Reviews: Petra Ganglbauer

Deutsch Petra Ganglbauer: Niemand schreit. Milena Verlag, Wien 2001.

Petra Ganglbauer Cover: Niemand schreit

Das Buch hat den Terror zum Thema, der innerhalb einer extremistischen Gruppe entwickelt wird. Gezeigt wird vor allem, dass es innerhalb eines geschlossenen Systems kaum möglich ist, auszubrechen. Das ist aus Faschismus und Kommunismus bekannt geworden. Wenn die Systeme absolutistisch sind und die Köpfe der Menschen mit Propaganda besetzen, haben Gesichtspunkte von außen kaum mehr Chancen, ins Denken und Fühlen vorzudringen. Ab einem gewissen Grad der Zermürbung treten bei den wie von einer Krankheit Befallenen Verblödungserscheinungen auf, die zwar jedem auffallen, der von außen kommt, aber nicht den Protagonisten der Inszenierung. Das faschistische Syndrom ist stark von Ritualen bestimmt, etwas, das in Petra Ganglbauers Buch nicht zu kurz kommt. Diese Gruppe, die nichts weniger als die Weltherrschaft anstrebt und den Planeten “übernehmen” möchte, baut auf Inszenierungen, die erhöhen oder aushöhlen sollen, beides dient dem Ziel, die Widerstandskraft der Gruppenteilnehmer zu brechen. Zum Schluss tritt der gewünschte Effekt ein: “An einschlagenden Blitzen hängt mein Herz. An Einflüsterungen. An der Hand einer Gruppe gehe ich. Da weine ich hin. An Zünftigkeit, Ordnung und Strafe hängt mein Herz.” Da der Text fast ausschließlich die innere Befindlichkeit der Protagonistin in starken Bildern schildert, hätte es den Hinweis auf “Blau”, die Freiheitlichen in Österreich, vielleicht nicht gebraucht. Das Buch findet den Schlüssel zur Beendigung des Wahnsinns nicht in gesellschaftlichen Regulativen, in Überwachung, Kontrolle, Verbot, sondern in einem einfachen Satz, der den Text und seinen elaborierten Wahnsinn im Gleichgewicht hält. Das vorangestellte Motto, frei nach Hannah Arendt, spricht vom GEHORCHEN. “Niemand hat das Recht zu gehorchen.” Während der Lektüre schwingt dieser Satz, der ein wahres Gegengift ist, immer mit. Und so kann man sich auf den Stil der Autorin einlassen, weil man sich sicher weiß. Der Stil bildet immer größere Ausmaße der Zerstörung, Depersonalisierung der Ich-Erzählerin ab, er zerbricht die Sätze, löst sie in Einzelteile auf, das gleicht oft einem Gestammel, das man von großen emotionalen Erschütterungen kennt. “Die Worte halten still, ich halte still in ihnen, sie beschreiben mich, während ich versuche, das Geschehen zu beschreiben.” Die Tableaus, geschickt immer wieder eingestreut, zeigen eine Entkrampfung und Lösung an, die im Kontrast zum Haupttext steht, der die Implosion der Ich-Erzählerin zum Thema hat. So ist der Text wie schweres Atmen, bedrückend zu lesen, aber durch das ästhetische Kalkül gelungen.

Reviewed by Gerwalt Brandl, 23 November 2001

Deutsch Petra Ganglbauer: meeresschnee. Zeichnungen von Armin Guerino. herbstpresse, Wien 2001.

