Hans Fraeulin |
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Grazer Befindlichkeiten |
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Subject:
Re: Einladung zur Gangway Graz Sondernummer
Lieber Gerald, Grazer Befindlichkeiten auszuloten ist ein schwieriges Geschäft. Ich kehre bei Andreas in der Schnabelweide oder bei Peter, alles Bruchbuden am Kaiser-Josef-Platz ein und fühle mich wohl. Was soll ich da noch schreiben? Sie sind mein Ruhepol und Debattierclub zugleich. Wen geht das sonst was an? Die Leute dort reizen mich zum Ausplaudern meiner Geheimnisse. Dann schäme ich mich manchmal, beeile mich die Zeche zu bezahlen und trolle mich. Oft kommen auch Leute herein im Hubertusmantel und reden einen Scheißdreck daher, dass einem die Sau graust. So sagt man hier. Verstanden habe ich das noch nicht, die Sau graust. Gestern war ich bei des Uhrturms Schatten. Habe ich mich wieder fast angemacht vor Lachen. Ein genialer Einfall. Das Schöne ist, dass es passiert eine Revolution in der Ansichtskartenpoesie. Ich spotte nicht. Gespottet habe ich über anderes. Grosso modo bringt der Grazer Mittelstand auch nur Mittelmäßiges zustande. Das will man nicht wahrhaben. Gewordene Tatsache ist nur, dass der Grazer Mittelstand aus der mittelmäßigen Kulturhauptstadt das europäische Mittelmaß feststellt. Wie ich dazu stehen soll, weiß ich noch nicht, aber wer will schon Mittelmaß sein? Ich jedenfalls nicht. Sollen wir uns bei allem Kriegsgeheul auf das Mittelmaß besinnen? Das ist zumindest langweilig. Dagegen wird angeschrieben. So schließt sich der Kreis. Die Debatte soll schön kochen, muss dann aber Substanz bekommen... Bedauerliche Tatsache ist, dass der einzige Verlag, der sich um die Schreibkräfte in dieser Stadt gekümmert hat, im Kulturjahr nicht vorkommt. Warum und wieso würde ich gerne wissen. Ist Droschl in seinem Büro zusammengebrochen und röchelt still vor sich hin? Oder habe ich was versäumt? Am besten, wir machen uns auf die Suche, gehen voran, müssen uns selber schützen, sind vielleicht eher da, wo wir hinwollen. Haben wir dort hingewollt, wo wir sind? Im Irakkrieg waren das einige der täglichen Fragen der Avantgarde mit Schiss in der Hose und auf alles ballernd, was sich bewegt. Von daher gesehen ist unsere Debatte ein Luxus-Manöver zum Ablenken. Günther Eichberger kann sein Lexikon wieder ins Regal stellen. Abstauben wäre nicht schädlich. Wird Florian Neuner große Augen machen. Das darf doch nicht wahr sein. Wir müssen doch...? Wir müssen gar nix. Eine solche Haltung könnte Qualität bekommen. Wir müssen gar nichts außer scheißen. Der Satz, weswegen mein Sohn von der Schule geflogen ist. Das regt den braven Florian Neuner auf. Ach, wäre er mein Sohn. Scheißen kommt jetzt im amerikanischen Film auf Flughafentoiletten vor, um FBI-Agenten zu überlisten. Ist sicher fünf Jahre her. Alles abgeschmacktes Zeug. Ich sage nur: Löschtaste drücken. Liebe
Grüße,
----- Original Message ----- From:
Gerald Ganglbauer <gerald@gangan.com> >
Lieber Hans Fraeulin,
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