Reviews: Gerhard Ruiss

Deutsch Gerhard Ruiss: INDIKATIONEN. edition selene, Wien 2000.

Das Reizvolle am vorliegenden Band ist die Methode:
Gerhard Ruiss, durch seinen unausgesetzten Einsatz für die österreichischen Autorinnen und Autoren bekannt, führt diese seine langjährige Erfahrung als Akteur an vorderster Front in seine Literatur ein. Gerade dadurch bekommen diese Gedichte, Prosa-Skizzen, Texte eine Historizität zugewiesen. Implizit wie explizit.
Namen tauchen auf, Situationen, Szenen. Man kennt sie. Zumindest viele von ihnen.

Verfahrenstechnisch führt der Autor das Elementare und das Übergeordnete zusammen, indem er in einem Gutteil seiner Gedichte die Sprache des kleinen Mannes nachzeichnet und sich ihrer bedient, um sie schließlich sattsam zu durchkreuzen. Grenzgänge zwischen Alltagsfaschismus und Harmlosigkeit, durch Trink- und Kalendersprüche verbrämte Präjudize wie (selbstredend) unreflektiert lächerliche "Lebensweisheiten" werden auf dem intellektuellen Tablett serviert. Das verharmlosend Gefährliche kontrastiert Ruiss mit einer kühl kalkulierten Metaebene und macht es dadurch noch offensichtlicher.

Den locker von den Lippen gehenden Mundart-Sprüchen folgen bewußt akribisch zusammengestellte lexikalische Hinweise auf ihre Bedeutung in der Hochsprache. Diese Verfahrensweise gibt der Gedichtsammlung ihren insgesamt konzeptuellen Charakter.

Nachgerade ist es jener trockene Übersetzungsgestus, der, wo er in Kommunikation mit den Österreichtümeleien tritt, diese in ihrer Engstirnigkeit und auch Gefährlichkeit endgültig entlarvt.

Reviewed by Petra Ganglbauer, 23 November 2000

Deutsch Gerhard Ruiss: Kanzlergedichte 2000-2005. Edition Aramo, Wien 2006.

Man (Frau) könnte verzweifeln angesichts der Sprachverrohung in Politik und Gesellschaft. Man (Frau) möchte fliehen vor dem Schmierentheater. Man (Frau) könnte schreien vor Wut.
Der vorliegende jüngste Band von Gerhard Ruiss hilft einem dabei, dies alles nicht tun zu müssen. (Auch, wenn es schwer fällt.) Er lädt ein, mit zumindest einem lachendem lesendem Auge in die banale, zuweilen absurde, vertrackte oder gar dümmliche Alltagsrealität der vorwiegend innerösterreichischen Verhältnisse einzutauchen.
Das andere, weinende Auge wird auch noch lachen. Spätestens dann, wenn man (Frau) das Buch zu Ende gelesen hat: Dieser Band ist geistreich und witzig, sprachspielerisch (permutativ, onomatopoetisch...) und tröstlich.
Der Autor wählt den vielleicht einzigen Ausweg aus diesem scheinbar unausweichlichem gesellschaftlichem Dilemma. Er setzt bei der Sprache und deren Instrumentalisierung an. Hinlänglich bekannte Sager tauchen da ebenso auf wie ritualisierte verbale Machtallüren.

Gut, dass es dieses Buch gibt. (Man müsste sonst verrückt werden.)
Interessant auch die Stimmführung des Autors, wenn er daraus liest.

Ich habe ihn gehört und verstanden.

Reviewed by Petra Ganglbauer, 8 August 2006

Deutsch Gerhard Ruiss/Oswald von Wolkenstein: Herz, dein Verlangen. Lieder. Nachdichtungen. Band II. Folio Verlag, Bozen 2008.

Ruiss/Wolkenstein Band II Cover

Wir kennen Gerhard Ruiss als facettenreichen Autor, der auch Selbstironie und Gefühl in seinen Texten zu vereinen vermag. Ein konsequentes Unterfangen ist in der Tat das dreibändige Projekt mit Nachdichtungen der Lieder Oswald von Wolkensteins, von dem Band 1 und 2 bereits vorliegen.

Ruiss, der auch bei seiner organisatorischen Tätigkeit für die IG Autorinnen Autoren stete Disziplin verkörpert, tut dies ebenso in seiner Dichtung. Konzise und dennoch aus einer Leichtigkeit heraus (die in der vorhergegangenen Anstrengung wurzeln mag) sind die Nachdichtungen des letzten und berühmten Minnesängers geschrieben. Musikalisch, onomatopoetisch, rhythmisch, authentisch. Ruiss schafft es, die Leserin/den Leser in kurzer Zeit in jene klingende Umwelt hineinzuholen, die jene des Minnesängers, und die Antrieb für seine Lieder war.

Die Originaltexte finden sich im Anhang.

Zur Lektüre sehr empfohlen!

Reviewed by Petra Ganglbauer, 16 December 2008

Deutsch Gerhard Ruiss/Oswald von Wolkenstein: So sie mir pfiff zum Katzenlohn. Lieder. Nachdichtungen. Band III. Folio Verlag, Bozen 2010.

Ruiss/Wolkenstein Band III Cover

Kürzlich habe ich dieses Buch anlässlich eines Workshops zum Thema Übersetzen hervorgehoben:
Dies ist der dritte Band des dreiteiligen Werkes von Gerhard Ruiss, der sich herzhaft, voll sprachlicher Vitalität und – trotz aller sprachlicher Disziplin – gleichsam unverstellt auf die Spuren Oswald von Wolkensteins begeben hat.

Rhythmisch, musikalisch und lautmalerisch (etwa BERST, BRICH) muten die Lieder an, zeitgemäß sind sie und empfindungsmäßig durchaus nachvollziehbar, versteht es Ruiss doch hervorragend, die Sprache Wolkensteins so zu übersetzen, dass sie etwas Gültiges, Zeitloses erhält.

Man spürt, dass der Autor aufrichtige Freude an seiner Arbeit hatte.
Ansprechend gestaltet auch der Band, der Kopien von Liederhandschriften ebenso enthält wie die Originaltexte.

Empfehlenswert!

Reviewed by Petra Ganglbauer, 6 June 2010

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