„Das Anschauliche ist ein zerfetztes, festgelegt, dann aufgeworfen.“, heißt es an einer Stelle in Petra Ganglbauers Gedichtband „meeresschnee“, was sich wie eine Schlüsselpassage zu ihren Texten liest. Im Mittelpunkt steht bei diesen die Welt der Dinge und Begriffe, die in meist kurzen Gedichten beschrieben wird, in eigenwilligen Sequenzen. Keine Wahrnehmung, keine Anordnung ist endgültig, auch die „Vergessenheit ist ein Vorgang des Vorübergehens: die Frequenz der Stille.“
Bestandsaufnahmen, Bewegungen finden statt, Situationen werden umrissen, überraschende Sequenzen verzahnen sich. Sorgsam auf Sprache bedacht, schildert die Autorin eine konzentrische, poetische Welt aus Bildern und Aussagen, in der das schreibende Ich sich bewegt, ohne zu dominieren.
Im Band sind auch zwei Textvertikalen, wie Petra Ganglbauer sie nennt, vertreten: „Schneehimmel“ und der längere Text „Dschungelgedächtnis“. Begriffe, die dem jeweiligen Titel zugeordnet sind, werden auf einer Mittelachse angeordnet, meist nur ein Wort, mitunter eine Gruppe von Wörtern. Jedes davon fügt dem entstehenden Bild ein weiteres Detail hinzu, die Assoziationsketten verdichten sich, das Geflecht, das im Kopf des Lesenden entsteht, ist von großer poetische Eindringlichkeit.
Zeichnungen, Grafiken von Armin Guerino sind dem Band derart beigegeben, dass sie in ihrer Eigenständigkeit korrespondieren, Bild und Text ergänzen sich in sensiblen Verknüpfungen.

Reviewed by Waltraud Seidlhofer, 18 March 2002

Deutsch Petra Ganglbauer: Manchmal rufe ich dorthin. Milena Verlag, Wien 2004.

Petra Ganglbauer Cover: Manchmal rufe ich dorthin

Poesie und Vernichtung

Der Text besteht aus zwei Teilen, der erste, längere, ist wiederum zweigeteilt: Auf den jeweils linken Seiten findet sich das Thema von Krieg und Vernichtung durch Katastrophen, auf den rechten Seiten liest man über privates Schicksal, innere Prozesse, Freude, Unglück, meist sind es ambivalente Kindheitserlebnisse. Diese beiden Parameter, das Gesellschaftliche und das Private, sind einander gegenübergestellt; bei der Lektüre wird klar, was beide Seiten verbindet: Es ist die Problematik der BILDER, die uns die Welt verständlich machen, aber auch, wie angedeutet wird, trennend zwischen uns und der Welt stehen. In diesem Buch sind die Worte erklärtermaßen Bilder. Die Poesie stellt sich den Gräueln der Medien entgegen, sie soll den Sieg davon tragen, dies ist das schon auf dem Vorblatt angekündigte Programm. Das letzte Drittel des Buches trägt die Überschrift “Weißes Rauschen”. Und das Thema dieser Seiten ist zweifellos die Verwandlung der Welt durch Poesie. Innen und außen verschmelzen miteinander, etwas, das schon im Hauptteil des Buches anklingt.

Der Krieg und die Katastrophen. Die Autorin lässt keinen Zweifel daran, WIE wir partizipieren am gräulichen durchs Fernsehen vermittelten Geschehen (Bombardierung, Verstümmelung, Vergewaltigung, Deportation, Massenerschießungen, Liquidierung, Folter und Flucht etc.). Wir sind die Voyeure, alles ist ganz realistisch. “Wir sind der Applaus ... Wir sind das Echo der Lichtkegel und Brandfackeln, der Explosionsblitze und Leuchtfeuer. Das Echo der Schreie. Der Kopflosen und der Geköpften. Der Körperlosen, wir sind das Publikum im Naturkino. Todeskino. Sind wir”. Die letzten drei Worte des Zitates muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, wenn man die Intention der Autorin verstehen will. Dann spürt man den mehr als bitteren Geschmack, den diese Lektüre hervorruft. Sie enthüllt das Dilemma, das wir kennen. Die Bilder des Fernsehens schaffen eine Identifizierung, die nicht auszuhalten ist. Das Gefühl kippt, und wir realisieren, vor dem Fernseher sitzend, dass wir leben; wir nämlich sind die Überlebenden! Die “klammheimliche Freude an der ästhetisch inszenierten Katastrophe.” Und das alles ist, wenn man dem Text folgt, keine zufällige Verkettung von Umständen. Nein, es hat Methode. Die mächtigen Kriegsführenden verwerten den Krieg medial, sie “fliegen, filmen und steuern”. Die Vertriebenen gehen “in der Hitze der Blitzaufnahmen”. Filmischer Jargon, wie “harter Schnitt”, “ausblenden”, wird auf das Geschehen übertragen. Der harte Schnitt ist der Filmschnitt und also zugleich der Schnitt, der die Toten von den Lebenden trennt. Der Text gibt zu verstehen, dass wir als Zuseher des Grauens die Opfer im Stich lassen. Die Medien berichten nicht nur über die Schlachtfelder der Welt, sondern sie bringen sie in gewissem Sinne hervor. Wie auch immer man dazu steht und ob man es ertragen kann: in unserer vernetzten Welt hat dies zweifellos Logik.

