Gerd Berghofer

gangway #30/31

Aktuelle lyrische Texte

© 2004 by Gerd Berghofer

 

GEDANKENGEFLÜSTER, ERSTE MEINUNG


münder
die sich öffnen
gegen morgen

körper
im ersten licht
noch grau

lider
die sich heben
den stunden zu

netz
aus halbem und
wahrem halbwahren

gedanken
erste erheben sich
die schreiten voran

die bleiben
nicht liegen
die schleichen nicht

in die nischen
hinter den bleiliderwänden
zurück




BEGIERDE


wir schälen die lust
aus dem fleisch wenn
wir uns am abend begegnen

wenn wir den linien der hände
folgen auf unseren körpern
im dunkel im hunger

nach hellem in uns dem
weißen in unseren augen folgend
schwankend voreinander

erblindend geblendete geschöpfe
wortlos bebend dann wieder
worte ineinander sagend

finster und schön und wir fallen
fallen und fallen dabei
fallen hinab

hinunter den weg
den wir kamen versunken in
gedanken an uns

wundgehofft, wundgedacht




KATHEDRALE DER NACHT


so spannten wir
die tage
vor unsere kutsche

und legten uns
gewänder an
die uns erhoben

über das
was wir niemals
besaßen

so trieben wir
die tage vorwärts
in die ferne

streunten durch
die fremde
rissen die sterne

vom himmel
wo wir sie
zu fassen bekamen

und gruben sie ein
in unsere spuren
so wurde es dunkel

und dunkler und
nacht doch wir
wußten einander

im ruf der eulen
und trieben trotzdem
die verdunkelten tage voran

um uns herum
formte sich die nacht
zu stein

für jeden stern
wuchs ein kiesel
heran an der wand

der kathedrale der nacht
fuhren wir blindlings
unsere kutsche

zuschanden dann stille
und ein flügelschlag
einer uns fremden eule




SOMMERLICHE BILDSTÖRUNG


himmelsäugig geöffneter tag
die blaue vorstellung vergrellt
verlichtet federstrichverdichtet darin

gas, wölkisch, weiß
augenkreise wandern
windrosenwärts

rastern das rund den
grün bebaumten rand
plötzlich: das oben

ohne vorwarnung jetgeteilt:
die hemisphäre
großspurig weiß durchstrichen

unsere kreise
beinahe archimedial
gestört




KREUZRITTER ZWISCHEN
EUPHRAT UND TIGRIS



breit die worte vom namen
gottes in dessen
sie knochen schlagen wie holz

breit die worte die
sie um sich werfen:
warum sie das tun

breit die worte die
sie treten von freiheit
die sie bringen

aus

gebreitet die fahne
über den särgen
in denen

die knochen
die worte liegen und
die freiheit




GEDANKENGEFLÜSTER, ZWEITE MEINUNG


morgens eingehaucht
nach öffungszeit des körpers
zum bewußtsein hin

ein paar vermischte gedankenknäuel
wie wolle entwirren
knoten die sich bilden sich lösen

graue wolle übrigens
oder doch eher blau
ich begreife:

sie färbt der himmel
der durch den lid
                                    spalt
                                    tropft




GEDANKENGEFLÜSTER, DRITTE MEINUNG


sehnerv, graviert
mit deinem
nächtlichen bild

mondgrau auf
weißem tuch
zweisam atmend

das schweigen
zwischen uns
aufrecht haltend

das sprachorgan fest
verschlossen niemand
nimmt die pille

gegen wortwachstum
nur die schmiegsamkeit
eines leibes spricht für sich




ACHTZIGERMELANGE


so gingen wir
durch die straßen
im dunkel vor zeiten:

in der engschmiege
schlangengleich im
domestizierten kamasutra

am ende ihrer schwarzen zweige
sagten wir uns helles
in der welt zwischen

zwei laternen deren licht
klatschte fern von uns
auf den asphalt

und eine melange aus
scirocco und barclay james
harvest schrie auf von hinten

von der straße her wo man
uns beneidete belächelte war alles
dabei und nichts am anfang

hielten sich zwei hände
um sich nie zu verlieren
am ende blieb ich ich und du

du wir vergaßen uns
darüber schneller als uns
die straße vergaß durch die

wir gingen vor zeiten
deren namen ich noch weiß
doch nicht deinen




JOSE KEHRT NACH HAUSE


hitzland
leergeschwitzte erde
dörrkrumen pulverisiert

olivenbaum
filigraner fächerbogen
umstaubter schattenspender

luft
lustlos
steht abseits

haus
ziegelknisternd
weiß umstrahlend

hügel verflimmert
silhouette luftgekocht:

jose kehrt heim

 

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