Reviews: Lisa Spalt

Deutsch Lisa Spalt: leichte reisen von einem ende der erde. blattwerk, Linz 1999.

Lisa Spalt nimmt die Sprache ernst. Und dieses Ernstnehmen bedeutet eine Art des Sprachspiels, ein Sprachspiel jenseits der tagtäglichen Sprachspiele, die uns nicht zum Bewußtsein kommen. Spiel soll hier nicht als Gegensatz zum Ernst stehen, sondern als dessen Erweiterung, Einübung und Ergänzung. Dieses Sprachspiel besteht darin, auf eine Art in Sprach-Fallen zu tappen, die diese als Fallen (Falten?) deutlich werden läßt, als angelegte Bedeutungen in der Sprache, die im alltäglichen Sprechen nicht zur Geltung kommen. Es ist das geheime Leben, das den Wörtern und Sätzen innewohnt und das hier plötzlich unter der Spaltlampe sichtbar wird. Doppeltrichter nennt der Verleger Christian Steinbacher dieses irritierende Phänomen, wie sich während des Lesens die Bedeutung des Satzes ändert, ein kleines Verschieben, ablenken, ein gelenkiges Scharnier genügt und schon steht der Satz anders da, als wir ihn erwartet haben. So offenbart sich der Spalt'sche Doppeltrichter als ein Wurmloch, durchaus vergleichbar jenen Wurmlöchern, durch die etwa die (T)Raumschiffe Enterprise oder Voyager in weit entfernte Galaxien halb gezogen und halb aus eigenem Antrieb gelangen. Die Leserin empfindet beim Durchqueren eines Spalt'schen Wurmlochs eine tiefe und lustvolle Irritation - ebenfalls vergleichbar den Star Trek Reisenden, die zunächst kaum fassen, was ihnen widerfährt und die genau durch diese (Aus)Dehnung ihres Fassungsvermögens in einen Zustand neuer Erkenntnis gelangen.

Wenn also Lisa Spalts Sätze sich drehen und auf eine verborgene Bedeutung zusteuern, erleben wir einerseits eine Dehnung des eigenen Denkens, eine Art "Aha-Erlebnis der zweiten Potenz", andererseits geht es aber auch um den Moment der Nachfrage: hatte jene angelegte Bedeutung, von der sich unser alltägliches Sprechen immer wieder abwendete, vielleicht doch eine Wirkung? Denn, und hier zitiere ich Eva Meyer: "Diese Wortverbindung hat keinen Sinn, heißt nicht, sie hat keine Wirkung. Und auch nicht: Sie hat nicht die gewünschte Wirkung".

Und es geht bei Lisa Spalt weiters um die Herstellung von Bildern in der Sprache. Die Herstellung von Bildern, die nicht gedeutet werden müssen, weil es Bilder sind, in denen man denken kann. Und wie die Bewegungen der Augen bei der Betrachtung eines Bildes scheinbar herumirren, was genau ihre Arbeitsweise ist, um sich ein Bild zu machen, ist das Denken in Lisa Spalts Bildern scheinbares Herumirren, was eine Arbeitsweise des Denkens ist, um sich Gedanken zu machen.

Mit einem Wort, hier sind die Keime für das Nachdenken über viele Dinge, ein Buch für das zänkische Gehirn, dem wir nichts wirklich befehlen können, aber auch ein Buch der Befreiung von ebenjenem Zank durch Bewegung, ein Buch des Verfertigens von Gedanken.

Reviewed by Ilse Kilic & Fritz Widhalm, 20 December 1999

Deutsch Clemens Gadenstätter & Lisa Spalt: TAG DAY schreibspiel. edition gegensätze, Graz-Wien 2000.

Parameter der Wahrnehmung, das Organische mithin, wie zirkuläres Denken sind Gegenstand jener dialogischen Annäherung, welche der Komponist Clemens Gadenstätter und die Autorin Lisa Spalt in ihrem Band "TAG DAY schreibspiel" vornehmen. Es ist dies der insgesamt 12. in der Reihe gegensätze.
Die bisherigen vorliegenden Bände der Reihe, die von Dieter Sperl und Paul Pechmann herausgegeben wird, sind allesamt sehr unterschiedlich konzipiert; gerade das macht die Edition so spannend.

Um das Einzelne wie/als das Ganze geht es in den Untersuchungen von Spalt und Gadenstätter, um das Ganze als Teil seiner selbst, als konstitutives Element, als Organ (s)eines Gesamtorganismus.

