruhe, eine 6. Staffel ist nicht in Planung, damit sich das Konzept etwas erholen kann.


Die 30 besten US-Serien 2007/08, Platz 24:
Quarterlife (1. Staffel, Web/NBC)

Barcelona, 1. August 2008, 06:25 | von Paco

(Übersicht: Alle 30 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

Diese Serie über das digitale Prekariat wurde zuerst online veröffentlicht, in 36 Kurzfolgen, bevor diese für die Ausstrahlung auf NBC zu 6 Langfolgen kombiniert wurden. Nach dem Quotendesaster, das die Pilotfolge verursachte, wurde sie aber wieder abgesetzt. Im Ganzen gesehen handelt es sich denn doch um abgefahrene Zielgruppenästhetik, schlecht ist die Serie aber keineswegs.

Der einzige Nervfaktor sind die gedehnten Selbstfilmereien, die von der Hauptfigur Dylan vor ihrem Kameratagebuch abgeleistet werden, bei dem wir durch die MacBook-Linse direkt in ihr birnenförmig verzogenes Gesicht sehen. Sie videobloggt fröhlich über ihre Mitbewohner (»I have to be honest, it’s like a fetish or something.«) – im Zeitalter der Maxim-Biller-Buchverbote ein gewagter Approach, hehe.

Insgesamt bedient ihre schreckliche Tagebuchlamentiererei alle Vorbehalte, die seit Jahren gegen Blogs geäußert werden. Zwei Beispiele aus Folge 3: »It’s just weird that you can never know what someone else is thinking. (…) Are we supposed to laugh at that or cry?« – »I’m waiting for a life. Why does everything has to be so damn complicated?« – Glücklicherweise gibt es im Netz unzählige Parodien zu diesem Emo-Schrott.

Außerdem gibt es viele UNIDs (»UnNatürliche Informativ-Dialoge«, Helmut Krausser), wenn über die Phänotypen des Web 2.0 gesprochen wird, also Blogs, Community-Sites usw. Trotzdem gelingt der Versuch, die neuen Kulturtechniken der erwachsen gewordenen Online-Generation ordentlich zu bebildern. Danny und Jed versuchen sich an selbstproduzierten Werbevideos im MTV-Style. Die kellnernde Schauspielanwärterin Lisa dreht ein Präsentationsvideo fürs Web, nachdem es beim Real-Life-Schauspielunterricht nicht geklappt hat (»Your beauty is boring!«). Sie heuert dann lieber bei einer MySpace-kompatiblen Band als Sängerin an. Und so läuft es ja im Web angeblich heutzutage: Nachdem 1000 Leute irgendwo online für sie abgestimmt haben, darf die Band zu einem Konzert nach Las Vegas.

Fehlt noch die wunderschöne Debra, Dylans beste Freundin und Mitbewohnerin, die aber nicht allzu viel an Story abbekommt. Zuerst ist sie mit Danny zusammen, der sie dann aber hintergeht und bei ihr für zusätzliche Depressionen sorgt, bis sie eine Art Selbstmordversuch unternimmt.

Ansonsten werden nebenbei einige dezidiert junge Themen verhandelt, zum Beispiel Global Warming. Das Thema kommt mit dem WG-Besucher Eric ins Spiel, der als Umweltaktivist die üblichen Klischees über Hybridmotoren und erneuerbare Energien verzapfen darf. Not that there’s anything wrong with it, aber es kommt einfach zu altbacken lieb rüber.

Über dieses Thema redet Eric dann viel mit Dylan, die dann für ihr Magazin auch ihren ersten Artikel über genau dieses Thema schreiben darf. Zur Ausfechtung des Generationenkonflikts wird übrigens Dylans Mutter ins Skript geschrieben, und Eric darf dann sie und ihre Generation ein wenig beschimpfen.

Ansonsten ist »Quarterlife« doch ziemlich gut um die 5 Haupt­personen herum gestrickt. Der Cast ist recht ausgewogen, es gibt interessante Konstellationen und Spannungen, und die Verliebtheits­plots fallen sogar mal überdurchschnittlich ambivalent aus.