Es gibt keine heile Welt, wenn man die privaten Gegenstücke jeweils auf den ungeraden Seiten des Buches liest. “Über dieser Stadt der große Himmel, ich schneide ihn nicht aus, nicht aus, eine solche schwarze Sprache ist kein Grund zum Atmen”. Doch positive Augenblicke halten dem Schrecken der Kindheit manchmal die Waage. “Es liegt eine Sonne im Schatten der Welt. Dort wurzeln die Sträucher noch tiefer als sonst. Sie wachsen wie Bilder und stehen als Freude im Licht.” Wir lesen von Frauen und Kindern, “die Körbe auf den Köpfen tragen mit Äpfeln rot wie Schnee...” Es wird angedeutet, dass diese Bilderwelt kompensatorisch ist, dass die Phantasie zu blühen beginnt, wenn das Unglück überhand nimmt. Das Kind trägt die “Einbildung von Bienen und jederzeit Honig” in sich. Dann aber genießt es oft nur ein “Scherbenglück”. Immer wieder spricht der Text vom Dilemma dieses Bilderglücks. Die Bilder potenzieren den Schrecken UND die Freuden. Und sie haben die Tendenz, sich in nichts aufzulösen oder überzugehen in weißes Licht. Das Sehen erreicht den blinden Fleck. Aber das ist keine Niederlage. Die Autorin erinnert sich daran, dass sie als Kind mit einem Stift ohne Spitze “weiß auf weiß und ohne Ziel” zeichnete. Und sagt: “Dort dann kann ich sein.” Damit ist der unbestimmten Ort bezeichnet, wohin die Autorin fragt und ruft und woher sie auch Antwort erhält. Es ist ein privatmythologischer Ort, Traum und Kindheit, nicht ohne eine Ahnung des Todes, aber er ist die “Quelle” des Lebens. Im letzten Teil des Buches werden wir davon mehr erfahren. Es ist ein schwieriger Übergang. Denn zugleich ist dies der Ort der Auflösung der Gegensätze, wo das Bezeichnete und das Bezeichnende, Subjekt und Objekt, miteinander verschmelzen, es ist die Zeit der Synästhesien und wunderbaren Paradoxien. Die Qualität des Textes besteht darin, dass er nie philosophisch wird, sondern immer anschaulich bleibt. In diesem Buch gibt es wunderbare Sätze: “Eines Tages verließ ich das Zimmer, aber als Wald. Oder als Tag verließ ich den Wald und war Zimmer. Die Bäume standen am Weg und häuften ihr Lächeln, diese freundliche Abwesenheit des Sturms.” – “Unter meinen Füßen die Erde wie gegipste Sätze oder Textstücke plötzlich plötzlich sehe ich überall.” – “Als Echo Stundenbuch Blau, sei es auch noch so durchsichtig”. Der Autorin gelingt es, das Unsichtbare zu vermitteln durch die poetische Struktur der Sätze und Satzabfolgen. Die Wortwiederholungen im Satz z.B. markieren das Schwinden chronologischer Zeit.

Der Text ist nicht umfangreich, aber gewichtig und prägnant. Die Sätze manchmal bis zum äußersten komprimiert, mitunter durchaus riskant. Leserin und Leser müssen selbst urteilen, ob das Programm aufgegangen ist. Kann die Poesie die Grässlichkeiten der Welt aufwiegen, kann sie Gegengewicht sein zur globalen Bilderhitzung und Bilderschwemme? Jedenfalls ist es das Verdienst dieses Buches, die Konfrontation nicht gescheut zu haben. Und das Verdienst von Petra Ganglbauer, etwas geschrieben zu haben, das unter die Haut geht.

Reviewed by Gerwalt Brandl, 26 November 2004

Deutsch Petra Ganglbauer: Glöckchen. Nachtprogramm. Mit Zeichnungen von Gerda Sengstbratl. edition – das fröhliche wohnzimmer, Wien 2005.