Realität, Bedeutung, Zeit sind einige Untersuchungsfelder, mit denen sich die beiden befassen, und dies stets auch im Spiegel von Kunstproduktion.
Was sich ergibt, sind lakunäre (Gedanken)teppiche, Interdependenzen, Kongruenzen, Repulsionen.
Wenigstens ansatzweise wird auch zurückgegeriffen auf Bestehendes, ich persönlich erinnere u.a. eine gewisse Nähe zu "Die fraktale Geometrie der Natur", von BenoÎt B. Mandelbrot, jedoch wird ausgewiesen: "nichts stimmt hier wenigstens prinzipiell.../ oder:/ alle anklänge an bestehende philosophische/ systeme sind unterlaufen und willkommen."

Ein interessanter Band für all jene, die sich wieder und erneut einer phänomenologischen Auseinandersetzung stellen möchten.

Reviewed by Petra Ganglbauer, 27 April 2001

Deutsch Lisa Spalt: saschaident. Das Fröhliche Wohnzimmer Edition, Wien 2003.

saschaident Cover

Zunächst saschaident, dann saschaideal – beide Kapitel des Buches sind sehr unterschiedlich komponiert. Methoden werden einer Prüfung unterzogen, um zu erzählen:

In vielfachen Anläufen nähert sich die Autorin der Figur Sascha, zunächst epischer, dann in eruptiven Sequenzen oder Stufen, immer jedoch über die Sprache. Wie Worte Wandlung erfahren, wie Inhalte neu entstehen, wie eine Geschichte eine andere, immer neue ergibt, wie der Duktus sich insgesamt laufend ändert und doch eine ganz bestimmter, richtungsweisender Rhythmus konsequent beibehalten wird: das Buch ist beispielgebend für Sprachspiel und Disziplin, ist anregend und grün wie der Frosch-König, der es auch ziert.

In zehn Folgen mit informativen Fußnoten packt Lisa Spalt ihre gestrenge Stilvorgabe temperamentvoll an: Wie die Sprache sich zunächst führen läßt, dann eigenbewegt und kreisförmig wird, wie trockeneres Episches plötzlich ornamental oder dramatisch daherkommt.
Wie Sprüche geklopft werden!
Dies alles läßt sich gut begleiten. Und wir lassen uns von der Autorin und ihrer Sprachakrobatik gerne an die Leine nehmen.

Reviewed by Petra Ganglbauer, 12 September 2003

Deutsch Lisa Spalt: de chamälaeon. Herbstpresse, Wien 2005.

Irrwitzig, zündend, komisch, trefflich und politisch ist dieser neueste Band der Autorin.
Ein Feuerwerk der westlichen (österreichischen) Gesellschaftsbefindlichkeit und insoferne einer bis ins Unerträgliche unentschieden eingefärbten Sprache.
Das Sprachwerk als Bremsmanöver, als Stop and Go, als lauhwarme Durchschnittlichkeit und Rückgratlosigkeit.
Eine Erweichung, Verweichlichung von Denken, Haltung und Sprache – eine bestürzend genaue Darstellung unseres „Zustands“ hier und heute, des herrschenden Systems als Hirnaufweicher.
Spannend und gut!

Reviewed by Petra Ganglbauer, 28 September 2005

Deutsch Lisa Spalt: Blüten. Ein Gebrauchsgegenstand. Czernin Verlag, Wien 2010.

Blueten Cover

Mit diesem Buch unternimmt Spalt eine poetische, formal konzise, streng strukturierte Suchbewegung, ist Forschungsreisende in Sachen Kulturgeschichte. Schon der Titel spricht gezielt diese absurde gesteuerte Zusammenschau von Ätherischem und Marktcharakter an.

Wie auch bereits in anderen Texten (Essays) fokussiert die Autorin die Machbarkeit und Verwertbarkeit von Dingen/Waren, setzt sich mit Gewinnmaximierung, Zuordnungen, Kategorisierungen von Körper oder Natur (auch von Sprache) auseinander; der Warencharakter von Organischem wie Anorganischem – und somit auch gewissermaßen deren Gleichstellung – ist Gegenstand dieses Buchs.
Lisa Spalt zeichnet formal wie begrifflich die Überprüfung der Verwertbarkeit von allem nach. Begleitend und die jeweilige Sequenz eröffnend, finden sich botanisch-metaphorische Skizzen.

Den Ausgangsort für den Exkurs bilden die „krankhaften Auswüchse am Beispiel der holländischen Tulpenmanie zu Beginn des 17. Jahrhunderts...
Plötzlich wurden Tulpenzwiebeln statt Aktien gehandelt, Laien riskierten an Tulpenbörsen, die in den Hinterzimmern von Wirtshäusern eingerichtet worden waren, ihr Hab und Gut.“ (So der Verlagstext).

Eine konzeptuell wie sprachlich fordernde, in ihrer Nachdrücklichkeit und präzisen Aufarbeitung radikale Arbeit. Empfehlenswert!

Reviewed by Petra Ganglbauer, 16 March 2011

 


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