Ob es fürs Web eine zweite Staffel geben wird, steht noch nicht fest.


Die 30 besten US-Serien 2007/08, Platz 25:
Miss Guided (1. Staffel, ABC)

Barcelona, 31. Juli 2008, 14:02 | von Paco

(Übersicht: Alle 30 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

Ok, der Namensgag des Titels (zu vergleichen mit »Herr Vorragend« o. ä.) ist irgendwie schlecht, beschreibt aber die Hauptfigur sehr treffend: Becky Freeley ist Guidance Counsellor (eine Art Sozialpädagogin) an ihrer alten Highschool, wo sie ihre Teenager-Traumata wieder verfolgen. Und außerdem, hence the name, weiß sie nicht wirklich, wo’s langgeht, ganz generell gesprochen.

Sie ist eine sympathische junge Frau, die ihr Schicksal hilflos lächelnd anblickt. Irgendwann muss es doch mal klappen. Dabei ist sie unerfahren, schüchtern und tollpatschig und nervt oft mit ihrer Unbedarftheit.

Grandios ist »SNL«-Legende Chris Parnell: Als stellvertretender Schuldirektor Bruce spielt er eine Mischung aus Jack von »30 Rock« und Dwight vom »Office«. Er trumpft also mit überkandidelten Ideen auf, ist gleichzeitig aber eine durchsetzungsunfähige Lusche. So stellt sich in Folge 5 heraus, dass er für eine dominante Lehrerin Sachen in die Reinigung bringt und andere häusliche Dinge erledigt.

Auch der Spanischlehrer Tim ist lustig: Er ist eher zufällig im Lehrkörper gelandet, obwohl er nur Spanisch-Grundkenntnisse hat und, wie er einmal sagt, seinen Schülern im Lernstoff nur um eine Stunde voraus ist.

Eine stilistische Besonderheit ist, dass die Figuren zum Teil direkt in die Kamera sprechen – das erspart dann einen Erzähler, der aus dem Off agiert.

Die Serie startete als Mid-Season-Replacement und erlebte nur 7 Folgen, eine 2. Staffel wird es nicht geben. »Miss Guided« hat also den Vorteil der Überschaubarkeit und ist dabei durchaus empfehlenswert.


Die 30 besten US-Serien 2007/08, Platz 26:
Reaper (1. Staffel, The CW)

Barcelona, 31. Juli 2008, 05:56 | von Paco

(Übersicht: Alle 30 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

Sam wird 21 und erfährt, dass die Eltern seine Seele an den Teufel verpfändet haben. Mit einsetzender Volljährigkeit muss er nun dafür einstehen. Alles halb so schlimm: Er wird von einem personifizierten Teufel namens Jerry dahingehend instruiert, dass er lediglich aus der Hölle entflohene Übeltäter wieder in die Hölle zurückbeamen muss. Das geschieht mit einem in jeder Folge neuen Behältnis (»vessel«), und das ist denn auch das Folge für Folge durchgekaute Ritual der Serie.

»Reaper« hat die Erwartungen schnell enttäuscht, denn der sich jedes Mal wiederholende Seelenfang wurde schnell langweilig. Es geht irgendwie zwar schon noch darum, wie Sam jetzt aus diesem Vertrag herauskommt, aber nur am Rande. In Folge 5 bekommt er immerhin eine Kopie des Vertrags über den Seelenhandel ausgehändigt – es ist ein riesiges, schweres Buch in Latein. Wie man daraus zum Beispiel einen Urlaubsantrag ableitet: wer weiß? (hehe)

Was aber am meisten an »Reaper« verärgert, ist die aufgepfropfte Lovestory. Sie ist bescheuerter und vorhersehbarer als es je eine aufgepfropfte Lovestory gewesen ist. Da ist also die unfassbar langweilige Andi, die irgendwie will, aber irgendwie auch nicht, und dann ist da Sam – gleiches Spiel.