Runderleuchtet die Welt mit Neusprache

„Narrativ geflüstert, Wortflattertanz, schweigt sie drohend und mundvoll und runderleuchtet die Welt mit Neusprache.“ Was hier am Ende der Göttin zugeschrieben wird, könnte der Autorin gutgeschrieben werden. Denn Petra Ganglbauer erzählt uns die Geschichten von den Göttinnen nicht neu, sondern kreiert einen sprachlichen Mythos, sie macht kein Hehl daraus, dass ihre Texte auf einer „Eigendynamik der Sprache“ beruhen. Die Sprache zeigt sich uns als Schöpfung. Und Schöpfung ist nichts anderes als ein Projekt im virtuellen Raum, und die Ganzheit der Sprache ist eine Utopie, die durch diese Texte angedeutet wird. Kein Zweifel, dass die Überblendung in die Gegenwart gelungen ist, wenn man liest: „Sie schiebt den Karren mit entlaubten Leibern, sie bringt den Krieg nach Hause mit Blumen. Sie schiebt die Erinnerungsbilder, auch Lumpen, hin und zurück. Die liegenden Körper lauschen mit abgeschnittenen Ohren den Lippenstiftbombern.“ „Literarisches Morphing“ nennt die Autorin ihre Methode der inhaltlichen und formalen Verschränkung aus Vergangenheit und Gegenwart. Das Buch, das keine Seitenzahlen hat und also zum Verirren einlädt (denn was soll im Labyrinth von Raum und Zeit noch gezählt werden?), besticht durch „Nichtordnung“. Die Sprache allein ist Ordnungsprinzip, der Text ein vielschichtiges Gewebe. Erstaunlich, wie die vormalige mythische Erzählung hier einen Paralleltext erhält, der zauberisch wirkt, zugleich fragil. Die Göttinnen allesamt, – früher noch hatten sie ihre Namen, die hier nur mehr am Rande erwähnt werden, – verflüchtigen sich zu Figuren, die depersonalisiert ineinander übergehen. Das Scheinbare/Imaginäre wird zurückverwandelt in das Reale der Prosa. Ein „Projekt“ nennt die Autorin ihr Buch, das in sich geschlossen wirkt, durchgearbeitet und trotzdem fragmentarisch. Das, was in der Welt erscheinen kann, erscheint, das andere bleibt im Dunkeln. Das Thema ist das Unausgeführte und Nur-Angedeutete, denn die Gottheit zeigt und entzieht sich im Mythos (der Sprache). Die Zeichnungen von Gerda Sengstbratl sind reduktionistisch, selbstverliebt und ehrlich, Kompositionen aus lächelnden Linien. Eine der Göttinnen wird die „vielfältige Im-Kreis-Lächlerin“ genannt. Und von einer anderen heißt es: „Sie aber sitzt, sie aber in gleichgültigen Kleidern reinster Wäsche ohne Namen.“ Mit sich selbst identisch, gleichzeitig aber auch von sich selbst verschieden. Der Rezensent fühlt in sich ein großes Ausrufezeichen.

Reviewed by Gerwalt Brandl, 16 April 2005

Deutsch Petra Ganglbauer: Der Himmel wartet. Milena Verlag, Wien 2006.

Petra Ganglbauer Cover: Der Himmel wartet

Eine Skizze voll Abschied

Das Buch ist mehrschichtig komponiert, verschiedene Stimmen repräsentieren unterschiedliche Instanzen. Die Angelpunkte des Buches sind einerseits etwa 40 Texte, die sich wie PR-Texte lesen, allerdings satirisch überspitzt, eigentlich auf eine teuflische Spitze getrieben, es geht um die höchste Lust und Erfüllung aller irdischen Wünsche, zugleich um Auslöschung, Vernichtung. Als Abgesang und Schlusskapitel und Kontrast stehen 17 Texte, die man als Resurrektion menschlichen Lebens empfinden und lesen kann. Hier ist der Mensch in Kontakt mit sich selbst: Augen und Ohren (die Autorin nennt das Schlusskapitel folgerichtig „Augentexte    Ohrentexte“) verhelfen dem Menschen zur Wahrnehmung, d.h. zu einer ihm gemäßen Wahrheit. Im Gegensatz dazu ist der Mensch in den 40 kursiv gesetzten Texten fremdbestimmt und manipuliert, man kann aber auch sagen: unter dem Diktat seiner eigenen Gier nach immer neuen Dingen, Glück, Genuss, Sicherheit, Erfüllung etc.

