Reviews: Ilse Kilic

Deutsch Ilse Kilic: DIE RÜCKKEHR DER HEIMLICHEN ZWEI. Ritter Verlag, Klagenfurt-Wien 2000.

Ilse Kilic, Autorin, Verlegerin, Musikerin, Filmerin, ist uns als harte Sprach(be)arbeiterin bekannt. Aus der Freiheit dieser Position leistet sie sich seit einiger Zeit, auf eine andere – von ihren sonstigen Elaboraten sehr differente, auch entspanntere Sprachmelodie – einzugehen.

"Die Rückkehr der heimlichen zwei" lautet das Fortsetzungsbuch zu "Als ich einmal zwei war". Mehr oder weniger direkt übernommen wird das erzählende ICH, Personen und Figuren wie auch der Lebenskontext aus dem ersten Band.

Was vom Titel her einen gestandenen Jugendkrimi verspricht oder aber eine weitere "Autobiografie" erwarten läßt, entpuppt sich sehr bald als Textgebilde, welches in seiner Struktur einer Zwiebel gleicht und dessen stilistische Homogenität im Hauptteil, von einem "Widmungstext ", einem "Eingang" und einem "Ausgang" – formal unterschiedlich – eingerahmt wird. Als "Eingang" fungiert ein quasi analytischer Metatext, der sich mit der psychologischen Beschaffenheit von "Druck- und Ergänzungszwillingen" auseinandersetzt.

Dazwischen begibt sich die Autorin in liebevoller Annäherung auf die Spuren eines federleichten, hochsensiblen, mitunter sehr ängstlichen ICHs und vollzieht im Laufe des Buches den unablässigen Grenzgang zwischen Tagbewußtsein und Traumbewußtsein, zwischen dieser und jener "Wirklichkeit".

Wir treffen auf Motive, Bilder, die uns aus anderen, älteren Quellen bekannt sind, wie etwa das Lächeln der Edamerkatze aus "Alice im Wunderland" von Lewis Carroll.

Reime werden angedeutet, etwa wenn in einer von der einohrigen Begleiterin erzählten Geschichte Ilse Bilse anklingt ; ein Rätselspruch findet auch seinen Platz, diesmal mit direkter Quellenangabe.

Einen gedanklichen wie formalen Höhepunkt erfährt die Erzählung von der Wiederbegegnung der Protagonistin mit ihrer Zwillingsschwester, vom Abtausch beider Identitäten und den damit verbundenen Abenteuern, als die Autorin fast symbolisch das Zwiebelschalengebilde entblättert. Das achtmalige Erwachen vom Erwachen soll letztlich zu keiner Klarheit der Selbsterkenntnis führen.

Denn: Die Zeit hiefür fehlt und der Weg, der nur ein Ziel kennt, läuft ohne Unterlaß!

Reviewed by Petra Ganglbauer, 24 August 2000

Deutsch Ilse Kilic: WARUM EIGENTLICH NICHT? Gedichte. Gesetzt und gezeichnet von Armin Guerino. herbstpresse, Wien 2002.

Unwillkürlich erinnere ich die Kabbala, wenn ich den jüngsten Gedichtband von Ilse Kilic zur Hand nehme. Die Texte leben vom Rätselhaften: sie sind wie Vexierbilder, Rebus, Zahlenmagie.

Kurzweilig und spannend ist das Buch, weil die Autorin kreuz und quer daherkommt, optisch immer neue Töne anschlägt, sich auf die Materialität von Sprache konzentriert, zerlegt, zerteilt, verteilt. Weil wir ziemlich oft nicht absehen können, was sich da buchstäblich zusammenbraut!
Weil sie Analogien herausarbeitet, dann wieder Bausteine aus- und vertauscht, Neues zusammenfügt. Ja, immer neue Türme baut, um diese Schöpfung sofort wieder in Frage zu stellen, abzutragen, niederzureißen – oder sind es gar keine Buchstabentürme? Ist Sprache Sand? Und wir alle im Sandkasten?
Originelle Zugriffe auf diverse Bildmittel sind das jedenfalls, die sich stets dicht am Raum des Mathematischen bewegen: das Resultat sind "epigrammatische" Exkurse, geistreiche Elaborate.
Ich mag diese Texte, weil das System dahinter, der Mechanismus oder aber auch das methodische "Geheimnis" mitzuergründen, mitzudenken sind.

Armin Guerino hat sich zeichnend punktuell auf die numerische Flut eingelassen, in gelungener Korrespondenz: Einzelnes wie Menge werden da angesprochen. Nicht so sehr die Masse!

Aber es sind vor allem auch Gedichte, die gesprochen werden wollen, denn sie leben vom onomatopoetischen Duktus! Wohlan! Lesen wir laut! Warum eigentlich nicht?

Reviewed by Petra Ganglbauer, 22 October 2002

Deutsch Ilse Kilic und Fritz Widhalm: 2003 – ODYSSEE IM ALLTAG. Des Verwicklungsromans dritter Teil. edition chARGE, Wien 2003.

Odyssee Cover

Wir erinnern „Dieses Ufer ist rascher als ein Fluß“ und „Neue Nachrichten vom gemeinsamen Herd“, Teil 1 und Teil 2 des Verwicklungsromans des Autor/inn/enpaars Ilse Kilic und Fritz Widhalm, – Bücher, die ich mit Spaß und Freude gelesen habe, weil sie gleichermaßen spannend wie informativ sind. Wir erfahren nämlich eine ganze Menge über naz und jana, die Protagonisten des Romans wie deren Alter Egos.