Später kommt etwas Action in diese Teeniegeschichte, wenn die sympathisch hintertriebene Cady auf den Plan tritt und offenbar eventuell irgendwie verwandt mit dem Teufel ist. Jerry selber, der »Prince of Darkness«, ist ein so ironischer Bösewicht wie Mephistopheles im »Faust«, und oft sind es einzig seine Späße, die so eine einstündige Folge ein bisschen zum Leben erwecken. Einmal beschreibt er etwa einen Hölleninsassen so: »The guy was a lawyer, of course, we have a lot of those in hell.« (Folge 14) Etwas billig, aber doch irgendwie lustig, wenn es der Devil persönlich sagt.

Erst mit den Folgen, die nach Beendigung des Autorenstreiks ausgestrahlt wurden, hebt die ganze »Reaper«-Story endlich mal ein bisschen ab, um »das Potential in der ursprünglichen Storyidee ansatzweise auszureizen«, wie Sascha Beck es in seinem sablog formuliert hat.

Zwei Nachbarn kommen ins Spiel, offensichtlich schwule Dämonen, die eine Verschwörung gegen den Teufel anzetteln wollen. Dann kriegt in Folge 15 auch endlich Andi mit, dass ihr Sam ein bisschen interessanter ist als es sein Baumarkt-Job vermuten lässt. Sams Kumpel Sock holt sie aus ihrer anfänglichen Abscheu heraus: »Sam works for the devil. (…) It’s not that big of a deal.«

Ob Sam wirklich der Sohn des Satans ist, diese Frage keimt in den letzten Folgen auf – eine interessante Frage, die auch nicht beantwortet wurde und wohl bis zum Serienende in der Schwebe bleiben wird. Eine 2. Staffel folgt, auch wenn deren Folgenzahl leicht reduziert sein wird.


Die 30 besten US-Serien 2007/08, Platz 27:
Journeyman (1. und letzte Staffel, NBC)

Barcelona, 30. Juli 2008, 13:55 | von Paco

(Übersicht: Alle 30 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

»Journeyman« ist irgendwo zwischen Romanze und Fantastik angesiedelt. Die Grundidee der Serie erscheint anfangs etwas hanebüchen, entwickelt aber eine schöne narrative Dichothomie: Der Journalist Dan Vasser (der herrliche Kevin McKidd, der den Lucius Vorenus in »Rome« spielte) ist Zeitreisender. Es ist aber keine beneidenswerte Fähigkeit, sondern ein echter Fluch, denn er wird ohne sein Zutun plötzlich weggebeamt, und auch das Zieljahr kann er nicht bestimmen. Immerhin liegt es stets innerhalb seiner Lebensspanne, er muss sich also nicht etwa mit Neandertalern um ein essbares Stück Baumrinde balgen.

So schwingt jede Folge auf dem Zeitstrahl zwischen Vergangenheit und 2007er Gegenwart hin und her. Im Vergangenheitsstrang muss Dan immer irgendwelche Personen vor tödlichen Zwischenfällen retten, eine schöne Schutzengel-Allegorie!

Interferenzen sorgen für Spannungselemente, etwa wenn Dan in Folge 7 seinem früheren Ich begegnet und mit ihm kämpft (»Do I know you?«). Oder wenn in Folge 12 ein Schmetterlingseffekt in Szene gesetzt wird: Im Jahr 1984 nimmt sich jemand seiner Digitalkamera an, bei Dans Rückkehr in die Gegenwart ist dann alles irgendwie futuristischer, und er hat eine Tochter statt einem Sohn (Ray Bradburys »A Sound of Thunder« lässt grüßen!).

Dass es Probleme gibt, wenn man als arbeitender Mensch mit Frau, Kind, Freunden und Bekannten an einem Zeitreisesyndrom leidet und plötzlich einfach mal weg ist, dürfte klar sein. Das komische Element dabei wird von der Serie allerdings nie ausgelotet, mit wenigen Ausnahmen: Bei einem Zeitsprung ins Jahr 1980 wird Dans iPhone gefunden, und die Leute kucken nicht schlecht (Folge 10). Ansonsten ist in dieser ersten und letzten Staffel der Serie immer alles irgendwie zu schwerwiegend.