Diese Texte kann man als Einführung in die Hölle lesen, die besonders dadurch gekennzeichnet ist, dass die Wahrheit verdreht wird: Nicht der Himmel wartet nämlich, sondern die Hölle. Das Höllische besteht im Hohn, der über die Verdammten ausgegossen wird. Die poetische Montage- und Überspitzungskunst der Autorin erzeugt eine doppelt codierte Botschaft, die den hoffnungslos Festsitzenden einerseits die grausame Wahrheit nicht vorenthält, ihnen anderseits aber vorgaukelt, dass sie nicht nur gerettet werden, sondern in Saus und Braus leben können. „Sichern Sie sich Ihr Weekend-Haus dort, wo keine schmutzige Bombe abgeht. Immer ein Haus weiter. Schon einen Block daneben kommt man mit dem Schrecken davon. Die Bombe sucht nur die Dummen. Be clever!“ Persönlich und höflich werden die Verdammten angesprochen, und “der Teufel“ baut auf ihren erhärteten Glauben, dass alles käuflich ist und erworben werden kann, wenn man es sich nur rechtzeitig sichert, oder sich „versichert“, z.B. gegen Black-out und Lawinen. Wer wirklich clever ist, lässt uns der Teufel wissen, betrügt Teile von sich selbst mit anderen Teilen von sich selbst: „Heizen Sie Ihrem Body ein, beginnen Sie ein neues Verhältnis mit Ihrem Po. Betrügen Sie damit Ihre Hüften!“ Die Angebote sind Endlösungen: „Wir trainieren das optimierte, optimale multifunktionale Programm: Am Ende sind wir nicht mehr da, so jung sind wir (...) Null. Nichts. Jünger geht es nicht mehr!“ Das ist bitterste Satire, die ein aufkommendes Lachen sofort erstickt. Der Archetypus der Hölle ist so sehr beschworen, dass man eher weinen möchte. Denn was ist die Hölle? Dass man sich den Tod wünscht vor Pein. Aber in einer perversen Verdrehung heißt es u.a.: „Es lebe der Tod. Aber nicht für Sie!“.

Interessiert hat mich das Skizzenhafte des Buches. Einmal kann man lesen: „Eine Skizze voll Abschied“. Es fällt auf, dass der Text vielfach im Schwinden begriffen ist. Es ist eklatant, dass der Hauptteil, der eigentliche poetische Einfall, eine groteske Übersteigerung der Symptome gegenwärtigen Konsum- und zivilisatorischen Größenwahns, ausformuliert ist, während andere Teile fragmentarisch bleiben. Für die Abschnitte DOs und DON’Ts findet die Autorin 15 magere Zeilen, die Kategorie der in Großbuchstaben präsentierten WIR-Texte, die man als Stimmen aus einem Schatten- oder Totenreich begreifen könnte, ist mit gerade 6 Beispielen vertreten, und die prägnanten Einschübe, „Ort, wie ist dein Name“, „Lärm, wie ist dein Name“, Sprache, wie ist dein Name“, sind Sparvarianten, wobei ich mich aufgrund des brisanten Themas frage, warum nicht auch Schrecken, Bild, Gott, Baum oder Schatten z.B. auch nach ihrem Namen gefragt werden. Ich habe keine Theorie der Skizze zur Hand. Aus einer Eingebung heraus habe ich im Internet geforscht (gegoogelt), und unter DOs und DON’Ts eine Fülle von Texten gefunden. Früher hat uns der Katechismus gesagt, was wir tun sollen und was wir zu lassen haben, jetzt sagen uns das die Manager und Werbestrategen. Sie haben das Sagen. Sie penetrieren uns mit ihren Texten. Die Belletristik kämpft gegen die anderen Bilder und Texte. Vielleicht wartet der Himmel, wenn wir die Hölle entschlossen verlassen. Wer sind wir? Sind wir noch ansprechbar?

