Ingeborg Bachmann

gangway #13

The Game is Over / Das Spiel ist aus

© 1999 by Angelika Fremd, Piper Verlag and gangan books australia

 

The Game is Over

 

My dear brother, when will we build a raft
to float down the sky on?
My dear brother, soon our load will be so heavy
that we'll sink.

My dear brother, onto paper
we'll draw many countries and tracks.
Watch out for the black lines
or you'll fly sky high with the land mines.

My dear brother, I want to be tied to a stake
and scream.
Already you ride out of death valley
and together we will flee.

On guard in the gypsy camp, on guard in the desert camp,
the sand streams from our hair,
your age and my age and the age of the world
cannot be measured in years.

Don't be deceived by cunning ravens, sticky spider's hands
and a feather in the bush,
don't eat and drink in a fool's paradise,
illusion gleams in pans and mugs.

Only he who by the golden bridge
still remembers the name for the
karfunkelfaerie has won.
I must tell you that it has melted with the last snow in the garden.

Many, many stones have made our feet so sore.
One can heal. We will use it to jump with,
until the children's king, with the key to his empire
in his mouth comes for us and then we will sing:

It is a beautiful time when the date stone sprouts!
Each one that falls has wings.
It is foxglove drapes that shroud the poor
and your bud sinks onto my seal.

We must go to sleep, darling, the game is over.
On tip-toes. The white shirts swell.
Father and mother say, there are ghosts in the house
when we exchange our breath.

Translated by Angelika Fremd


Das Spiel ist aus

 

Mein lieber Bruder, wann bauen wir uns ein Floss
und fahren den Himmel hinunter?
Mein lieber Bruder, bald ist die Fracht zu gross
und wir gehen unter.

Mein lieber Bruder, wir zeichnen aufs Papier
viele Länder und Schienen.
Gib acht, vor den schwarzen Linien hier
fliegst du hoch mit den Minen.

Mein lieber Bruder, dann will ich an den Pfahl
gebunden sein und schreien.
Doch du reitest schon aus dem Totental
und wir fliehen zu zweien.

Wach im Zigeunerlager und wach im Wüstenzelt,
es rinnt uns der Sand aus den Haaren,
dein und mein Alter und das Alter der Welt
misst man nicht mit den Jahren.

Lass dich von listigen Raben, von klebriger Spinnenhand
und der Feder im Strauch nicht betrügen,
iss und trink auch nicht im Schlaraffenland,
es schäumt Schein in den Pfannen und Krügen.

Nur wer an der goldenen Brücke für die Karfunkelfee
das Wort noch weiss, hat gewonnen.
Ich muss dir sagen, es ist mit dem letzten Schnee
im Garten zerronnen.

Von vielen, vielen Steinen sind unsre Füsse so wund.
Einer heilt. Mit dem wollen wir springen,
bis der Kinderkönig, mit dem Schlüssel zu seinem Reich im Mund,
uns holt, und wir werden singen:

Es ist eine schöne Zeit, wenn der Dattelkern keimt!
Jeder, der fällt, hat Flügel.
Roter Fingerhut ist's, der den Armen das Leichentuch säumt,
und dein Herzblatt sinkt auf mein Siegel.

Wir müssen schlafen gehn, Liebster, das Spiel ist aus.
Auf Zehenspitzen. Die weissen Hemden bauschen.
Vater und Mutter sagen, es geistert im Haus,
wenn wir den Atem tauschen.

Aus: Anrufung des Grossen Bären, Werke Bd. 1, S. 82-83,
Piper Verlag GmbH, München 1978
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages und Herrn Bachmann

 

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