Verbindendes Element zwischen damals und heute ist Dans Ex-Verlobte Livia, die auch eine Freundin seiner jetzigen Frau Katie war und irgendwann tödlich verunglückte. Ihr begegnet er nun ab und zu in der Vergangenheit, denn auch sie scheint wild umherzureisen. Hier wird der Themenkomplex Eifersucht/Treue mal mit dem Thema Zeitreisen gemixt, was allerdings nicht sehr ergiebig ist. Das liegt zuallererst daran, dass sämtliche Handlungsstränge, die mit Dans aseptischer Ehefrau zu tun haben, kolossal langweilen. Dabei war sie mal mit Dans Bruder Jack zusammen, was insgesamt ein eigentlich interessantes Beziehungsviereck erzeugt, dessen Spannungs­potenzial aber zu keinem Zeitpunkt ausgenutzt wird.

Der Rest der Serie krankt dann vor allem am SciFi-Unterbau: Dan wurde angeblich in einem speziellen mystischen Moment der Weltgeschichte geboren, genau wie die 1923 geborene Livia, und deswegen seien die beiden jetzt Samariter mit Zeitreiseticket. Okay. Jedenfalls hat NBC kurz vor Weihnachten noch die letzten 3 Folgen rausgeschossen, eine neue Staffel wurde nicht bestellt.


Die 30 besten US-Serien 2007/08, Platz 28:
The New Adventures of Old Christine (3. Staffel, CBS)

Barcelona, 30. Juli 2008, 00:07 | von Paco

(Übersicht: Alle 30 besprochenen Serien. – Intro: Besuch im Serienland.)

Zunächst knüpft die 3. Staffel an das Ende der 2. an: Old Christine (Julia Louis-Dreyfus) versucht sich in einer Beziehung mit Mr. Harris, dem Lehrer ihres Sohnes. So wie diese Beziehung nie über ein langweiliges Getändel hinauskommt (und schließlich in Folge 4 auch endet), so unentschieden wirkt die ganze Serie noch immer.

Christines Bruder Matthew muss immer noch den leicht vertrottelten Nerd spielen, eine ähnlich peinliche Figur wie damals der Michael in »Joey«. Am Ende von Folge 8 techtelmechtelt er dann endlich mal mit Barb (Wanda Sykes aus »Curb Your Enthusiasm«) und bekommt daher so etwas Ähnliches wie eine Storyline verpasst, die aber sofort wieder endet, nachdem die beiden Turtelnden herausfinden, dass sie nur turteln, um damit unterbewusst Old Christine zu ärgern.

Die Drehbücher geben insgesamt zu wenig her, als dass die Schauspieler damit wirklich arbeiten könnten. Jeder Anflug von Interessantheit wird im Keim erstickt. Christine wird irgendwie überfallen von all den Dingen, die es so auf der Welt gibt, ist aber selber unfähig, über ihr im Grunde stockkonservatives Wertegefühl hinauszukommen. Als sie in Folge 8 im Lost & Found Marihuana findet, ist von Anfang an klar, dass sie es nicht konsumieren wird – es könnte ja etwas Unvorhergesehenes passieren.

Schön dagegen ist so eine typische Diskussion über eine gesellschaftliche Regel, wie das etwa bei »Seinfeld« gang und gäbe war: Matthew erzählt Richard, dass er mit Barb geschlafen hat und nimmt ihm das Versprechen ab, es niemandem weiterzusagen. Auftritt Richards neue Freundin (New Christine), der er sofort die News petzt. Auf Matthews fragenden Blick hin rechtfertigt er sich: »She’s my ›one tell‹. Everybody gets ›one tell‹.« (Folge 9) Sehr gut beobachtet, genau so funktioniert ja die Verbreitung von eigentlich streng geheimen Geheimnissen.

In der letzten der nur 10 Folgen dieser Staffel gibt es eine kleine Überraschung: Old Christine geht zum Frauenarzt, um ihrem Verdacht auf Menopause nachzugehen. Und wer ist ihr Gynäkologe des Vertrauens? Jason Alexander, Julia Louis-Dreyfus‘ alter »Seinfeld«-Kollege! Schönes Gimmick am Schluss, aber irgendwie ist »Old Christine« weder Fisch noch Fleisch. Immer noch nicht, nach 3 Jahren.