Reviewed by Gerwalt Brandl, 24 December 2006

Deutsch Petra Ganglbauer: Im Schonungslosen. Gedichte. Mit Photographien von Elisabeth Wörndl. edition ch, Wien 2007.

Petra Ganglbauer Cover: Im Schonungslosen

petra ganglbauers im schonungslosen ist eine kantige partitur, die jegliche musikalität in die schranken weist, sobald sie in einen rhythmus zu münden droht.
das sprachliche system baut sich auf aus mauern, aus dem stocken, dem stillstand und der atemlosigkeit.
daraus generiert die autorin kurze textbauwerke, stellt sie auf die seiten wie gebäude. unverrückbar. unangreifbar. sprachliche entsprechungen zu elisabeth wörndls fotografien.

Reviewed by Mike Markart, 9 July 2008

Deutsch Petra Ganglbauer: Die Überprüfung des Meeres. Edition Art Science, Wien und St. Wolfgang 2010.

Petra Ganglbauer Cover: Die Überprüfung des Meeres

In ihrem neuen Lyrikband unternimmt Petra Ganglbauer eine konsequente Reduktion von Sprache, ohne diese auszudünnen. Ihr Texte sind kurz, prägnant und gleichzeitig sehr poetisch, in den jeweils wenigen Zeilen eines Gedichts springt eine Bildfülle auf, ein kleiner Wortkosmos, ein in sich schlüssiges Bild, aus unerwarteten Wörtern geformt: „Immer schon in Gang dieses Andere/Bild-Re-velation/Weiße Variante/ (Der Krieg ist unerreichbar) aus Wasser oder Glas/ Oder Schalldämpfer: das Bild kippt und wird real.“ (S.67)

Jedes der Bilder ist real, jedes Wort trägt seine Bedeutung ohne Verfremdung, erhält seine Nobilität in seinem Kontext: „Das Wort wird in die Zeit gepackt,“ (S.23). Die Zusammenhänge ergeben sich nicht vordergründig, sondern resultieren aus poesievollen Splittern, mit denen Weltsicht vermittelt wird.
„Der Zusammenhang der Bilder/Reflektiert den Rest./Des Lichts.“ (S. 63)
Es entsteht eine große Dichte, eine faszinierende Konzentration, in den wenigen Zeilen eines Gedichts findet sich nichts Überflüssiges, kein Füllwort, nur die kleine Nennung der Dinge, für die Petra Ganglbauer auch zu eigenwilligen Wortzusammenhängen., Wortschöpfungen greift, um eine größere Präzision, eine perfekte Reduktion zu erreichen. Sie schreibt von „wasserbegonnenen Bildern“, einem „Schockhimmel“, von „wildfarbenen Serpentin“, von “Pixelschnee“ und „Zitterwasser“, Wörter, die, als Beschreibung, für sich stehen könnten und die in ihrem Kontext eine zusätzliche Farbe, Sinnlichkeit erhalten.

Petra Ganglbauer baut auch Kurz-Passagen in anderen Sprachen ein, zitatartig, und sie arbeitet mit grafischen Mitteln (Wortabstände, Kursivschrift, Satzzeichen, Klammern) und intensiviert dadurch noch die Struktur ihrer Gedichte. Daß jedes dieser kurzen Gedichte nicht nur seine Seite, sondern auch die gegenüberliegende (weiße) Seite zur Verfügung hat, sei dem Verlag hoch angerechnet.

Die Wörter, Wort-Bilder in Petra Ganglbauers Gedichten ergänzen sich, bauen sich auf, wenden sich auch gegeneinander, überraschend, unerwartet, und doch werden nie Brüche gebildet, sondern es entsteht eine lyrische, ins sich geschlossen „Montage“. „Eine solche Montage!/Braucht nur wenige Striche:/Wasser, Landschaft, Auge./Into the direction of day.“ (S. 63)

Man könnte dieses Gedicht auch als eine Art Programm für diesen Band lesen, in dem die Autorin mit ihrem so bewussten Umgang mit Sprache, durch die Beschränkung jedes Gedichts auf wenige Zeilen, Raum für intensive Poesie schafft.

Reviewed by Waltraud Seidlhofer, 18 March 2010


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