Zeitsprünge sind das bisweilen auch im neuesten Band, Zeitreisen förmlich zwischen gestern, als jana und naz noch jung waren, und heute, und immer wieder blinken Namen auf, die wir kennen. Namen von Autor/inn/en und Künstler/inn/en etwa.

Einige davon sind quasi in realiter präsent, haben sie doch vortreffliche Skizzen des Paares jana und naz für das vorliegende Buch gefertigt: Stefan Krist, Margret Kreidl, Christine Huber oder Lucas Cejpek.

Originell, unterhaltsam, berührend, schwungvoll, witzig, kindlich, sprachspielerisch und spielend geschrieben ist dieser autobiografische Gemeinschaftsroman, ein Stück Geschichte heute schon und Spiegel einer ganz spezifischen Kunst- und Literatur-Szene.
Eine Frage darf noch gestellt werden: Wie geht es weiter?

Reviewed by Petra Ganglbauer, 12 September 2003

Deutsch Ilse Kilic: MONIKAS CHAOSPROTOKOLL. Im Dampfkochtopf von Oskars Moral. Ritter Verlag, Klagenfurt-Wien 2003.

Chaosprotokoll Cover

Noch komplexer, formal differenzierter, mit formalen Umbrüchen versehen ist dieser neue Band der Wiener Autorin. Zwischen Regelwerk und Ludothek angesiedelt, verdichtet, an den Rändern verstärkt und festgezurrt, im Textkörper selbst enger gestrickt, – dieses Buch fordert noch mehr Aufmerksamkeit als seine Vorgänger, holt Kilic doch poetologische Kriterien, Bildmittel, Gedankenmittel herein. Ebenso oszilliert das Projekt zwischen den Gattungen, ist durchwirkt von Transgressionen: eine wahrhafte Anstrengung, Steigerung, nicht mehr ganz so verspielt und fragil wie die anderen bisher im Ritter Verlag erschienenen Bücher der Autorin, eben festgeschriebener!

Eine wunderbare Leseherausforderung!

Reviewed by Petra Ganglbauer, 7 May 2004

Deutsch Ilse Kilic: VOM UMGANG MIT DEN PERSONEN. Eine Schöpfungsgeschichte. Ritter Verlag, Klagenfurt-Wien 2005.

Vom Umgang Cover

Eine Raffinesse zeichnet den jüngsten Band Ilse Kilics aus.
Eine Präzision und allem voran subtilster Humor.
Die Autorin sucht die Sprache selbst auf und zeitgleich Orte ihres Wirkens. Sie zeichnet den Inhalt jener Schreibanleitungsbücher nach, die unzähligen Schreibenden tagein, tagaus handwerkliche Basisorientierung bieten; Kilic persifliert diese Methoden zur Erstellung von Charakterprofilen, des Ausbaus von Dialogen oder des Umgangs mit dem Plot, um nur einige inhaltliche Brennpunkte zu nennen.

Sie sucht Projektionsflächen für ihre Untersuchungen bzw. Versuchsanordnungen aus den vielfältigsten Kontexten anderer Disziplinen, wie z.B. Physik, Historie oder auch Psychotherapie, und spiegelt den Paradigmenwechsel da wie dort.
Sie entwirft eine Kerngeschichte, anhand der sie höchst spielerisch Eigenschaften und Qualitäten der handelnden Personen untersucht.
Miteinbezogen in diese Auseinandersetzung werden auch die Leser/inn/en. Sie dürfen Aufgaben lösen!

Dergestalt ist dieses Buch poetisches Lehr- und Lernbuch und zugleich Experiment.
Das spezifische Gewicht der Hauptperson, um ein Beispiel zu nennen, wird hier wortwörtlich oder augenscheinlich physikalisch untersucht, deren Temperatur oder auch Zusammensetzung.

Besonders spannend ist jener Anriß, der Übertragung und Gegenübertragung als interagierendes Prinzip zwischen Autor/in und Person behandelt.

Das Buch ist zu empfehlen: unterhaltsam, geistreich, köstlich!

Reviewed by Petra Ganglbauer, 8 December 2005

Deutsch Ilse Kilic: DAS WORT ALS SCHÖNE KUNST BETRACHTET. Ritter Verlag, Klagenfurt-Wien 2008.

Vom Umgang Cover

Es ist förmlich (wörtlich und zahlenmäßig) ein Genuss, Ilse Kilic durch ihr Buch zu folgen. Sie führt – wie so oft in ihrer Arbeit – das im strengen Sinne Poetische mit dem Verspielten, Kindlichen zusammen; zugleich wirkt jedoch auch eine ungeheure Akribie in ihrer Arbeit.

Ein scheinbar simples Ich erzählt aus der literarischen Alltagswirklichkeit. Es spricht viele Facetten, Ansichten und Rückseiten des Schreibens an; es stellt auch notgedrungen Überlegungen zum Autor/inn/endasein mit alle seinen Tücken, Fallen und Freuden an, von der Inhalation des eigenen Ideenwerks durch andere bis zur Interdependenz von eigenen und anderen Texten.

Ilse Kilic zeichnet zudem eine poetische Landkarte der augenblicklichen experimentellen literarischen Szene in Österreich. In so fern enthält das Buch auch ein wesentliches Stück Literaturgeschichte. Es ist spannend, reizvoll und geheimnisvoll, steckt voller Methoden und Anläufe, quert die Gattungen und verschränkt das Numerische mit dem Buchstäblichen.
Es ist sinnlich, spannend und dennoch äußerst genau konzipiert!

Reviewed by Petra Ganglbauer, 16 March 2009


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