Die 30 besten US-Serien 2007/08, Platz 29:
Aliens in America (1. Staffel, The CW)

Barcelona, 29. Juli 2008, 17:32 | von Paco

(Übersicht: Alle 30 besprochenen Serien. – Intro: Besuch im Serienland.)

In dieser Teenieserie wird die US-amerikanische Provinz mit einem Fremden, einem »alien« konfrontiert: dem pakistanischen Austauschschüler Raja. Der ist natürlich auch noch Muslim und wird nun aus der amerikanischen Vorstadtperspektive (irgendwo im »Dachs-Staat« Wisconsin) mit einer Reihe von Vorurteilen überschüttet. »AiA« folgt hier einem ähnlichen Muster wie die kanadische Sitcom »Little Mosque on the Prairie«.

Erzählt und kommentiert werden die einzelnen Folgen von Justin Tolchuk, einem etwas mädchenhaften Teenager, der uncool vor sich hin pubertiert. Mit dem unangepassten Gastbruder jedenfalls scheint Justin doppelt geschlagen zu sein. Dabei beschert Raja den Tolchuks, die ohne viel Reflexion nebeneinander her zu leben scheinen, eine Reihe von Erkenntnismomenten.

Die haben das auch nötig: Vater Gary ist so sagenhaft unfähig wie erfolglos und bildet mit seiner Frau, der herrlich lauten und überdrehten Franny (Typ MILF, hehe), nicht gerade ein Dreamteam. Dazu kommt noch Justins zickige große Schwester Claire, eine prototypische Bimbo, die mit ihrem pickeligen Loser-Bruder natürlich nichts zu tun haben will.

In den besten Momenten erinnert »AiA« schemenhaft an die thematisch ähnlich gelagerte Serie »The Wonder Years«, wobei die Drehbücher letztlich doch zu deutlich als pädagogisch wertvoll angelegt sind. Als Erkennungsjingle hat man auf den 70er-Jahre-Song »(What’s So Funny ‚Bout) Peace, Love, and Understanding« gesetzt, dessen Refrain schon die Grenzen dieser Sitcom beschreibt: Sie ist dann doch zu unlustig.

Nach dem Ende der 1. Staffel war dann auch Schluss, Fortsetzung folgt: nicht.


Die 30 besten US-Serien 2007/08, Platz 30:
My Name is Earl (3. Staffel, NBC)

Barcelona, 29. Juli 2008, 00:28 | von Paco

(Übersicht: Alle 30 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

Jede Serie braucht eine Anfangsidee, die im Idealfall über mehrere Staffeln trägt, ohne langweilig zu werden. Zum Beispiel »My Name is Earl«: Die Sitcom basiert auf einer der besten Serienkonzepte ever und hat damit bereits zwei grandiose Seasons bestritten:

Nach einem Lotteriegewinn mit anschließendem schwerem Unfall ereilt den Kleinkriminellen Earl sein Damaskuserlebnis. Er entdeckt das Karma als Lebenselixier: »Do good things and good things will happen to you.« Er stellt eine Liste mit all seinen Untaten auf und streicht pro Folge eine Untat weg, indem er versucht, sie wieder gutzumachen.

Diese Liste ist eigentlich ein unerschöpflicher Quell origineller Storys. Doch so supergut die ersten beiden Staffeln waren, so grottig verlief Staffel 3. Wie es möglich war, ein so einfaches wie geniales Serienmodell bis zur Unkenntlichkeit zu verwässern, ist mir unbegreiflich.

Statt Karma: Koma

Was geschah, war Folgendes: Zu Beginn der 3. Staffel gerät zunächst mal Earls Wiedergutmachungs-Liste aus dem Fokus. In den Mittelpunkt der Staffeldramaturgie rücken dagegen zwei äußerst schlechte Ideen: Die eine Hälfte der Staffel (Folgen 1-12) verbringt Earl im Knast, die zweite Hälfte (13-18) im Koma – nachdem er nämlich endlich, endlich aus dem Knast heraus ist, verpassen ihm die Autoren in Folge 13 einen neuerlichen Autounfall.

