Reviews: Lucas Cejpek

Deutsch Lucas Cejpek: Keine Namen. Roman. Sonderzahl Verlag, Wien 2001.

Lucas Cejpek Cover

Eine Schreibmanie, die einer genauen Kontrolle unterliegt und das scheinbar lose Reden, welches ganz gezielt das "Eigentliche" verdecken soll, sind die beiden Motoren im vorliegenden Roman Lucas Cejpeks, welcher sich als Gesprächsbuch ausweist.
Interessant also wieder der konzeptuelle Ansatz wie in früheren Werken des Autors.

Inhaltlich geht es um einen Beamten, der interne Informationen aus dem (österreichischen) (Innen-)Ministerium an Meistbietende weiterleitet. Die Mechanismen des Geheimnisverrates sind es auch, welche er, wiederum gegen Bezahlung, an eine Journalistin weitergibt.
Aus diesem Interview setzt sich der Roman zusammen. Das Gespräch jedoch wird zum Monolog, dieser zur Instanz dieses Buches. Unmißverständlich bemächtigt sich der Beamte auch jener Gesprächsteile, die der Journalistin zuzuordnen sind, also Fragen, Vermutungen, Hinweise, Gesten... etc.und verwandelt sie sich implizit oder explizit an.

Die privaten Vorlieben des Beamten erfahren zunächst nur subtilste Andeutungen, etwa, daß er Kunstsammler ist. Das "Dräuende" jedoch klingt während des gesamten Buches an, ist unterschwellig spürbar:
Rituell wiederkehrendes Herzstück dieser anfänglich nüchternen Camouflage ist eine erotische Wortkette aus Variationen, welche eine Abbildung auf einer Vase wiedergibt, die dem namenlosen Protagonisten gehört.

Der vorerst verlangsamte, schließlich immer rascher stattfindende und lauter werdende Satzlauf beansprucht eine eigenartige Dominanz für sich, der man sich als Leserin schwer zu enziehen vermag. Kalkül und Stringenz fungieren hier als Qualitäten, das Spiel mit Schreibgeschwindigkeiten. Stil und Inhalt spiegeln einander. Irgendwann schlägt das Allgemeingesellschaftliche ins Private um:
Die Obsessionen verselbständigen sich. Die Sprache auch. Sie geht durch.

Reviewed by Petra Ganglbauer, 3 September 2001

Deutsch Lucas Cejpek und Christoph Hauri: KANNEN FANGEN. Ein Skizzenbuch. Edition Das Fröhliche Wohnzimmer, Wien 2003.

Lucas Cejpek kennen wir als einen Autor, der die gelungene Verknüpfung aus präziser, beinahe archivarischer Arbeit und poetischen, unerwarteten Kipp-Punkten im Textlauf schafft. Fast alle seine Bücher sind so konzipiert. Sachlich, trocken, beinahe wissenschaftlich zum einen, blumig, unverhohlen zum anderen. Diese poetischen Schnappschüsse kommen unverhofft und werden meist sparsam eingesetzt.

In seiner neuesten Publikation, die Cejpek gemeinsam mit dem Zeichner Christoph Hauri veröffentlichte, gelingt es ihm einmal mehr, allerdings sinnlicher als zuvor, diese beiden Qualitäten zu verschränken. Was dabei herauskommt, ist eine gelungene und sehr lebendige Synthese aus enzyklopädischen oder pseudo-enzyklopädischen Materialien, also konzisen tatsächlichen oder aber auch fiktiven Recherchen zur Kulturgeschichte von Kannen. Der Autor verstreut seine poetischen Kannenrituale gleichsam anekdotisch über den Globus. Schräges, Absurdes, aber auch Glaubhaftes begegnet uns da.
Etwa: „Eine Gießkanne oder Flasche vor der Wohnungstür ist ein sicheres Zeichen für sexuelle Abstinenz.“

Was nun Faktum und was erfunden ist, kann nicht immer eruiert werden, aber gerade das macht den Reiz dieses Buches aus. Vorausgesetzt freilich, die Leser lassen sich auch auf diesen schönen Ab- und Austausch von „Wahrheit“ und „Lüge“ ein.

Schwungvoll und in rhythmischer Korrespondenz die Zeichnungen Christoph Hauris. Ein erfrischendes, geistreiches Buch.

Reviewed by Petra Ganglbauer, 21 July 2003

Deutsch Lucas Cejpek: Dichte Zugfolge. Edition Korrespondenzen, Wien 2006.

Lucas Cejpek offeriert literarische Maßarbeit in seinem neuesten Buch.

Aus großer Genauigkeit und einem spezifischen Impetus setzt sich „Dichte Zugfolge“ zusammen und ermöglicht so der täglichen Benutzerin der Wiener U-Bahnlinien einen erfrischenden Zugang zum Objekt der Auseinandersetzung.

