Horst Lothar Renner

gangway #36 – Home & Homecoming

wie eh und je ...

© 2005 by Horst Lothar Renner and gangan.com

 

innsbruck – eine reminiszenz


ich liebe innsbruck
                   immer noch
der inn fliesst durch die stadt
wie eh und je
die mauern links und rechts
kommst du von osten
öffnen den spalt ins blau
manchmal
und nur der inn fliesst durch die stadt
wie eh und je
wie eh und je
zieht auch die gruppe zinnsoldaten
durch die strassen
in früheren zeiten lächerlich
zur attraktion geworden
                       nun
ich liebe innsbruck
                   immer noch
wer stehen bleibt und schaut
erfährt geschichte
wer nachliest in den lauten büchern
der bleibt
           wie er gewesen ist
bleibt in der festung eingesperrt
hält seine meinung hoch
wie viele hier
der inn fliesst durch die stadt
wie eh und je
die alten sterben langsam weg
erlerntes bleibt
wird auch gelebt
von mann und frau
auch wenn die tracht
nur mehr im inneren
                   getragen wird
das kleinkarierte bürgertum
hat sich zur sonne durchgefressen
was früher stumpf
                 und dümmlich schien
stellt sich im fenster nun zur schau
viel breiter
           höher
                 bunter
was vorher zu durchdenken war
reizt jetzt nur noch die sinne
und doch
der inn fliesst durch die stadt
wie eh und je
die liebe bleibt
sie hat sich fest gefahren
die neuen freunde
                  gleichen nicht den alten
die alten freunde
                 waren gegenpol
nun trägt der untergrund
                         die oberfläche
ein aufbruch
             ist nicht zu erwarten
der inn fliesst durch die stadt
wie eh und je
      der inn fliesst durch die stadt
      wie eh und je
ich liebe innsbruck
                   immer noch
ein flugzeug streift die kirchturmspitze
die runden berge grenzen ein
die spitzen berge grenzen aus
kultur ist wohlbehütet heute
und regen fruchtet nichts
die ausgebrachte saat liegt streng bewacht
in ihren beeten
ein neuer schrei ist nicht zu hören
das zeitgemässe grunzen
                         ist ein altes
fassaden spiegeln ihre pracht
und spiegeln wider
wo ist die hoffnung hingekommen
wo steht der widerstand
                       und wo
die kunst
der inn fliesst durch die stadt
wie eh und je
wie eh und je
             fliesst
unverbindliches in strömen
die alten lieder werden noch gesungen
der alte glaube hält noch wacht
gemälde
          zum dekor verkommen
der nackte mann am kreuz
                         bleibt weggesperrt
ich liebe innsbruck
                   immer noch
und immer noch
verbindet sich hier sein und schein
und nur der inn fliesst durch die stadt
wie eh und je
wer in die berge flieht
flieht immer wieder
es sind versuche
                   ohne ziel
wer seine herren lobt
lobt immer wieder
das götzenbild
                es prägt sich ein
es formt die menschen
                       trägt die menschen
dringt formvoll in die körper ein
im unverstand zeigt sich ein wandel
im rhythmus
             und nach aussen hin
der standpunkt ist nur zeitbezogen
wer hellt die dunklen flächen auf
wer stellt infrage
                 wer dringt tiefer
wer will es wissen
                  wer hat zeit
wer kämpft
der inn fliesst durch die stadt
wie eh und je
             und spielt kulisse
der schönste berg der alpen
bringt sich ein
ein kleines dach
                 belegt die speicherplätze
vom filzhut kommt der kühle schatten
ich liebe innsbruck
                   immer noch
und auch den inn
                 wie eh und je
es war im garten
                 war in der stube
kroch in das dunkle holz
                        verschwand
es war der geist der wilden jahre
es war ein ausbruch
                   war beginn
und musste auch das ende bringen
das richtige
           hat seine zeit
und auch das falsche
auch das falsche
abrupt geplatzt das alibi
das rundgewölbe zeigt es nicht
ein blick hindurch
                 durchs morsche tor
der eichentisch
                 der alten steg
                             die bar in rot
das rundgemälde zeigt es nicht
und nichts war einbezogen
      da ist das innere
                       wer fühlt
      da ist das äussere
                       wer sieht
und nichts ist ausgesagt
ich liebe innsbruck
                   immer noch
der inn fliesst durch die stadt
wie eh und je
ich kommer her
                 und gehe fort
der inn fliesst durch die stadt
wie eh und je
wie eh und je
und nichts hat sich geändert

 

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