Zudem waren die Serienmacher so berauscht von Alyssa Milanos Präsenz, dass sie ihre Gastrolle als Billie auf die ganze Staffel ausgeweitet und die Liebesgeschichte zwischen ihr und Earl ad nauseam weitergesponnen haben. In seinem Delirium imaginiert sich Earl ein glückliches 60er-Jahre-Leben mit Billie als seiner angetrauten Frau. Wir kriegen diese Wunschvorstellung in Form einer Lachsack-Sitcom namens »The Hickeys« zu sehen, die irgendwann nur noch nervt.

In Folge 19 gibt es im richtigen Leben eine Art Happy End (Earl heiratet Billie), das zum Staffelende logischerweise wieder ausgebügelt wird. Earl ist dann endlich wieder allein, so wie zu Beginn der Serie. Nachdem seine Liste verschütt gegangen ist und das Schlimmste zu befürchten war, bekommt er aber auch sie zurück und war »finally back where I belong« – also alles wieder auf Null. Nach dieser mehr als enttäuschenden 3. Staffel lässt das hoffen auf eine wieder bessere 4. Staffel.


Die 30 besten US-Serien:
Besuch im Serienland 2007/08

Barcelona, 28. Juli 2008, 20:24 | von Paco

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Frage: Wie vertrieben Sie sich bei der EM die Zeit?
Michael Ballack: Ich hatte alle Staffeln von »Lost« dabei, da kommt man nicht mehr von weg. Das ist ’ne Abenteuerserie, wo die Darsteller auf einer einsamen Insel überleben müssen.
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Die US-amerikanische TV-Saison endet traditionell Ende Mai, wenn die Finalfolgen der aktuellen Staffeln laufen. In diesem Fernsehjahr wurden durch den Streik der Writers Guild of America ab Anfang November 2007 fast alle Ausstrahlungen verzögert, denn durch die Arbeitsniederlegung der Autoren mangelte es irgendwann an verfilmbaren Drehbüchern. Einige Staffeln endeten daher halbherzig irgendwo in der Mitte.

Trotzdem gab es wieder viel versprechende Serienstarts, überzeugende Fortsetzungen und grandiose Einzelfolgen. In den nächsten beiden Wochen werde ich hier täglich ein bis zwei Serienstaffeln vorstellen und kurz besprechen, insgesamt 30. Die Reihenfolge der Einträge ist als lockeres Ranking zu verstehen: Ich beginne mit den schlechteren Serien bzw. Staffeln und ende mit den besseren. (Der aktuelle Stand wird in dieser Übersicht festgehalten, die auch jederzeit über die rechte Seitenleiste zugänglich ist.)

In den letzten beiden Jahren wurde mein »Besuch im Serienland« im Online-Feuilleton satt.org sowie auf der Website serienjunkies.de veröffentlicht. Dieser dritte Teil geht nun mit 30 besprochenen Serien deutlich über die Vorgängerlisten hinaus und konstituiert sich daher zuerst hier im Umblätterer.

Warum räumen wir irgendwelchen US-Serien soviel
Platz in einem dedizierten Feuilleton-Blog ein?

Es wurde hier schon oft betont, insgesamt wird aber noch viel zu wenig darüber berichtet: dass die derzeitigen US-Serien hinsichtlich ihrer ideenreichen Narration, der durchdringenden Figuren­entwicklung und ihren messerscharfen, theatertauglichen Skripten die mit Abstand interessantesten und innovativsten Geschichten erzählen. Da kann die Romanindustrie im Moment nicht mithalten, geschweige denn die Filmindustrie. So lautet die These, die wir auch in den folgenden Beiträgen plausibilisieren wollen.

Dabei wird es vor allem um die Storykomponente gehen, um die Einschätzung von Erzählstrategien. (Achtung! Ständige Spoiler-Gefahr!) Namen der Schauspieler werden nur im Ausnahmefall genannt, auf Gossip vom Set und vonseiten der Sender wird tendenziell verzichtet. Das können die News-Seiten zum Thema, allen voran serienjunkies.de, viel besser.

(Nach dieser etwa zweiwöchigen Serienoffensive geht es auch mal wieder um Zeitungen and the likes.)