Der Autor durchquert und unterwandert jegliche Monotonie. Die poetischen Einstellungen folgen Stationen gleich aufeinander. Man könnte sie allerdings auch auf die Abfolge der U-Bahnwaggons beziehen.
Der Autor holt sich Impulse aus den verschiedensten Kontexten: er verweist auf Filmszenen, auf Literatur, er notiert alltägliche, reale Gespräche et cetera.
Es scheint so, als ob er sich – die Wiener U-Bahnstrecken bereisend – auf mehreren Wahrnehmungsebenen bewegt hätte: auf jener des Fahrgasts und auf jener des Regisseurs oder auch Kameramanns.

Die Sprache, die der Autor einsetzt, ist an manchen Stellen beinahe protokollarisch.
Dann wieder sprühen poetische Funken!

Ein reizvolles, spannendes Buch, nach dessen Lektüre sich der Umgang mit dem Urbanen, Alltäglichen sicher entscheidend verändert. Ein alltagsästhetischer Beitrag!

Ich habe das Buch in einem Zug gelesen!

Reviewed by Petra Ganglbauer, 16 October 2006

Deutsch Lucas Cejpek (Hrsg.): Beckett Pause. Minidramen. Sonderzahl Verlag, Wien 2007.

Beckett Pause Cover

Der vorliegende Band ist anlässlich des 101. Geburtstags von Samuel Beckett erschienen. Lucas Cejpek lud insgesamt 67 Autor/inn/en unterschiedlichster Provenienz ein, Minidramen zu, für oder nach Beckett bzw. auch unabhängig von ihm zu verfassen.
Formal spannend ist dieses Buch in der Tat, spiegelt es doch Verfahren wider, die jenes Sprunghafte, Sperrige, Reduktionistische enthalten, das auch beispielgebend für die Arbeit des Dichters war und ist.
Die Dialoge (Die Auflage war: Minidramen – für 2 Personen – zu verfassen, deren Ausmaß 2 Seiten Umfang nicht überschreiten sollte) zwingen die Leserin, den Leser, sie wieder und wieder zu lesen bzw. sich nochmals in Erinnerung zu rufen: Die wenigen Sätze, Fragmente, die Interpunktionen muten wie buchstäblich gewordenen „Synapsen“ an.
Echohaft mitunter, schablonenhaft wirken die Dialoge, nicht selten reflektieren die wenigen Worte einen Leerlauf des Denkens, diese Endlosspirale der Stille und des Nichts.
Oder ein Kreisen tut sich auf, ein In-sich-Kreisen des Sprechens, dieses „zu-sich-selbst-“ oder „aneinander-vorbei-Sprechen“, das keine linearen Wort/Fort/bewegungen gestattet.
Was absehbar ist, sind Absprünge, Sprünge überhaupt, Deviationen.

Lucas Cejpek sei gedankt für dieses Buch. Aber auch dafür, dass er immer wieder für seine Projekte zeitgenössische Autorinnen und Autoren einlädt. Diesmal finden sich unter den zahlreichen Geladenen: Elfriede Czurda, Margret Kreidl, Dieter Sperl, Rosa Pock, Gerhard Rühm, Christian Steinbacher, Raymond Federmann oder Zsuzsanna Gahse.

Reviewed by Petra Ganglbauer, 25 October 2007

Deutsch Lucas Cejpek: Wo ist Elisabeth? Roman. Sonderzahl Verlag, Wien 2009.

Wo ist Elisabeth Cover

Bestechend das künstlerische Kalkül im neuesten Buch von Lucas Cejpek, elegant der sprachliche Duktus, raffiniert der Aufbau – gibt das Buch zudem formal sehr deutlich den poetologischen Standort des Autors wieder.

Zum Inhalt: Elisabeth Cejpek verschwindet in der Sofaabteilung einer Leiner Filiale; der Verkäufer findet im Telefonbuch den Autor Lucas Cejpek und ruft ihn an. Ab da beginnt die Suche, werden Wege (nach)gegangen, aber noch viel mehr Fährten gelegt!

Zu gewissen Haltepunkten (Motiven: die Handtasche, um ein Beispiel zu nennen) kehrt der Text zwar regelmäßig zurück, weit häufiger jedoch und systematisch unternimmt Cejpek Exkurse, baut kleine Versatzstücke und sehr präzise gebaute Textsequenzen, die sich quasi aus dem jeweils vorhergegangen generieren. Was da alles höchst farbenfroh und lebendig auf- und wieder abtaucht: Taschen, Fotos, Topoi, Personen oder auch namentlich andere Werke des Autors (Ludwig etwa), um nur einiges zu nennen.

Die in dem Buch vorkommenden Stimmen zitieren ihrerseits bisweilen andere Stimmen/ Personen wie George Bataille, John Cage oder Lale Andersen. Vielleicht mit ein Grund, weshalb in diesem Buch alles auch flüchtig, nicht greifbar, fast traumhaft erscheint, obgleich der Autor sich ab und an mit eigenen durchaus konkreten biografischen Details zu Wort meldet.

Und so münden die wohl strukturierte Suchbewegung, das Erscheinen der Dinge und deren Verschwinden im letzten und einzig wirklich greifbaren Satz: Jetzt bin ich Elisabeth.

Ein spannendes und zugleich sinnliches Unterfangen. Lesenswert!

Reviewed by Petra Ganglbauer, 18 March 2010


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